Wider die Flut romanischer Wörter

Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen auf einem Kupferstich von A. Römer.

Vor 400 Jahren wurde die „Fruchtbringende Gesellschaft“ etabliert, die die deutsche Sprache durch Reformen vor Verflachung schützen wollte. Vor zehn Jahren besann man sich in Köthen der hehren Ziele dieser Vereinigung und gründete die „Neue Fruchtbringende Gesellschaft“.
Die erste und bislang bedeutendste deutsche Sprachgesellschaft entstand im Jahr 1617 nach dem Vorbild der italienischen Accademia della Crusca. Sie hatte ihren ersten Sitz in Weimar, am Residenzort des damaligen Oberhauptes Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen. Die „Fruchtbringende Gesellschaft“ verfolgte unter anderem das Ziel, Deutsch als Sprache von Gelehrten und auch von Dichtern zu propagieren. Vor zehn Jahren wurde sie in Köthen als „Neue Fruchtbringende Gesellschaft“ wiederbelebt.
Ein Jahr vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wurde 1617 in Weimar von Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen (1579-1650) und weiteren Adligen die Fruchtbringende Gesellschaft gegründet. Nach Michael Karkosch („Der Fruchtbringende Lustgarten zu Köthen und die anhaltische Orangeriekultur“ in „Die Gartenkunst“) hatte sich Prinz Ludwig frühzeitig durch ein besonderes Interesse an Wissenschaft und Kunst hervorgetan. Bereits mit siebzehn Jahren unternahm er Kavalierstouren durch Frankreich, durch England, durch mehrere deutsche Staaten, durch Holland und durch Italien.
In Italien hielt sich Ludwig vier Jahre lang auf, wo er viel Zeit am Hof des Großherzogs de Medici verbrachte, der Dichter, Gelehrte und Künstler förderte – so wurde beispielsweise auch Michelangelo als Jüngling von den Medicis aufgenommen. Bereits in Italien war Ludwig Mitglied der „Academica della Crusca“ als Vereinigung zur Förderung der italienischen Sprache gewesen. Angeregt von seinen Erfahrungen in Florenz und tief beeindruckt von dieser Geisteshaltung wurde er 1629 das Oberhaupt der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ und blieb dies bis zu seinem Tode 1650. Laut Karkosch war das Ziel der „Fruchtbringer“ eine Sprachreform, die das Hochdeutsche von der Flut romanischer Fremdwörter reinigen, vor Sprachverflachung schützen und durch die sich Dichtung aus sich selbst weiterentwickeln sollte. Latein war als bis dahin geltende Wissenschaftssprache durch das Deutsche abzulösen.
Diese erklärten und zum Teil auch erreichten Ziele wurden als Mittel und Weg einer christlichen und politischen Erneuerung verstanden. Angehörige aller Konfessionen konnten Mitglied der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ werden. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts gehörten ihr etwa 500 Personen an – darunter vor allem Dichter und Gelehrte. In besten Zeiten soll sie 890 reguläre Mitglieder vereint haben, schrieb Matthias Bartl 2007 in einem Beitrag für die Mitteldeutsche Zeitung.
In der Gesellschaft gab man sich Beinamen. Fürst Ludwig I. nannte sich „Der Nehrende“, Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar „Der Schmackhafte“ und Dietrich von dem Werder „Der Vielgekörnte“. Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, Begründer der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel – damals die größte Bibliothek Europas –, war 1634 als „Der Befreyende“ der Gesellschaft beigetreten. Auf seine Veranlassung wirkte Carl Gustav von Hille als Hofmeister in Wolfenbüttel, der auch Verfasser der ersten Geschichte der Fruchtbringenden Gesellschaft war und sie 1647 in Nürnberg veröffentlichte.
Nach Karkosch versuchte die „Fruchtbringende Gesellschaft“, ihre Identität über optisch wahrnehmbare Signale zu finden. So erhielt jedes neue Mitglied als „Imprese“ eine Pflanze als Wappen neben diesen Beinamen, dem ein Leitspruch zugeordnet wurde. Diese neue Pflanze stand im Köthener Gesellschaftsbuch und bereicherte die „schöne Gartenzucht“. Die regelmäßige Gartenkunst galt dabei als Sinnbild von Poesie und Tugend und verwies auf die geforderte Disziplinierung, die sowohl von einem Gärtner, in Bezug auf die wilde Natur, als auch von den Gesellschaftsmitgliedern in Bezug auf die Sprache und sich selbst verlangt wurde. So beispielsweise auch Mitglieder wie Graf Ludwig Günther von Schwarzburg-Rudolstadt als „Der Starckende“, dessen Imprese ein „Citronen“-Baum war als klare Anspielung auf den Nutzen. Interessanterweise sind eine ganze Reihe der Impresenpflanzen im Köthener Residenzgarten nachweisbar. Die Gelehrtengesellschaft hatte vermutlich mit der Übernahme der Regentschaft durch den jüngsten Sohn des Fürstenhauses von Anhalt-Köthen ihren Sitz in Köthen.
In Rückbesinnung auf die reiche Geschichte des Fürstenhauses, besonders auch sprachlich geprägt und gefördert durch den Fürsten Ludwig I., und in Anknüpfung an die Verdienste der Mitglieder der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ im 17. Jahrhundert wurde vor zehn Jahren die „Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e. V.“ gegründet. Den Vorsitz hat die Studiendekanin des Fachbereichs Informatik und Sprachen an der Hochschule Anhalt, Prof. Dr. Uta Seewald-Heeg, inne.
Nach der zum zehnjährigen Bestehen erschienenen Dokumentation hat es sich die „Neue Fruchtbringende Gesellschaft“ zur Aufgabe gemacht, „die Kräfte der verschiedenen sprachpflegerischen Vereine und Initiativen zu bündeln. Sie will Sprachinteressierte verschiedener Herkunft für die Gesellschaft werben und mit Sprachaktionen in der Öffentlichkeit werben, um ein Bewusstsein für den Wert der deutschen Sprache und ihrer Ausdrucksfähigkeit zu schaffen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die deutsche Sprache als Amts-, Kultur-, Landes- und Wissenschaftssprache zu erhalten, zu pflegen, zu schützen und weiterzuentwickeln.“ Weiter heißt es darin: „Die Neue Fruchtbringende Gesellschaft stellt sich die Aufgabe, das Bewusstsein für die Schönheit und Ausdrucksfähigkeit des Deutschen zu schärfen und insbesondere jungen Menschen wieder die Freude am Umgang mit ihrer Muttersprache zu vermitteln. Damit stellt sich die Gesellschaft den Herausforderungen einer modernen Sprachpflege.“
An Veranstaltungen und Aktionen stehen an erster Stelle der „Köthener Sprachtag“, Reden zur deutschen Sprache, ein Schülerwettbewerb „Schöne deutsche Sprache“, das „Köthener Sprachforum“ und die „Köthener Gespräche“. Im Auf- und Ausbau befindet sich das „Fürst-Ludwig-Haus der deutschen Sprache“ in der Bernburger Straße, wo am 1. April 2017 die Ausstellung „Frische Sprachpflege – vielgestaltige Spracharbeit“ im Beisein vieler Vereinsmitglieder, Sprachfreunde und Gäste durch die Vereinsvorsitzende eröffnet wurde. Die Bedeutung der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ würdigt nun die Deutsche Post mit der Herausgabe einer Sondermarke. Volker A. Wittich

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