740 Jahre Braurecht in Haldensleben

Gegründet wurde die Brauerei 1872 als Brauerei Behrens, Schlüter & Co. Zum 28. Juni 1886 wurde der Brauereibetrieb von der Bergschloß-Aktien-Brauerei „Magdeburg“ übernommen.

Nach dem Emdener Kantor Bock erhielt die 966 gegründete Stadt Haldensleben das erste Privileg zum Bierbrauen im Jahre 1279 vom Magdeburger Erzbischof Günther I. Es lautete darin, dass jeder seiner lieben getreuen Bürger in Neuhaldensleben, wer Belieben dazu habe, berechtigt sein solle, Bier vom Gerstenmalze, aber nicht vom Weizenmalze, zu brauen und zu verkaufen. Es wurde untersagt, in „dieser Stadt und ihrem Zubehör fremd Bier (zu) kaufen oder verkaufen“. Bald lieferten mehrere Bürger ein Bier, dass in der ganzen Gegend Beifall und Abgang fand.

Der Rat übernahm die Oberleitung der städtischen Brauereien und verordnete 1342, dass sich der Bierverkauf in Haldensleben nach dem in Magdeburg richten solle. Um 1400 ward in einer Polizeiverordnung bestimmt: „Neymant schall brawen er (eher) der tnd, de de rad dar up ghefath hefft by 10 schillinghe pennig he. Ok schall neymant fromet (fremdes) byer in den stad draghen eder (oder) brynghen tho sinen behove by 10. sch. p.“

Dies letztere Statut war dahin ermäßigt, dass nur kein innerhalb 4 Meilen im Umkreis gebrautes fremdes Bier in der Stadt verkauft oder verbraucht werden sollte. Unterdessen bildete sich die Brauerschaft in Neuhaldensleben allmählich immer mehr zu einer eigenen Zunft aus, die sich durch das Gilderecht vom Erzbischof Burchard erwarb und ihre Gerechtsame auf 78 Häuser der Stadt beschränkte. Zwei Innungsmeister, deren erster die Lade mit den Urkunden und dem Vermögen der Gilde verwahrte, bildeten mit 7 Brauerältesten und einem Mitglied des Magistrats den Vorstand der Brauerschaft. Ihre bestimmten und allgemeinen Versammlungen und Beratungen hießen Morgensprachen. Die Innung unterhielt in der Marienkirche eine von den fünf großen messingenen Leuchterkronen mit 4 Pfund Wachslichten jährlich und behauptete die Ehre, allein den Klingelbeutel beim Gottesdienst umtragen zu dürfen. Die 12 jüngs-ten Brauer mussten ihre verstorbenen Innungsgenossen zu Grabe tragen.

Das Neuhaldensleber Bier wurde besonders südwestlich auf 4 bis 5 Meilen von den Dorfbewohnern geholt. Namentlich war es in den Ortschaften der Ämter Sommerschenburg und Hötensleben sehr beliebt. Die Bewohner derselben beschwerten sich einst bitter, als ihnen der Haldensleber Labetrunk im Jahre 1565 von ihren Grundherren verboten wurde. Der Magistrat der Stadt erhob beim Erzbischof Klage über diese Beeinträchtigung ihrer städtischen Gerechtsame. Nun fingen die Kloster Berge, die Güter Altenhausen und Emden, das Amt Alvensleben und das Kloster Althaldensleben an, auch Bier zu versenden. Die Haldensleber Brauerschaft führte nun zusammen mit anderen brauberechtigten Städten langwierige Prozesse, ohne viel dabei zu gewinnen. Im 17. Jahrhundert nahm mit jedem Jahre das Bierbrauen ab. Diese Abnahme drängte dazu, 1645 ein freiwilliges Reihebrauen einzuführen, das 1681 noch dahin beschränkt wurde, dass jeder alljährlich nur 27 Mal brauen durfte. Dieses Reihebrauen bestand bis zur endlichen Auflösung der Brauerinnung im Jahre 1810. Seit jener Zeit ist das Braugeschäft ein freier Nahrungszweig für alle Stadt- und Dorfbewohner geworden.

Das Neuhaldensleber Bier war ein vorzügliches, wohlschmeckendes, gesundes und nahrhaftes Getränk von brauner Farbe, sehr klebrig und süß. Sehr beliebt war auch das Haldensleber März- oder Bitterbier, das die Landleute als ein gutes Erntegetränk allen anderen vorzogen. Der Rat der Stadt, dessen größte Zahl der Brauerinnung angehörte, suchte diesen Ruf zu halten, indem er alljährlich die Biertaxe nach den Getreide- und Hopfenpreisen festsetzte und den Gehalt des Gemäßes sicherte (z. B. 1667 ein Fass gleich 84 Stübchen Bier und 2 Stübchen Hefe). Eine besondere Kommission, die sogenannten Probeherrn, hatte den Gehalt eines jeden Gebräues durch Geschmack und Gewicht sorgfältig zu prüfen.

