„weil“ ersetzt „denn“
Wer sich noch an den Deutschunterricht in seiner Schulzeit erinnert, dem fällt vielleicht noch etwas von „Haupt-“ und „Nebensätzen“ ein. „Die Schule ist heute ausgefallen, weil die Temperatur über 30 Grad war.“ Der Hauptsatz ist hier „Die Schule ist heute ausgefallen“, der Nebensatz lautet „weil die Temperatur über 30 Grad war.“ Das Wörtchen „weil“ ist eine Konjunktion, also ein Bindewort, das in unserem Beispiel den Hauptsatz mit dem Nebensatz verbindet. Ein Nebensatz in dieser Form kann nicht allein stehen, er muss immer in Begleitung eines Hauptsatzes sein. Bitte beachten Sie, wenn Sie streng nach Duden gehen, die Reihenfolge der Wörter in dem Nebensatz: das Verb („waren“) steht am Ende des Nebensatzes.
Ich könnte natürlich auch die Konjunktion „denn“ einsetzen. In dem Fall hätte ich dann zwei Hauptsätze: „Die Schule ist heute ausgefallen, denn die Temperatur war über 30 Grad.“ Bitte beachten Sie hier die Reihenfolge der Wörter: Im ersten Hauptsatz Subjekt + Verb, im zweiten Hauptsatz ebenfalls Subjekt + Verb.
Interessant ist, welche Tendenz sich gegenwärtig in unserer Sprache abzeichnet. Die Konjunktion „denn“ wird seltener verwendet, im mündlichen Sprachgebrauch kaum noch. Wer aufmerksam Redebeiträge am Fernseher oder am Radio verfolgt, z. B. Interviews mit Sportlern oder Politikern, der kann bemerken, dass die Konjunktion „weil“, die genau wie „denn“ eine Begründung einleitet, viel häufiger, wenn nicht gar ausschließlich, eingesetzt wird. Und dies interessanterweise mit der Reihenfolge der Wörter, die eigentlich mit dem Bindewort „denn“ verknüpft ist.
Also unser Satz von oben mit der Schule und der Temperatur wird zu: „Die Schule ist heute ausgefallen, weil die Temperatur war über 30 Grad.“ (anstelle von: „… weil die Temperatur über 30 Grad war.“) Weitere Sprachbeispiele aus dem TV: Ein Kommentar zum Fußballspiel – „Wir haben das Spiel verloren, weil die anderen spielten eben einfach besser.“ Oder zum Autorennen – „Er konnte das Rennen nicht gewinnen, weil die Gummimischung seiner Reifen war nicht auf Regen ausgelegt.“ usw. usf.
Es ließe sich hier „weil“ ganz einfach durch „denn“ ersetzen, und dann wäre auch entsprechend den Regeln die Syntax, hier also die Reihenfolge der Wörter, richtig, schulgerecht, normgerecht. Dieses „denn“ klingt jedoch heute dozierend, es hat den Beigeschmack des Buchsprachlichen und wird dementsprechend in der mündlichen Rede kaum angewandt.
In der veröffentlichten Schriftsprache, also in Zeitschriften, Zeitungen, Büchern usw., habe ich „weil“ mit der nicht normgerechten Reihenfolge der Wörter noch nicht angetroffen. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, dass sich diese Tendenz auch im Schriftlichen durchsetzt, denn unsere Sprache ist etwas Lebendiges, und selbst wenn sich manche gegen etwas stemmen möchten, so werden sie letztlich doch nur zum Beobachter der Entwicklung. Dieter Mengwasser, Dipl.-Dolmetscher u. -Übersetzer