Die Sonne schickt keine Rechnung, dafür die Politik

Wie schützen wir das Klima? Am besten alles Schädliche sofort abschalten oder Steuern für CO2-Sünder erheben. Doch sind die Folgen einer radikalen Energiewende wirklich gut bedacht?

Die Sonne schickt uns keine Rechnung“ (Franz Alt, 2009) und Parteien und Organisationen begründen unter anderem durch diesen Glaubensgrundsatz ihr Konzept zu einer Wende in Richtung einer ausschließlichen Nutzung der gegenwärtig einstrahlenden Sonnenenergie. Wenn sich die aktuellen Prognosen erfüllen, wird wohl Robert Habeck bald Deutschland mit einer grün-rot-roten (GR2) Koalition regieren, die diese Politik forciert. Auch wäre eine grün-schwarze Koalition denkbar. Mit dem 2011 angekündigten Atomausstieg hat sich die CDU-CSU als „Grünen-Follower“ ausgewiesen. Wenn Markus Söder fordert, die Braunkohlenverstromung nicht erst 2038, sondern schon 2030 zu beenden, geht das in die gleiche Richtung. Es gibt für solche Szenarien viel Sympathie. Man wünscht sich eine GR2-Koalition, die ihre Ziele sofort umsetzt. Konservative, die niemals grün oder rot gewählt haben, wittern darin eine Chance. Sie sehen bei dem Vollzug des Kernkraftausstiegs und dem gleichzeitigen Ende der Kohleverstromung eine Energiekatastrophe auf uns zu kommen. Und wenn, so die Überlegung, der Zusammenbruch der Stromversorgung, „Blackout“ genannt, denn schon unausweichlich ist, so soll er zu einem Zeitpunkt kommen, zu dem die zum Abbruch vorgesehenen Kraftwerke noch reaktivierbar sind. Wenn die Lichter ausgehen, wird manchen Politikern und ihren Wählern ein Licht aufgehen, so die Hoffnung.

Ist das alles nur eine Horrorvision? Nehmen wir die Fakten in den Blick: Am 10. Januar 2019 sank die Netzfrequenz auf 49,8 Hertz ab. Fällt der Wert darunter, bricht das Netz zusammen. „Europa schrammte »knapp an einer Katastrophe vorbei“, schrieb „Der Standard“ aus Wien.  Und weiter: Sollten irgendwann nur noch Windräder Strom erzeugen, so könnte das Stromnetz noch nicht einmal mehr wieder in Gang gesetzt werden. Nur mit Windrädern allein klappt das aus technischen Gründen nicht. An jenem Donnerstag ging es noch einmal gut. „Chaotische Zustände im deutschen Elektrizitätsnetz“ titelte kürzlich die F.A.Z. Im deutschen Stromnetz ist es im Juni 2019 mehrfach zu schweren Krisen mit europaweiten Folgen gekommen. Die Systemsicherheit war gefährdet. Die vier Netzbetreiber gaben an: „Die Lage konnte nur mit Unterstützung der europäischen Partner gemeistert werden.“ An drei Tagen haben die   Netzunternehmen eine starke „Unterspeisung“ des deutschen Systems konstatiert. Das Stromdefizit habe „jeweils zu einem Absinken der Netzfrequenz im gesamten europäischen Verbundnetz geführt“. Und weiter: „Im deutschen Elektrizitätsversorgungssystem sind Systembilanzabweichungen aufgetreten, welche die Systemsicherheit gefährdeten.“ Geschenkt sei, dass die Unterdeckungen erhebliche Kursausschläge an der Börse zur Folge hatten. Der höchste bezahlte Betrag für Regelenergie belief sich auf 37,856 Euro pro Megawattstunde. Der normale Preis liegt bei ca. 10 Euro. Mehrkosten sind zwar ärgerlich, aber sie sind noch nicht die ganz große Katastrophe. Eine solche wäre ein Zusammenbruch des Netzes. Dieses Ereignis ist zu erwarten, wenn die Wechselstromfrequenz im Netz bei einem Soll von 50 Hertz auf unter 49,98 Hertz fällt. Das tritt ein, wenn plötzlich als sicher geglaubte Stromproduzenten aus der Versorgung aussteigen, etwa weil Sonne und Wind nicht so liefern, wie Wetterprognosen es prophezeit hatten. Die konventionellen Kraftwerke fahren bei solchen Aussichten ihre Leistungen herunter, denn nach dem Trittinschen Energie-Einspeisungsgesetz (EEG) haben Fotovoltaik- und Windenergie ein Vorrecht auf Einspeisung in das Netz. Konventionelle Wettbewerber würden, wenn sie ihre Kraftwerksblöcke nicht abschalten würden, hohe Defizite produzieren. Kommt plötzlich doch alles anders und sie müssen ihre Kraftwerksblöcke aus dem Standby-Betrieb hochfahren, kommt es zu exorbitanten Preisen. Sie schaden der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Industriestandort und schmerzen besonders Familien und Rentner mit prekärer Einkommenssituation. Aber richtig Angst haben muss man vor dem großflächigen Blackout, der sogar ganz Europa in den katastrophalen Strudel hineinziehen könnte.

