Ein Magdeburger Urgestein der Vereinsszene feiert seinen 150. Gründungstag

Das Magdeburger Naturkundemuseum um 1925 am Domplatz.

Vielerorts bereitet man sich auf die Feier des 250. Geburtstags Alexander von Humboldts vor. Magdeburg hat gleichzeitig einen weiteren Grund zum Feiern, denn die 100. Wiederkehr von Humboldts Geburtstag am 14.9.1869 nahmen Magdeburger Bürger zum Anlass, den Naturwissenschaftlichen Verein zu gründen. Über 200 Bürger der Stadt taten sich zusammen, weil sie das Ziel vor Augen hatten, dem rapide wachsenden naturwissenschaftlichen Interesse der Bevölkerung Aufklärung zu bieten. Magdeburg war eine reiche Kaufmanns- und Industriestadt und profitierte von den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften in vielfältiger Weise. Es hatte damals aber noch keine Universität und bis neue Erkenntnisse die breite Bevölkerung durchdrangen, konnte es oftmals eine Generation dauern. Man überlege sich wie viele Jahrhunderte die Verdrängung alten Aberglaubens dauerte, schwarze Katzen, die nicht von links nach rechts den Weg kreuzen durften und anderes. Und nun entstanden rasant bedeutende Fabriken, die Dampfmaschinen, Lokomobile und viele technische Neuerungen mehr konstruierten und bauten. Dafür brauchte man gut geschultes Personal. Und dieses Personal wollte und sollte an den neuen Entwicklungen teilhaben. Ihr Interesse wurde geweckt durch zahllose Berichte in der Presse und in der Literatur über die Reisen, Entdeckungen und Erfindungen von Humboldt und vielen seiner wissenschaftlichen Kollegen wie Darwin, Johann Reinhold Forster und seinem Sohn Georg, Stephenson, Maxwell, Volta, Carnot, um nur einige wenige zu nennen.

Zu den 200 Magdeburger Bürgern, die am 14. September 1869 zusammenkamen, gehörten Unternehmer wie Hermann Gruson, Stadträte wie Assmann, Ärzte wie Dr. Hermann Rosenthal, Apotheker, Bankiers, Lehrer und nicht zuletzt der damalige Oberbürgermeister Gustav Hasselbach, kurz es war ein Querschnitt durch das Magdeburger Bildungsbürgertum. Sie alle versammelten sich im Bürgersaal des „Alten Rathauses“, um den „Naturwissenschaftlichen Verein zu Magdeburg von 1869“ zu gründen. Natürlich dachte man auch an die breite Öffentlichkeit. Die Magdeburgische Zeitung berichtete ausführlich am 16.9.1869 über die Vereinsgründung und sprach sogar von „an die 500 anwesenden Personen“. Nebenbei, die sozialdemokratische Volksstimme wurde erst 1890 gegründet, und die lokale Ausgabe, die Magdeburger Volksstimme, führte einige Jahre nach der politischen Wende von 1989/90 den Namen der sehr viel älteren, bürgerlich-liberalen Magdeburgischen Zeitung im Untertitel.

Die vielfältigen Interessen im neugegründeten Verein drückten sich schon damals durch die Bildung zahlreicher Sektionen aus. So entstanden die Sektionen für Botanik, Zoologie, Geognosie, Mineralogie, Chemie, Physik, Meteorologie, Astronomie, Technologie, Anthropologie, Ethnographie und Geschichte der Naturwissenschaften. Von Anfang an gab es in diesen Sektionen Bestrebungen Sammlungen anzulegen, aus denen man später ein Museum entstehen lassen könnte. Im Jahr 1875 wurden dem Verein erstmalig von der Stadt Räume und Mittel für die Einrichtung eines Naturkundemuseums in Vereinsträgerschaft zur Verfügung gestellt. Die Räume befanden sich im Dachgeschoss des Realgymnasiums in der Brandenburger Straße. Da die Sammlungen rasant anwuchsen, wurde 1891 Dr. Willy Wolterstorff (1864-1943) als Sammlungskonservator eingestellt und 1893 erhielt das Museum im Obergeschoss des Hauses Am Domplatz 5 ein neues Domizil. Willy Wolterstorff war ein Universalgelehrter wie wir ihn heute nur noch selten finden. Sein Spezialgebiet waren die Paläontologie und die niederen Wirbeltiere. Insbesondere um die Erforschung der Schwanzlurche (Urodela) hat er sich verdient gemacht. Seine wissenschaftlichen Qualitäten wurden durch die Aufnahme in die Leopoldina in Halle gewürdigt. Zur Erinnerung an diese herausragende Magdeburger Persönlichkeit wurde Anfang dieses Jahres eine Gedenktafel am ehemaligen Museumsgebäude, in dem sich jetzt das „Motel One“ befindet, angebracht.

1904 übertrug der Naturwissenschaftliche Verein sein Museum als Schenkung an die Stadt Magdeburg. In den unteren Etagen des Gebäudes am Domplatz 5 war damals noch das Museum für Kunst und Kunstgewerbe untergebracht. Nachdem dieses 1906 in das neu erbaute „Kaiser-Friedrich-Museum“, das heutige Kulturhistorische Museum, umzog, konnte sich das „Städtische Museum für Natur- und Heimatkunde“ auf das ganze Gebäude ausdehnen. Der Oberlehrer Prof. Dr. August Mertens (1864-1931) wurde zum ersten Direktor ernannt. Nach dessen Tod wurde im Jahre 1931 der Pädagoge Alfred Bogen (1885-1944) sein Nachfolger. Weder er noch Willy Wolterstorff mussten die Zerstörung des Museums und eines großen Teils seiner Sammlungen am Ende des 2. Weltkrieges erleben, eine dramatische Katastrophe für das Museum und ein unersetzlicher Verlust für die Stadt Magdeburg.

Während des Krieges erlosch das Vereinsleben des Naturwissenschaftlichen Vereins zunehmend, und die sich anschließenden politischen Umwälzungen ließen auch keine Fortsetzung zu. Die Reste der naturkundlichen Sammlungen wurden im Gebäude des Kulturhistorischen Museums in der Otto-von-Guericke-Straße untergebracht. Erst im Jahr 2002 kam es durch eine Initiative von Harald Müller und 40 weiteren Magdeburger Bürgern zur Wiedergründung des Naturwissenschaftlichen Vereins. Wieder fand die Gründungsversammlung an einem 14. September im Alten Rathaus statt, dieses Mal im Hansesaal. Der heutige „Naturwissenschaftliche Verein zu Magdeburg e.V.“ knüpft in seiner Arbeit an die historischen Traditionen an und sieht sich gleichzeitig als Förderverein des heutigen städtischen Magdeburger Museums für Naturkunde, das seine Wurzeln im ehemaligen Vereinsmuseum hat. Detlef Siemen und Wolfgang Bischoff

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