Unsensible Ordnungsucht
Wenn tausende Menschen zusammenkommen, birgt das Gefahrenpotentiale. Kürzlich, beim Musik-Festival „Stars for free“ im Magdeburger Stadtpark, versammelten sich rund 25.000 Menschen. Sicherheit und Ordnung, Rettungs- und Zufahrtswege gilt es da zu gewährleisten. Die Verantwortlichen müssen viel Sensibilität zeigen, um Gefahrenabwehr und Schutz gegen Bewegungsfreiraum der Besucher abzuwägen. Viele Besucher ließen sich mit dem Auto von Bekannten oder Eltern zum Stadtpark fahren und nutzten die Sternbrücke zur Anfahrt. Dort wurden die Fahrgäste abgesetzt, damit der Fußweg zur Veranstaltung kurz ist. Allerdings besteht auf der Brücke ein striktes Halteverbot. Und im Nachgang der Veranstaltung flatterte nun zahlreichen Chauffeuren, die dort zum Ausstieg ihrer Mitfahrer gehalten hatten, ein Bußgeld ins Haus. Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes sicherten wegen des zu erwartenden Andrangs freie Zufahrtswege und notierten die Kfz-Kennzeichen der Halte-Sünder. Regel ist Regel – da hilft hinterher kein Jammern. Aber dennoch hätte man seitens des Stadtordnungsdienstes mehr Fingerspitzengefühl zeigen können. Erfahrungsgemäß ist es eben keine Seltenheit, dass Verstöße immer dann rigoros geahndet werden, wenn größere Festveranstaltungen anstehen. Viele Menschen machen eben mehr Fehler. Und das spült immer ein paar gute Bußgelder in die Stadtkasse. Allerdings hinterlassen die Ahndungen auch Spuren bei Bürgern. Das ist die andere Seite der Medaille. Ein jetzt Betroffener, der sich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Wahlhelfer betätigte, hat seine Bereitschaft dafür zurückgezogen. Wahrscheinlich für immer. Steter Tropfen höhlt den Stein. Man kann das – den Verkehrsverstoß mit einer anderen Sache aufzuwiegen – als eine beleidigte Reaktion auffassen. Doch fasse sich bitte jeder an die eigene Nase: Es gibt nie das eine ohne das andere. Wer seine Kinder zu freiwilligen Taten ermuntern möchte, muss sie motivieren können. Mit Zwangsandrohungen kommt man meistens nicht weit oder erreicht im schlimmsten Fall das Gegenteil. Steht jede Verordnung über dem gesunden Menschenverstand? Nur, wenn eine unsensible Ordnungssucht fortwährend als primäres Magdeburg-Prinzip herhalten soll, muss man sich bei den Stadtoberen nicht wundern, dass manch Bürgerlein unten nur noch widerwillig oder gar nicht mehr für freiwilliges Engagement zur Verfügung steht. Eltern tragen die Hauptverantwortung am Familienklima. In einer Stadt werden Motivation und Frohsinn auch davon bestimmt, wie eng man im Rathaus die Regeln auslegt. Ein Auge zuzudrücken, hat schon manches Wunder bewirkt. Doch dafür müsste man über das nötige Augenmaß verfügen. Thomas Wischnewski