Wenn Rot laut Grün ruft
Kurz gedacht und schnell gesprochen, so könnte man, wenn man wenig nachdenkt, über die Magdeburger Stadtratsdebatte zur Entscheidung für ein Erinnerungsportal für die Ulrichskirche urteilen. Das Grün, das Grün … des Platzes muss erhalten bleiben, ruft es aus roten Reihen der SPD umweltbewusst und naturverliebt. Kein Ruf war so laut, als es um die Baumbeseitigung für eine neue Straßenbahntrasse ging oder für die Hochwasserschutzanlagen im Herrenkrug. 790 Bäume sind schon abgeholzt, sagt ein polnischer Arbeiter, der dort eine Schneise für Baufahrzeuge freisägt. Aber immerhin geht es hier um ein paar Quadratmeter Rasen. Gut, es wäre nicht gerecht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Mitstreiter der Wiesen-Verteidigung sind auch Stadträte der Linksfraktion und ein paar andere. Allerdings, so hört man heraus, ist bei ihnen weniger der Rasen ein Hinderungsgrund als eine Hintertür der Kirche, durch die selbige kommen könnte. Also die Angst vor einem Wiederaufbau der Ulrichskirche gegen die Mehrheit eines Bürgerentscheids 2011. Ja, es existiert eine Abneigung gegenüber Christen, die in 2000 Jahren Geschichte manches Unheil im falschen Namen Gottes angerichtet hatten. Nur Gräueltaten, die hunderte Jahre zurückliegen, über heutige Magdeburger auszuschütten – leider gibt es solche Vorwürfe – zeugt von wenig historischem Verstand. Äpfel- und Birnen-Vergleiche eben. Übrigens hatte das „Kuratorium Ulrichskirche e.V.“ nach dem Bürgervotum längst seine Satzung geändert und den Vereinszweck in den Vordergrund gerückt, Erinnerungsmöglichkeiten für den bedeutsamen reformatorischen Sakralbau zu suchen. Sind es etwa dieselben Linken, die gegen ein christliches Gedenkmoment auf dem Ulrichsplatz sind, die gemeinhin lautstark für religiöse Toleranz werben und meinen, es gebe keine Glaubensgefahr? Ich bin bekennender Nichtgläubiger und erlebe jedes Mal wundervoll aufs Neue, wenn ich mich der Heimatstadt nähere und die Domtürme am Horizont sichtbar werden. Das ist stets ein anheimelndes Gefühl für den Ort meiner Wurzeln. Und mittlerweile wurde manches Bauwerk symbolisch ins aktuelle Zeitgeschehen der Stadt zurückgeholt, beispielsweise das Katharinen-Portal, das Sudenburger Tor, die Bastion Cleve. Und ganz ohne ideologische Schimpftiraden im Rathaus. Ich würde mich freuen, wenn sich jeder, der kurz gedacht und schnell gesprochen hat, noch einmal des eigenen Argumentationsfadens erinnern würde. Das wäre ein Anfang für gute Erinnerungskultur. Doch die gedachten Äpfel von gestern sind nie die Birnen, an die man heute denkt. Sich richtig zu erinnern, bleibt eben schwierig. Thomas Wischnewski