Magdeburger Messehistorie reicht bis zu Kaiser Otto I.
Mit dem Startschuss am 23. März findet nun schon zum 570. Mal in Magdeburg eine Frühjahrsmesse statt. Heute kennt man das Spektakel mit seinen Fahrgeschäften wie „Magic“, „Autoscooter“, „Musikladen“, „Sound-Machine“ oder „Twister“ und zahlreichen Schlemmerbuden als ein Unterhaltungsfest für die ganze Familie. Wirft man jedoch einen Blick auf die Geschichte der Schaustellerei bemerkt man, welchem Wandel das Gewerbe unterlag.
Bis ins frühe Mittelalter reichen die Belege für die Fahrensleute zurück. Seinerzeit waren die sogenannten Bänkelsänger die Nachrichtenkolporteure und damit die Medienvertreter des Mittelalters. Um beispielsweise auf einem Marktplatz besser gesehen zu werden, stellten sie sich zum Vortrag von Moritaten, Balladen und Liedern auf eine Holzbank. Zur Illustration des Vortragsgeschehens zeigten sie Tafeln mit aufgemalten Szenen.
Auf den 22. September 937 datierten Historiker in Magdeburg Feierlichkeiten zur Gründung des Mauritiusklosters. Ottos Gründungsdiplom geht auf den Vortag, den 21. September 937 zurück. „So sind das Gedeihen des Konvents, die weitere Entwicklung des Mauritiuskultes und der ihn begleitenden Kulte der anderen Thebäer sichere Indizien für das sich jährlich wiederholende Magdeburger Mauritius- oder Thebäerfest“, schreibt die Historikerin Dr. Gudrun Wittek in „Die Magdeburger Messe im Mittelalter“ (Reihe: „magdeburger museumshefte). Damit später aus dem Heiligen- ein Volksfest werden konnte, bedurfte es von Anfang an einer entsprechenden Breitenwirkung. Belege für einen großen Menschenauflauf aus der näheren und fernen Umgebung lassen sich auf die Reliquientranslation 961 zurückverfolgen bzw. zur Überführung von Mauritiusreliquien durch Heinrich II. im Jahr 1004.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gibt der Chronist Johannes Pomarius Einblick in die sogenannte Magdeburger Herrenmesse. In zwei Schriften von 1587 und 1589 berichtet er, dass die Herrenmesse Magdeburgs „bester Jahrmarkt“ sei.
„Der Jahrmarkt besaß nur dann Attraktivität, wenn die Straßen sicher, der Aufenthalt am Marktort reibungslos, angenehm und mit Gewinn verlief … Der Rat beherrschte die Stadtmauern und gewährte den Gästen den freien Zutritt, verwehrte ihn aber zwielichtigen Personen jeder Art“, schreibt Gudrun Wittek. Natürlich war die Messe zu dieser Zeit vorrangig ein Treffen zwischen Händlern und Käufern. Aber eine wichtige Rolle spielten damals auch schon die „Spielleute“. Sie boten Unterhaltung. Der Seiltänzer Aron Zimmermann ist gar namentlich überliefert. 1592 überquerte er auf einem Seil die Strecke von der Domspitze aus über den gesamten Neuen Markt bis hin zur gegemüberliegenden Kurie des Domherren Georg von Carlowitz.
Im Mittelalter gab es auch noch keine niedergelassenen Ärzte. „Quacksalber“ nannte man die umherreisenden Heiler. Magdeburg hat hier mit Johann Andreas Eisenbarth, auch Doktor Eisenbarth genannt, einen bekannten Vertreter. In seiner hiesigen Manufaktur soll er 20 Heilmittel produziert und so gewinnbringend vertrieben haben, dass er zeitweise mit 120 Helfern von Ort zu Ort zog und als einer der ersten Ärzte in Deutschland Flugblätter und in Zeitungen Inserate als Werbemittel nutzen konnte. Eisenbarths Operationstechniken wurden noch 25 Jahre nach seinem Tod von dem Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie in Deutschland, Lorenz Heister, als mustergültig gewürdigt. Operiert wurde oft im hinteren Teil einer Schaubude, sodass die Schmerzschreie der Patienten von den Darbietungen übertönt wurden. Manches Handwerk wie Barbiere gehörten zum reisenden Volk und tingelten mit ihren Dienstleistungen von Ort zu Ort.
Reisende Theatergruppen gehörten ebenso zur Unterhaltungskaravane damaliger Jahrmärkte. Stehende Bühnen oder Zirkusmanegen sind später Resultate gewachsener Städte. Selbst Zelte mit Kinematograph brachten die ersten bewegten Bilder in die Städte und Dörfer. Ein ehemaliger Magdeburger Schausteller und Kinomatographenbetreiber gründet mit den Scala-Lichtspielen in Sudenburg das erste Kino der Stadt, nachdem er aufgrund seines Alters nicht mehr umherreisen konnte.
Die Messe war historisch eben nicht nur eine Vergnügungsmeile, sondern immer auch eine Schau über Neuigkeiten, Außergewöhnliches und seltene Dienste. Ob Ärzte, Apotheker, Theater, Zeitungen oder Kinos – alles hatte einmal seinen Ursprung bei den Jahrmärkten. Im Allee-Center kann man sich vom 19. bis 28. März über die Ausstellung „Deutschlands ältestes Volksfest – die Magdeburger Messe“ über die regionale Historie des Jahrmarktes informieren. Nebenbei gibt es übrigens auch eine Menge an sogenannten Flatrate-Bändern zu gewinnen. An „Flatrate-Tagen“ kann man mit 20 Euro so viele Fahrgeschäfte so oft man will nutzen. Thomas Wischnewski