Hatte ein Brauer gegen die Erklärung der Probeherrn Einspruch erhoben, so fand die Hauptprobe des Bieres statt. Dazu versammelten sich das regierende und ruhende Ratsmittel, die Brauinnungsmeis-ter und Ältesten und einige Mitglieder der anderen Innungen in der großen Ratsstube des Rathauses. In der Mitte des Zimmers stand ein hölzerner nicht zu schwerer Schemel, der Bierschemel. Auf demselben stand ein Maß des gescholtenen oder getadelten Bieres. Jetzt erklärte der Brauer desselben, es sei probehaltig und er appelliere hiermit an die Entscheidung eines ganzen ehrsamen Rates. Darauf wurde die Hauptprobe desselben beschlossen, deren günstiger Ausfall die Probeherrn um ihr Amt und den Brauer um das ganze Gebräu brachte. Darauf wurde das Bier auf den Schemel gegossen und der Brauer unter gewissen Formeln vom Marktmeister auf den nassen Schemel gesetzt und angewiesen, einige Minuten still zu sitzen. Dann rief der regierende Bürgermeister: „Nu könnt gy her treden!“ Aller Augen waren nun auf den Schemel gerichtet, der nun das Urteil fällen musste. Blieb er an den ledernen Hosen des Brauers sitzen und gelangte er so bis zum Bürgermeister, so hatte er gewonnen und konnte fröhlich in sein Haus zurückkehren. Blieb der Schemel aber stehen, oder fiel er vorher zu Boden, ehe er den Bürgermeister erreicht, so war seine Sache verloren, und sein Gebräu war dem Armenhause verfallen. Soweit Kantor Bock.

Nach Willi Koch in seiner Publikation zur 1.000- Jahr-Feier 1966 gehörten die Malzfabrik und die Brauereien zur bodenständigen Industrie. 1889 gab es in Haldensleben 3 Brauereien mit der Bergschloss- und Klosterbrauerei sowie der Brauerei von Römer. Sie galten als wirkliche Industriebetriebe und 1899 kam eine Malzfabrik noch hinzu. Diese Malzfabrik Ewert & Schwenke entstand als Folge des umfangreichen Getreideanbaus in der Magdeburger Börde. Anfangs wurden bis zu 1.000 t Gerste verarbeitet, ehe durch einen Erweiterungsbau 1905 bis 1926 die  Leistung auf das Dreifache gesteigert werden konnte. So konnten täglich mit nur 20 Arbeitern bis zu 100 t Malz produziert werden.

Der Malzabsatz – es wurde Pilsener, Wiener und Münchener hergestellt – erstreckte sich sowohl auf die nähere Umgebung als auch bis nach Westfalen und in das Rheinland. Nebenbei produzierte man Schrot und Malzkeime. Die Malzfabrik bestand bis 1946. In seiner Publikation von 2005 verweist der Hundisburger Autor Ulrich Hauer auf den Flurnamen Hopfengarten unweit der Parkkiesgrube im Landschaftspark Haldensleben-Hundisburg und erwähnt eine Brauerei des Rittergutes im Zusammenhang mit der Hopfenanbaufläche. Eine Hopfengartenwiese weist die in der Publikation zu findende Separationskarte von Hundisburg von 1834 aus. Hauer vermutet wahrscheinlich berechtigt, dass sowohl auf dem Klostergut Althaldensleben wie auch auf dem Hundisburger Rittergut Hopfen für eine schon im 18. Jahrhundert bestehende Brauerei angebaut wurde. Diese Annahme und den Hopfenanbau bestätigt R. Schulze in seiner Veröffentlichung zu Johann Gottlob Nathusius (1760 – 1835) wie auch Oskar Ludwig in seiner Abhandlung zur Geschichte des Althaldensleber Parkes und seiner näheren Umgebung 1961: „Auch Hopfen, Krapp, Waid und Karden wurden angebaut.“

Danach wurden unter Nathusius in Althaldensleben und in Hundisburg etwa 30 verschiedene indus-trielle Betriebe errichtet und betrieben, darunter eine Brauerei und Mälzerei. Als ehemaliger Hundisburger bis 1976 kann ich mich noch gut an die dortige Hopfendarre und die Hopfenplantagen in unmittelbarer Nachbarschaft und an der Landstrasse nach Althaldensleben erinnern. Die Hopfendarre an der Zufahrtsstraße zum Hundisburger Bahnhof wurde infolge der Privatisierung des volkseigenen Gutes abgerissen und der Hopfenanbau eingestellt. Wohin der Hopfen geliefert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Volker A. W. Wittich

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