Stillgestanden! „aufstehen“! Rühren!

Nun ist sie also da: Die Internetvorschau der Wagenknechtbewegung „aufstehen“. Konkretes: Fehlanzeige. Angekündigt ist eine Liste prominenter Unterstützer, irgendwann sollen auch einmal Inhalte folgen. Geheimniskrämerei, häppchenweises Anfüttern und Release Dates gab es bisher eigentlich nur bei Hollywood-Blockbustern und Apple-Geräten.

Seltsam aber: Nun, da „aufstehen“ zum Sammeln bläst, um eine gefühlte linke Mehrheit in eine reale Hegemonie zu verwandeln, frohlocken die Großen der deutschen Linken nicht. Eine Bewegung formiert sich doch stets über eine Krise oder zumindest Missstände. Insofern darf vermutet werden, dass man sich politisch links in einer Sackgasse sieht. Von rechts kam eine Bewegung – jedenfalls proklamierte Björn Höcke, dass die AfD eine Bewegungspartei bleiben sollte. Bewegen muss sich in dieser Republik viel. Jetzt eben auch von links. Als Auffangbecken oder Sammlung aller, die in Parteien keine Bewegungsbasis mehr sehen. Stillgestanden! Vom politischen Rand aus – links wie rechts – soll die Mitte bewegt werden. Und in der Tat muss da viel Lethargie überwunden werden. Aufstehen!

Claudia Roth, Spiritus Rector der Buntalternativen, lehnt „aufstehen“ ab, weil es nicht nur ein bisschen Willkommenskultur geben könne. Laut Kevin Kühnert, derzeit die dynamischste Projektionsfläche   frustrierter SPD-Linker, kämen Bewegungen aus der Hefe der Bevölkerung und nicht von altgedienten Politikern. Die nordische Frohnatur Ralf Stegner, bekannt als der Mann, der neben Martin Schulz stand, wenn dieser mal wieder ein Wahldesaster kommentierte, holt zu einem seiner berühmt-berüchtigten Hammerschläge aus: An der Spitze von „aufstehen“ fänden sich „notorische Separatisten“, die „weder progressive oder gar linke Positionen vertreten“. Mely Kiyak, streng linke Edelfeder der ZEIT, glaubt, die Bewegung richte sich an ein Milieu, das so mies sei, dass man gar nicht wissen wolle, wer alles dazugehöre.

In Wahrheit können Politschlachtrösser natürlich sehr wohl vitale linke Bewegungen aufziehen, wie in den USA (Sanders, Warren), Großbritannien (Momentum) und Frankreich (La France insoumise) zu besichtigen. Diese werden aber vom Mehrheitswahlrecht zusammengeschweißt. Linkes Sektierertum hat bei Wahlen dort nämlich keine Chance. Hierzulande aber ist der Graben zwischen Identitätspolitikern, denen es vor allem um Minderheiten und offene Grenzen geht, und strukturkonservativen Sozialisten unüberwindlich. Weil den Gegnern von „aufstehen“ jedes Abweichen von der linken Orthodoxie in Sachen Zuwanderung und Multikulturalismus schier unerträglich ist, gleichzeitig Wagenknecht und Lafontaine aber auch nichts weniger als Versöhner sind, wird es mit der großen Sammlung nichts werden. Kommt es zum Schwur in Fragen von Rückführung, Sachleistungen und Frontex, werden die Fliehkräfte bei „aufstehen“ sichtbar werden. Letztlich wird das linke Spektrum etwas bunter werden, weil die Bewegung Buntheit eine Spur pragmatischer betrachten möchte. Mit der Einheit ist es dann zwar Essig. Alle aber, die nicht um ihre politische Konkurrenz fürchten müssen, können dem entspannt entgegensehen. Rühren! Prof. Dr. Markus Karp

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