Viel „Gezwitscher“ im Landtag
Wenn alle über Digitalisierung reden, müssen Politiker natürlich Vorbilder sein. Und Sachsen-Anhalts Landtagsabgeordnete spielen da ganz vorn mit. Laut des Hallenser Politikberaters und Social-Media-Experten, Martin Fuchs würden 56 Prozent der 87 Abgeordneten regelmäßig den Kurznachrichtendienst „Twitter“ nutzen. Nur in Berlin seien es vergleichsweise mehr Parlamentarier. Da mögen sich die Spitzenreiter im Landtagsgebäude am Domplatz auf die Schulter klopfen. Angeführt von der Abgeordneten der Partei Die Linke, Eva von Angern, gefolgt von Fraktionskollegin Birke Bull und CDU-Mann Tobias Krull. Kurze Statements zu verbreiten, andere Informationen teilen oder kommentieren, ist halt modern. Natürlich wird auf diese Weise auch schneller sichtbar, wer zu welchem Thema welchen Standpunkt vertritt. Allerdings sind die meistens nicht wesentlich neuer als bereits bekannt. Ob viel viel hilft, muss man abwarten. Der Einfluss auf politische Entscheidungen oder Gesetze wird davon – das kann mit Fug und Recht behauptet werden – jedenfalls nicht anders als bisher. Eine andere These könnte man polemisch aufstellen: In der Vergangenheit war die Klage unter Politikern groß, dass sie einen zeitaufreibenden Job meistern müssten, weit über das normale Arbeitspensum hinaus. Sich neben zahlreichen Sitzungen und Repräsentationsterminen wirklich tiefgreifend mit Vorlagen zu beschäften, zerrte – so war es zu hören oder zu lesen – an menschlichen Möglichkeiten. Die Neuigkeiten-Verfolgung in so genannten Sozialen Netzwerken ist eine Zusatzherausforderung, der sich Abgeordnete heute stellen. Da bekanntlich Tage noch immer 24 Stunden lang sind, muss die Zeit dieser Beschäftigung zulasten der Aufmerksamkeit für andere Aufgaben und Tätigkeiten gehen. Wenn also das zeitliche Potenzial in einer virtuellen Umgebung weiter steigt, welche Konzentration bleibt dann für bisherige Notwendigkeiten übrig. Das gewachsene Online-Verhalten soll hier um keinen Deut kritisiert werden. Schließlich sind diesbezüglich Otto-Normal-Bürger kein bisschen besser. Aber jeder weiß, dass solide und verlässliche Abläufe nur funktionieren, wenn sich die daran Beteiligten auch entsprechend aufmerksam ihrem Tun widmen. Ob das Phänomen, das oft nach Wahlen herausgeholt wird – nämlich, dass die eigene Politik nicht ausreichend vermittelt werden konnte – von Twitter-Häufigkeiten unterlaufen würde, wird man nach der nächsten Wahlstellungnahme hören können. Man darf gespannt sein. Bis dahin kann also fleißig weiter „gezwitschert“ werden. Mit Twitter erfüllt sich wenigstens die schöne alte Redewendung: Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern. Thomas Wischnewski