Wie viel Katharina gehört zu Zerbst?

Prinzessin, Kaiserin, Zarin: Katharina II. Alexejwna – Ein Kurzporträt von Volker A. W. Wittich

Nicht nur in Zerbst in Anhalt wird behauptet, dass Katharina II. eine Zerbsterin gewesen sei. Wahr ist, dass sie dem Adelsgeschlecht von Anhalt-Zerbst entstammte. Und die Krim wurde bereits 1783 durch die russische Zarin Katharina II. Alexejwna (1729-1796) annektiert. Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst wurde am 2.Mai 1729 in Stettin als erstes Kind der Eheleute Fürst Christian August von Anhalt-Zerbst und Fürstin Johanna Elisabeth von Holstein-Gottorp geboren. An der Odermündung verbrachte sie ihre Kindheit. Sophie lernte Französisch und konnte die Fabeln von Lafontaine auswendig hersagen, besonders liebte sie die Komödien von Moliere. Ein Feldgeistlicher unterrichtete sie in Geschichte, Geographie und Bibelkunde. Mit der Ernennung des Vaters zum Stettiner Statthalter zog die Familie in das Schloss am Hauptplatz, Sophies Kinderzimmer befand sich im obersten Stockwerk.

Mut, Wahrheitsliebe und Gehorsam waren die Tugenden, die man sie lehrte. Ihr Eigensinn führte zu einer Vorurteilslosigkeit und früh stellte sie alles in Frage, um selber über alles nachzudenken. Bis zu ihrem Hochzeitstag wusste Sophie nicht, worin sich die Geschlechter unterschieden. Später schrieb sie: „Mein Leben lang hatte ich die Neigung, nur der Sanftheit und Vernunft nachzugeben und mich allem Druck zu widersetzen.“

Im November 1742 zog die Familie von Stettin nach Zerbst. Anhalt-Zerbst war ein kleines selbständiges Fürstentum mit nur 20.000 Einwohnern. Im Kavalierhaus der Schlossanlage befindet sich heute im Erdgeschoss die Sammlung Katharina II. mit dem lebensgroßen Gemälde von ihr auf dem Pferde, welches 1995 vom russischen Maler Sergej Prisekin geschaffen wurde. Sophies Vater war für sie das Mus-terbild eines Herrschers, da er trotz eines Schlaganfalls und der damit verbundenen halbseitigen Lähmung in schlichter Manier weiter regierte. Sie beschrieb es mit den Worten: „Alle seine Schritte waren von der strengsten Rechtlichkeit geleitet. Ich habe nie ein Wort von ihm gehört, das nicht in Übereinstimmung mit seinem Charakter gewesen wäre.“

Sophies Mutter Johanna begann früh, sich nach einem passenden Mann für ihre Tochter umzusehen und ihre Wahl fiel nicht unbegründet auf Peter Ulrich, Sohn des Herzogs von Holstein-Gottorp. Dieser war Erbe des Thrones von Schweden. Diese gewünschte Beziehung kommentierte Sophie wie folgt: „Ich hatte nichts dagegen, denn ich wusste, dass er eines Tages König von Schweden werden würde und mir schmeichelte der Titel einer Königin.“

1742 verzichtete Peter Ulrich auf die schwedische Krone. Er wurde von Elisabeth adoptiert und zu ihrem Nachfolger ausersehen. Zum Erben des schwedischen Thrones wurde – als Bestandteil der Friedensbedingungen zwischen Russland und Schweden – der Bischof von Lübeck Adolf Friedrich, zugleich Bruder von Johanna, bestimmt, was natürlich in Zerbst am Hofe Jubel und Freude auslöste.

Im Dezember 1742 wurde Sophies Schwester geboren und ihre Mutter bat Elisabeth um ihre Patenschaft, wozu die Kaiserin ihr Einverständnis gab. In Sophie erwachte, eher aus Karrieregründen, neues Interesse an Peter und in späteren Erinnerungen von ihr heißt es: „In meinen geheimsten Gedanken entschied ich mich für ihn, denn von allen Verbindungen, die man für mich in Aussicht genommen hatte, war dies die glänzendste.“

Am Neujahrstag 1744 traf in Zerbst ein zwölf Seiten langer Brief von Peters schwedischem Hofmeister ein und Sophies Vermutung sollte sich im Wortlaut bewahrheiten: „Auf den ausdrücklichen Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät habe ich Ihnen, Madame, den Wunsch der erhabenen Kaiserin zu übermitteln, dass Ihre Hoheit mit der Prinzessin, Dero ältesten Tochter, so bald wie möglich in unser Land reisen möge …“ und weiter heißt es in diesem Schreiben, „dass seine Hoheit der Fürst unter keinen Umständen an der Reise teilnehmen soll.“ Schnell kamen dem um seine Tochter sehr besorgten Fürsten arge Bedenken und dies nicht nur im Hinblick auf die lange strapaziöse Winterreise in ein unendlich großes Land mit damals etwa 19 Millionen Einwohnern, doch bestehend aus 80 Völkern.

