Wissenschaftspopulismus

Achtung Populismus! Sie sind umzingelt von populären Vereinfachungen. Sehen Sie sich vor! Aber vielleicht gar nicht da, wo sie glauben, dass Populismus zu Hause ist. Er wandelt schon lange im Gewand der Wissenschaft und verkündet politisch genehme Heilslehren.

Zunächst, was eigentlich ist Populismus? Jeder weiß es, möchte man glauben, doch keiner kann es sagen. Um schlauer zu werden, habe ich eine Zeit lang im Internet herumgeklickt. Ergebnis: Nicht jetzt, sondern vorher dünkte ich mich schlauer. Dann seit Langem mal wieder ein Blick in mein Lexikon: Den Begriff „Populismus“ gibt es dort gar nicht, dafür eine Menge Staub. Zurück in Wikipedia. Alles durchaus lesenswert, was da steht: Auf lateinisch „populus, Volk“ wird verwiesen, und darauf, dass dem Begriff Populismus von den Sozialwissenschaften mehrere Phänomene zugeordnet würden. Hin geht es und her geht es, bald wird Populismus in die rechte Ecke gerückt, bald in die linke, auch auf die Mitte zielt der Begriff. Gleich welche Gruppierung, nahezu unterschiedslos wird Populismus als politisches Schmähwort verstanden. Und verwendet. Von emotionalen Kampagnen ist die Rede, in denen vereinfachende Lösungen auf komplexe Probleme angeboten würden. Am ehesten bringt es der letzte Absatz auf den Punkt und hier geht es um die Unzufriedenheit der Wähler mit der Konsensdemokratie, von der sie sich ausgeschlossen wähnten. Und das eben fände im Populismus seinen Ausdruck.

Mit „Populismus“ schmeißen
Interessant auch die Definition bei Wiktionary, das sich selbst als freies Wörterbuch versteht. „Populis-tisch“ sei, sich mit seinen politischen Forderungen nach den jeweils aktuellen Wünschen und Ängsten der Bevölkerung richten, um die Unterstützung möglichst vieler Wähler zu erhalten. Welche Partei, fragt man sich da, kann es sich dann überhaupt leisten, nicht-populistisch zu sein? Dennoch, jede tut so, als ob das Schmähwort nur auf die anderen zutrifft. Wie Dreck, mit dem man schmeißt. Und immer mit Erfolg, denn stets bleibt davon etwas hängen. Vor allem die Konservativen kriegen ihn ab. „Rechtspopulismus“ hat in Europa Konjunktur. Und was ist mit der Wissenschaft? Die widerlegt populistische Ansätze, spielt dem Populismus aber auch oft genug in die Hand. Gibt es so etwas wie Wissenschaftspopulismus?

Gewiss spielt er keine Rolle, wenn es zum Beispiel um Rätsel der elamischen Keilschrift geht oder darum, ob es tatsächlich unendlich viele Fibronacci-Primzahlen gibt oder nicht. Auch, ob die Radnetzspinnen Larinioides cornutus und Larionioides folium als „gute“ Arten gelten können oder, so wie bisher, besser zwei verschiedenen Spezies zugerechnet werden sollten. Freiräume sind das, in denen der Wissenschaftler nur seiner Wissenschaft, nur sich selbst und nur seinen Kollegen verpflichtet ist. Die paar Forschungsmittel, die er braucht, finden sich, auch ohne sonderlich Aufmerksamkeit auf sich lenken zu müssen.

Doch Wissenschaft kann teuer sein, sehr teuer sogar, und dann heißt es, die Öffentlichkeit zu gewinnen, zumal die Politik, um die dafür notwendigen Forschungsmittel zu akquirieren. Wissenschaft mag aber auch per se für die Politik interessant sein, nämlich immer dann, wenn sie sich als Mittel zum politischen Zweck verwenden lässt. Und sogleich öffnen sich die Türen.

Populismus bedeutet nicht einfach „Lüge“, Wissenschaftspopulismus schon gar nicht. Wissenschaftlich eruierte Teilwahrheiten eignen sich viel besser. Als Beispiel der Klimawandel. Den gibt es. Denn nicht nur das Wetter ändert sich ständig, sondern auch dessen Resultate, wie sie sich über Jahrzehnte hin abzeichnen: das Klima eben. Sonneneinstrahlung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind und Bewölkung ergeben regional wie auch global bald mehr, bald weniger bizarre Kurven. Nicht nur mit Daten aus der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit gelingt das, sondern auch mit solchen längst vergangener Zeiten.

Nur eben die Ursachenforschung, mit der hapert es. Schwankungen der Sonneneinstrahlung und der Erdbahnparameter werden in Betracht gezogen, Vulkanismus und Plattentektonik sowie Änderungen in der atmosphärischen Zirkulation, den Meeresströmungen und der Vegetationsbedeckung. Politisch jedoch steht eine einzige Gruppe von Faktoren im Vordergrund: die der Treibhausgase. Zwar ist das mit Abstand am stärksten wirkende und womöglich einzig wahre Treibhausgas der Wasserdampf, vor allem die durch ihn gebildeten Wolken sind es.

