Moderne bleibt eher einfach
Herr Otto, allerorten hört man von Digitalisierung, computergesteuerten, technischen Anlagen bis hin zur kompletten Vernetzung eines Gebäudes beispielsweise für mehr Energieeffizienz. Wo führt uns der Trend noch hin?
Peter Otto: Möglicherweise sogar stellenweise in eine entgegengesetzte Richtung. Moderne bleibt eher einfach.
Das müssen Sie bitte näher erklären!
Es ist sicher nicht zielführend, die Häuser mit Technik vollzustopfen. Die Technik muss für jeden beherrschbar bleiben und entsprechend einfach zu bedienen sein. Zudem sind es gerade technische Bauteile, die besonders wartungs- und damit kostenintensiv sind und auch am schnellsten veralten. Es ist auch nicht vernünftig wegen einer Mode, ein Haus voll zu verglasen, um es dann mit viel Technik und Energie kühlen zu müssen.
Streben wir nicht häufig nach dem maximal Machbaren?
Ja, das tun wir gern. Doch mehr Technik ist eben nicht gleich effizienter. Dazu gibt es für manches Gebäude sehr präzise Erfahrungen und Berechnungen, die deutlich machen, dass hochkomplexe Anlagen zur Energieeinsparung das Gegenteil erzeugen. Es gilt ein sinnvolles Maß an Technik einzusetzen: z. B. sensorgesteuerte Lüftungsflügel, die bei steigendem CO2 in der Raumluft motorisch öffnen, anstatt riesiger Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung.
Wie werden wir dann künftig wohnen?
Der Trend geht zu Wohnräumen und Gebäuden, die flexibel sind und sich den ständig wechselnden Lebenssituationen sowie verschiedenen Nutzungskonzepten anpassen. Zukunftsforscher sprechen dabei vom „Conceptual Living“: Das Leben ist einem ständigen Wandel unterworfen. Für das Wohnen hießt das, die eigenen vier Wände sollen sich in Zukunft verändern lassen, um den verschiedenen Lebensphasen immer wieder neu gerecht zu werden.
Das heißt, eine Wohnung lässt sich in Größe und Zuschnitt anpassen?
Wir haben im vergangenen Jahr mit der WOBAU ein Projekt in Magdeburg-Stadtfeld fertiggestellt. Aus einem in die Jahre gekommenen Gebäude aus den 1950ern ist ein Haus der Zukunft geworden. In der Annastraße 3-5 hat das „Flexi-Wohnen“ Einzug gehalten. Das Haus wurde nicht altengerecht, sondern für jeden gebaut. Für Rollatornutzer, jemanden mit Gipsbein oder Schwangere. Es gibt breite Türen, keine Schwellen, auch zum Balkon nicht und die meisten Bäder sind so angelegt, dass sie mit Rollstuhl genutzt werden können. Wer will schon wegen einer zeitweiligen Beeinträchtigung umziehen oder im Krankenhaus bleiben? Wir wollten in der Tat die „universelle Wohnung für jeden“ bauen.
Und wie funktioniert das?
Um die Wohnungen flexibel zu machen, wurden nichttragende Wände sowie alte Schornsteine aus Zeiten der Ofenheizung abgetragen. Mithilfe von Trockenbauwänden entstanden insgesamt 20 Wohnungen mit zwei bis drei Räumen und Wohnflächen von bis zu 84 Quadratmetern. Der Vorteil: Die Wohnungszuschnitte sind für künftige Generationen und Wohnkonzepte mit relativ geringem baulichen Aufwand wieder veränderbar. Stellen Sie sich mal vor, da wäre überall hochkomplexe Steuerungstechnik verbaut. Das hätte mit einem Nachhaltigkeitsgedanken wenig zu tun.
Unterstützen die verwendeten Baumaterialen den Nachhaltigkeitsgedanken?
Aus meiner Sicht ist weit wichtiger Aspekt künftigen Bauens die Verwendung gesunder Baustoffe. Dazu zählen zum Beispiel Wand- und Deckenfarben, die frei von Lösemitteln und Weichmachern sind, entsprechende Bodenbeläge und die Fassadendämmung mit Mineralwolle oder Holzweichfaser statt Polystyrol (Styropor). Viele Menschen leiden unter Allergien und gesundheitsschädlichen Baustoffen. Es sollte deshalb keine Frage sein, in Zukunft auf gesunde und für alle Menschen verträgliche Baustoffe zu setzen. Beim Thema Lüftung sind wir in der Annastraße auch einfache Wege gegangen. Mieter werden das sicher zu schätzen wissen. So wurden in den Wohnungen in Wohn- und Schlafräumen, die auf der Straßenseite liegen, selbstregelnde Zuluftöffnungen und in den Küchen und Bädern einfach Abluftanlagen installiert, sodass trotz geschlossener Fenster die Frischluftzufuhr sichergestellt ist – schallgedämmt. Fragen: Thomas Wischnewski