Sophie sah in der Reise nach St. Petersburg keinerlei Verpflichtungen und hinzukam, dass die Kaiserin vorsorglich auch für eine Deckung der Reise-kosten der beiden Zerbster Damen gesorgt hatte. Im Februar erreichten sie ihr Ziel. Nach einem dreitägigen Aufenthalt in St. Petersburg ging es weiter nach Moskau, wo sie im hölzernen Barockschloss Annenhof von Kaiserin Elisabeth empfangen wurden.

Einen Wendepunkt in Sophies Leben stellte der Glaubenswechsel im Juni 1744 zur orthodoxen Kirche dar. Die Kaiserin wünschte den Vornamen Jekaterina und mit der Verlobung mit Peter wurde sie Großfürstin mit dem Titel „Kaiserliche Hoheit“. Ihr Handeln war darauf ausgerichtet, dem Großherzog, der Kaiserin und dem russischen Volk zu gefallen. Peter hielt sie für unreif und führte dies zum Teil auf seine Erziehung zurück. Katharina beschloss, sich anzupassen und nahm Tanzstunden, lernte Menuett und Polonaise, denn Bälle und Kostümfeste waren ein wichtiger Bestandteil des Hoflebens.

Im Mai 1745 zogen die Kaiserin und Peter in das Sommerpalais um, während Katharina und ihre Mutter ein Haus am Fluss Fontanka bewohnten. Katharina sah Peter fortan selten und die Kaiserin nur an Sonntagen. Es entstand eine Bindung zu Elisabeth und die Heirat 1745 war auf den Wunsch der Kaiserin zurückzuführen. Was folgte war ein von Demütigungen, Bevormundung und Drohungen ausgefülltes Eheleben. Es kam zu einer zunehmenden Entfremdung. Katharina versuchte dies durch neue Interessen und Freunde zu überwinden. Einer dieser neuen Freunde war Sergej Saltykow, der Katharina die ersten Mutterfreuden bescherte; 1753 gebar sie ihren Sohn Paul.

Mit 26 Jahren begann sie, russische Geschichte zu studieren. In St. Petersburg wurde indessen die Lage immer unübersichtlicher, was sich zu ihren Unguns-ten verschärfen sollte. Dies sah Katharina kommen und arbeitete einen detaillierten Plan aus. Mit diesem wandte sie sich an den neuen britischen Botschafter Charles Hanbury-Williams, da sie Geld brauchte und sie bekam 10.000 Pfund. Der Botschafter bestärkte sie und sagte zu ihr: „Sie sind zum Befehlen und Herrschen geboren und nur das Alter wird sie auslöschen.“ Mit Hanbury-Williams zusammen kam sein Sekretär, der 22-jährige Stanislaus Poniatowski, der sich im folgenden Winter in sie verliebte. Er wurde der Vater ihres zweiten Kindes Anna. Peter bekannte sich, im Gegensatz zum ersten Kind, zur Vaterschaft.

1759 wurde mehrfach zu einem Unglücksjahr: Erst starb Katharinas Tochter im März, dann der von ihr geachtete Charles Hanbury-Williams und schließlich ihre im Pariser Exil lebende Mutter im Alter von 47 Jahren. Katharina machte sich zur Maxime, zu ertragen, was ertragen werden musste und ihre Pflicht zu tun. Es sollte nicht lange dauern, dass ihr ein weiterer Mann gefiel: Grigorij Orlow. Dem nicht unerwarteten Tod der Zarin im Dezember 1761 folgte die sofortige Ernennung von Peter zum Zaren, ohne Katharina oder den Prinzen Paul zu erwähnen. Sie hatte ihr Ziel erreicht: Katharina war die Gemahlin des Kaisers von Russland. 1762 schenkte Katharina ihrem dritten Kind, einem Jungen, das Leben, den sie vorsorglich zu Pflegeeltern gab.

Wegen der lieblosen Beziehung zu Peter zog sie schließlich ihre Konsequenzen und teilte mit, dass sie bereit sei, sich an die Spitze eines Staatsstreiches zu stellen. Am 28. Juni führte eine unblutige Revolte zur Festnahme vom Kaiser Peter mit Hausarrest im Landhaus Ropscha. Sein Wärter wurde Orlow, der ihn vergiftete und anschließend erdrosselte. Am 1. September 1762 verließ Katharina mit ihrem ganzen Hofstaat St. Petersburg in Richtung Moskau, um sich dort krönen zu lassen. Mit 33 Jahren, nach 18 Jahren Aufenthalt in Russland, war sie nun Zarin
Katharina II. geworden.

Buchtipp: „Katharina die Große“, Biografie von Vincent Cronin, Piper Verlag.

Ein Vortrag von Volker A. W. Wittich über „Katharina die Große“ findet am 18. Februar, um 15 Uhr, in der Kulturwerkstatt Gommern e.V., Walter-Rathenau-Str. 19, 39245 Gommern statt.

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