Von den Folgen des Tilsiter Friedens
Als Preußen mit dem Frieden von Tilsit (7. / 9. Juli 1807) die polnischen Gebiete sowie das linkselbische Gebiet an Frankreich verlor, fielen durch die Bestimmungen dieses Vertragswerks die linkselbischen Gebiete an Napoleon I. Bonaparte (1769-1821), der seinem Bruder Jérôme (1784-1860) das Königreich Westfalen mit der Hauptstadt Kassel überließ. Nach der Veröffentlichung von Willi Koch 1965 ergab sich die Festungsstadt Magdeburg damals schneller als erwartet und wurde zur Hauptstadt des Elbdepartments ernannt. Weitere sieben Departments wurden nach der Fulda, der Leine, der Oker, der Saale, der Werra, der Aller und dem Harz benannt. Das Elbdepartment umfasste vier Distrikte, die je einen Unterpräfekten an der Spitze hatten.
Mit dem Frieden von Tilsit war Preußen zudem gezwungen, der Kontinentalsperre gegen Großbritannien beizutreten. „Die Kontinentalsperre hatte auf die Unternehmen in Magdeburg negative Auswirkungen. Hohe Zölle wurden für die Einfuhr deutscher Waren nach Frankreich verlangt. Besonders der Getreideexport nach England und Spanien und die Manufakturen, die sich auf den Absatz in den mittel- und ostpreußischen Regionen verließen, litten darunter. Der Warenumschlag ging erheblich zurück. Von 1,4 Mio. (1806) auf 165.000 Zentner (1810). Läden wurden geschlossen oder unter Militärwache gestellt, und doch versuchte man unter anderem Überseewaren und englische Produkte zu schmuggeln. Von westphälischen Behörden beschlagnahmte Güter wie Baumwolle, Tee, Kaffee, Kakao, Zucker, Rum, Zimt, Muskatnüsse, Tuche, Pfeffer, (...) wurden 1810 auf dem Domplatz in Magdeburg öffentlich verbrannt.” (aus „Magdeburg unter französischer Fremdherrschaft 1806-1814”, Schriften der Universitätsbibliothek Magdeburg, Band 2)
Mit der Einführung der Patentsteuer, die von Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie gleichermaßen entrichtet werden musste, gingen die Vorrechte der Innungen und Gilden verloren. Die dörflichen Handwerker, von den Innungen verächtlich als „Pfuscher” bezeichnet, waren nun gleichgestellt. Solche und ähnliche liberalen Maßnahmen brachten zunächst wirtschaftliche Schwierigkeiten und schufen viel Unzufriedenheit. Die neuen Staatsformen entsprachen u.a. den politischen Idealen des Industriepioniers Johann Gottlob Nathusius (1760-1835). Er war 1806 der reichste Magdeburger Bürger. Es war nicht die Fremdherrschaft, die er nach und nach lieben lernte, sondern die neue Regierungsform, besonders da er sich innerhalb derselben politisch betätigen konnte.
Am 18. April 1808 fanden in Magdeburg die Wahlen des Elbdepartments für den Reichstag in Kassel statt. Die angesehensten Männer wurden zu Wahlmännern ernannt: Grundbesitzer, Kaufleute, Gelehrte. Die beiden Kaufleute, die das Elbdepartment im Reichstag zu vertreten hatten, waren Nathusius und sein Freund Johann Kaspar Coqui. Am 17. Juli meldete Nathusius das Zustandekommen eines für Magdeburg sehr wichtigen Gesetzes: „In der vorgestrigen Sitzung der Reichsstände ist mit 79 gegen 17 Stimmen beschlossen und als Gesetz angenommen, dass alle Schulden der verschiedenen Provinzen des Königreichs zu einer allgemeinen Reichsschuld konsolidiert werden. Unsere Provinz gewinnt dadurch sehr. Wir bekommen für die schon bezahlten und noch zu bezahlenden Kriegskontributionen Reichsobligationen zu 5 Prozent Zinsen.” Leider erwies sich das neue Gesetz aber nicht so segensreich, da die westfälischen Obligationen im Laufe der Zeit an Wert verloren.
Doch die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Staates wurden immer schlechter. Minister von Bülow hatte in Nathusius einen Mann gefunden, auf den er sich in allen Dingen verlassen konnte. Auch der Erwerb des seit 1228 in Althaldensleben bestehenden Zisterziensernonnenklosters – 1810 mittels Dekret von König Jérôme säkularisiert – durch Johann Gottlob Nathusis geht auf einen Wunsch des Ministers zurück. Nach der Publikation von Willi Koch ließen im November 1811 die Gläubiger des verstorbenen Ludolf von Alvensleben Schloss und Gut Hundisburg durch das Distriktsgericht zum Kauf anbieten. Nathusius erstand auch dieses und ließ einen Park errichten, der beide Besitztümer verband. Immerhin vereint der noch heute gern besuchte Landschaftspark Haldensleben-Hundisburg mit dem übrigen Parkgelände etwa 100 Hektar Fläche. Volker A. W. Wittich