Ein politogenes Gas
Die politische und mediale Welt aber anerkennt praktisch nur ein einziges Gas: den „Klimakiller“ Kohlendioxid. CO2 – für das Pflanzenwachstum eine conditio sine qua non – bewirkt zwar, wie manch andere atmosphärischen Spurengase, eine Absorption von Wärmestrahlung, das aber nur schwach. Zudem finden sich Veränderungen in der atmosphärischen CO2-Konzentration immer nur als Folge globaler Erwärmungsphasen, mitunter auch in einer Gegenbewegung, oder es ergibt sich keinerlei zeitliche Korrelation.

Auch das aktuelle Wettergeschehen dieses Jahres wurde wieder gerne als Beleg für das unselige Wirken von Kohlendioxid angeführt. Doch gab es im Europa des Jahres 1540 eine Jahrtausenddürre und der Sommer 1904 soll gemäß bisheriger Wetteraufzeichnungen der bisher niederschlagsärmste gewesen sein. Die Ursachen dafür sind unklar, keinesfalls aber CO2- oder gar industriebedingt. Politikern und sonst wie an der Angst vor einer „Klima-Katastrophe“ Interessierten scheint das egal zu sein. Sie bleiben jedem Versuch fern, das vermeintliche CO2-Verursachungsprinzip mit entsprechenden Kontrahenten in aller Öffentlichkeit zu verteidigen. Um die Verteilung vieler, vieler Milliarden Dollar geht es da und vor allem um politischen Einfluss beziehungsweise dessen Wahrung.

Es heißt, fast nur noch solche Wissenschaftler, die aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und nicht länger auf Forschungsmittel angewiesen sind, könnten sich leisten, auf die vom herrschenden Dogma abweichenden Sachverhalte hinzuweisen. Zum Beispiel der an der Leipziger Universität lehrende Klimatogeograph Werner Kirstein oder der renommierte schwedische Klimatologe Lennart Bengtsson.

Einem Großteil der Bevölkerung kommt man mit populistischen Argumenten sehr entgegen. Man liebt Ein-Grund-Begründungen, schön einfach sind sie. Und wenn der Klimawandel die Leute nicht ausreichend erschreckt, dann eben, so Ivar Giaever (Physik-Nobelpreisträger von 1973), erschreckt man die Leute mit Wetterextremen. Sind diese hierzulande nicht politogen genug, gibt es ja, bitteschön, Wetterkapriolen sonstwo auf der Welt. Menschen mit anderer Meinung als die der Meinungselite werden wirkungsmächtig als „Klimaskeptiker“ oder gar – angelehnt an Holocaustleugner – als „Klimaleugner“ in die Ecke verwiesen.

Gentechnik, Chemie – igitt!
Umgekehrt werden von Wissenschaftspopulisten gern all jene des Lobbyismus bezichtigt, die der Gentechnik das Wort reden. „Gen-Kritiker“ sind das, die da warnen. Man möchte glauben, bei solcher Bezeichnung handele es sich um eine Art Witz, ähnlich wie bei „genfreien“ Nahrungsmitteln oder dem Bestreben ganzer Länder und Landstriche, „atomfrei“ zu werden. Nein, es sind weitverbreitete Krönungen sprachlicher Absurdität. Den Kritikern der Gentechnik (oder eben kurz „Genkritikern“), unter anderem den von verschiedenen NGOs betriebenen „genkritischen Bewegungen“, geht es samt und sonders um die Diskreditierung gentechnisch veränderter Lebensmittel und die dafür zeichnende Industrie.

Die einen verfolgen mit ihren Warnungen eben mal einfach nur populistische Taktiken, den anderen graust es ehrlich vor Weißkitteln mit all ihren labortechnischen „Eingriffen in die Schöpfung“. Dabei ist jedwede Züchtung ein Eingriff in die Schöpfung. Nein und tausendmal nein, heißt es dann, die bisherige Form der Züchtung, die konventionelle, sei eine naturgegebene. Sie wäre dem Menschen mit dem Schöpfungsakt gewissermaßen in die Wiege gelegt.

Was die meisten von den Gentechnik-Kritikern nicht wissen (oder nicht wissen wollen), ist, dass die sogenannte konventionelle Züchtung von heute durch chemische Mutagene oder durch Bestrahlung, zum Beispiel mittels Kobaltkanonen, nach dem Schrotschussprinzip unkontrollierbar befeuert wird. Ansonsten verliefe der Züchtungsprozess viel zu langsam. Gentechnik hingegen wird mit präzisen und relativ einfach kontrollierbaren Eingriffen in das Erbgut gehandhabt. Mit hochmodernen Verfahren, namentlich dem Genome-Editing mit der CRISPR-Cas9-Technik, kann man winzige Veränderungen (Punktmutationen) bewirken, die von denen, wie sie in der Natur fortlaufend passieren, nicht zu unterscheiden sind. Und genau darin sehen die Wissenschaftspopulisten das Problem: Das Unnatürliche kommt im Gewande des Natürlichen daher! Professor Szibor hat die Leser von MAGDEBURG KOMPAKT darüber in lesenswerten Beiträgen unterrichtet. Ebenso darüber, wie das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat zu einem politogenen Chemieungeheuer stilisiert wurde.

