Schadhafte Gemütlichkeit
In der düsteren Jahreszeit, wenn’s draußen ungemütlich kalt ist und die Feuchtigkeit nassklamm unter die Kleidung kraucht, wird der heimische Kamin zu einem Sehnsuchtsort. Am offenen Feuer versammelt man sich, lässt den Schein des Flammenspiels beruhigend und wärmend auf sich einströmen. Ja, Feuer – das hat eine besonders archaische Wirkung auf uns. Hätte sich der Mensch ohne die Bändigung des Feuers überhaupt irgendwann Mensch nennen können? Wahrscheinlich nicht. Dass etwas Brennendes auch Gefahren birgt, wussten nicht nur unsere Vorfahren vor tausenden Jahren. Brände können auch heute verheerende Vernichtungsfolgen haben. Doch eine Wirkung offener Flammen rückt nun vordringlich ins politische Bewusstsein; nämlich die Schadstoffbelastung deutscher Feuerstellen. Immerhin schätzt man die Kaminöfen in deutschen Landen auf rund 15 Millionen. Und während sich im Wohnzimmer wohlige Gemütlichkeit ausbreiten, raucht aus den Essen das Verderben. Jedenfalls soll der Rauch aus den Schornsteinen schädlicher sein als die Schadstoffemissionen aus dem gesamten Straßenverkehr. So will es das Bundesumweltamt herausgefunden haben. Doch das ist nicht die einzige Gefahr, die aus dem privaten kleinen Feuer aufsteigt. Laut einer Studie der Universität Hamburg verfeuern die deutschen Kaminfans rund 70 Millionen Kubikmeter Holz und Holzprodukte, fast genauso viel, wie jährlich im deutschen Wald geerntet wird. Ein politisches Einschreiten wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Da Softwaremanipulationen für Emissionen durch offenes Feuer schier unmöglich sind, dürften die Kaminbetreiber bald zur Hochrüstung mit aufwendigen Filteranlagen verpflichtet werden. Wer eine solche nicht nachweisen kann, darf vielleicht den Brandherd noch als nostalgisches Anschauungsobjekt im Wohnraum behalten. Gut, das ist jetzt nur ein böses Orakel, aber man weiß ja nie, was kommt. Dafür muss man sich eine andere Erkenntnis zu eigen machen: Immer, wenn alles zum Massentrend wird, kommt es zu fatalen Auswirkungen. Wie wird man als Kaminbesitzer mit dem schlechten Gewissen, eine Dreckschleuder im Haus stehen zu haben, fertig? Und was ist, wenn sich Kaminbetreiber und Dieselbesitzer in einer Person vereinen? Der Mensch muss wohl vor sich selbst geschützt werden, denn wenn er in großer Anzahl etwas gut findet, ist das zugleich schlecht. Man weiß nur noch nicht so recht, was werden soll, wenn sich der Homo sapiens vom offenen Feuer verabschiedet. Muss er dann irgendwann wieder auf Bäume klettern? Achso, das geht nicht, weil die ja abgeholzt sind. Es ist ein Drama mit dem Wesen Mensch. Thomas Wischnewski