Man darf gespannt sein, welcher Art die Einwände gegen das Ansinnen der Gentechnik sind, trockenheitresistente Züchtungen auf den Markt zu bringen. Milliardenverluste, wie die in diesem Jahr, ließen sich dadurch vermeiden. Eigentlich passt das doch wunderschön zum Klimakatastrophen-Populismus. Nun, wenn schon, könnte es dann heißen, aber bitte nicht auf deutschem Boden! Hier hat billiger Populismus schon so manchen Industriezweig kurzgehalten und ins Ausland gedrängt. Demnächst womöglich die Entwicklung und Produktion von Verbrennungsmotoren.

Homöopathie & Genderforschung
Es gibt in unserer Mitte ganze Bereiche, die glauben machen, auf wissenschaftlicher Grundlage zu argumentieren und zu agieren, stattdessen aber allein oder ganz wesentlich auf Wissenschaftspopulismus setzen. Die Homöopathie und Akupunktur gehören dazu, die anthroposophische und die chinesische Medizin. Und, selbstredend, große Bereiche der Sozialwissenschaften. Wie auch sollten sich die Politikwissenschaften, die Sozial-, Motivations- und Persönlichkeitspsychologie, die Völkerkunde oder gar die Gender-Forschung von wissenschaftsexternen Einflüssen freihalten können, wie die Religionswissenschaften, zumal die Islamwissenschaft? Dabei müsste die Wissenschaft die Politik von sich besser fernhalten, allzumal ideologische Einflüsse. Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei, steht in Artikel 5 unseres Grundgesetzes.

Gleichsam inflationär sind die Versuche von Esoterik und Parawissenschaften, sich auf echte, auf akademische Wissenschaft zu berufen. Und überall blühen sie, all die Formen von biodynamischer Landwirtschaft, die Unternehmen zur energetischen Wohnraumentstörung und -entstrahlung wie auch Ideen zu Diäten mit „naturbelassenen“ Nahrungsmitteln. Entscheidungen werden ausgependelt oder mittels Geomantie getroffen, Impfgegner tun sich zusammen und Gegner von Tierversuchen. Oft genug finden sich dafür Steuermittel, immer aber verunsicherte Bürger, die dazu Geld und Stimme geben.

Die Vertreter wissenschaftspopulistischer Strömungen stehen den Hard Sciences eher fern, oft sehr fern. Dasselbe gilt vermutlich für die Mehrheit der Politiker. Warum sonst widerstrebt es ihnen, politisch unvoreingenommene Vertreter der Wissenschaft in den Bundestag oder in die Landtage einzuladen, um sich per PowerPoint-Vortrag über deren Argumente und Sichtweisen zu informieren. Und das, bevor tiefgreifende Beschlüsse getroffen werden? Weit eher hat man den Eindruck, es ginge hier weniger um Sachargumente als vielmehr darum, den anderen Parteien vom Rednerpult her oder aus den Reihen der Abgeordneten durch lautes Gelächter und Protestgeschrei Wählerstimmen abzujagen.

Populismus selbst an der Spitze
Wie wohltuend muss es dann sein, wenn sich für die eigenen populistischen Zwecke Kronzeugen aus dem Spitzenbereich der Wissenschaft finden. So Professor Dr. Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der im vorigen Jahr vor der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle eine Rede hielt. Titel: „Über Wissenschaft in Zeiten des Populismus“. Gemeint sind damit nicht etwa die über die Leitmedien verbreiteten Fehlinformationen zur Gentechnik, zu Treibhausgasen oder zu vermeintlich wissenschaftlich begründeten Grenzwerten atmosphärischer Spurengase.
Im Gegenteil, vom DFG-Präsidenten bekommt man eher das zu hören, was ohnehin ständig von den Türmen der Meinungselite geblasen wird. Es fehlt daher nicht an Warnungen vor Autokraten und Populisten, denen freie Wissenschaft zum „Objekt von Insinuation und Verdächtigmachung“ gereiche. Massiv verbreiteten sie Expertenmisstrauen. Der Austausch von Argumenten als Verständigungsbasis offener Gesellschaften würde aufgekündigt, populistisches Experten-Bashing untergrabe dieses Vertrauen gezielt, Denunziationsvokabeln von „Lügenpresse“, „Expertengeschwätz“ oder „Lügenwissenschaft“ verstellten den Blick auf die wahre Sachlage.

Solche Art von Bestätigung, ausgezeichnet als die „Rede des Jahres“, befeuert die Politiker und die von ihnen herbeigeholten und bisweilen selbsternannten Experten. Sie wissen, wie man es anstellen muss, um wissenschaftliche Sachverhalte so darzustellen, wie es opportun ist. Und das ohne „langweilige“ Diagramme, ohne „langweilige“ Kurven, ohne „langweilige“ Tabellen und ohne irgendwelche Studienbelege oder Gutachten von verlässlich unabhängiger Seite. Wissenschaftspopulismus, man hört ihn trapsen. Überall! Prof. Dr. Gerald Wolf

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