Fakt ist, dass die Frequenzstabilität nur die konventionellen Kraftwerke herstellen können, also Kohle-, Gas-, Kern- und Wasserkraftwerke. Das sagen die Fachleute. Volatile Energielieferer (Solar- und Windkraftwerke) können den Takt der grundlastfähigen Kraftwerke nur übernehmen. Für die Idee, die Rolle des Taktgebers an die Volatilen zu übertragen, gibt es keine ingenieurtechnischen Lösungen. Damit ist klar, dass mit dem Abschalten der grundlastfähigen Atom- und Kohlekraftwerke ein Blackout unausweichlich wird. Wenn sich z. B. Thüringen mit seinem Klimagesetz 2018 das Ziel gesetzt hat, bis 2040 seinen Energiebedarf durch einen Mix aus 100 Prozent „Erneuerbaren Energien“ zu decken, hat es die Rechnung ohne die Physik gemacht und Kunden, die „grünen Strom“ kaufen, beteiligen sich an der Herbeiführung eines Blackouts.

Von der CDU/FDP-Bundesregierung wurde 2010 eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke (AKWs) beschlossen. Danach kam es in Fukushima im März 2011 infolge eines Tsunamis zu einem schweren Reaktorunfall. Dieser bewirkte eine radikale Umkehr in der Energiepolitik der Bundesregierung unter Dr. Angela Merkel: 2011 wurden acht Reaktoren endgültig vom Netz genommen. Für die weiteren AKWs, die 2017 in Deutschland noch in Betrieb waren, wurden im §7 AtG Termine festlegt, zu denen diese vom Netz gehen müssen. (Abschaltjahr in Klammern):   Gundremmingen (2017), Phillipsburg II (2019), Grohnde, (2021), Gundremmingen C (2021), Brokdorf, (2021), Isar II, (2022), Neckarwestheim II (2022). Gleichzeitig vollzieht sich der Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die Fridays-for-Future-Bewegung, die von Millionen Menschen getragen wird, fordert den sofortigen Ausstieg und sogenannte Umweltaktivisten versuchen, mit gewaltsamen Aktionen die Kohleförderung zu unterbinden. Wenn diese Leute obsiegen, ist der erste deutschlandweite und vielleicht sogar europaweite Blackout unausweichlich. Bisher haben das immer noch unsere Nachbarn mit ihren Einspeisungen aus AKWs und Kohlekraftwerken ins europäische Netz verhindern können. Aber was ist, wenn auch Kraftwerke im Ausland, etwa wegen Wassermangels in den Flüssen, temporär abgeschaltet werden müssen? Dann gehen die Lichter aus! Bis alles wieder funktioniert, können Tage vergehen.

Folgen eines flächendeckenden und längerfristigen Blackouts

Bei einem überregionalen Stromausfall bricht binnen weniger Tage die komplette Versorgung zusammen. Das sagen zahlreiche Prognosen. Hier werden einige Aussagen aus einer österreichischen Studie (www.addendum.org/blackout/ auswirkungen/) zitiert und mit eigenen Überlegungen kombiniert: Bei der Festnetztelefonie fallen sofort das Endgerät und der Teilnehmeranschluss aus, danach die Ortsvermittlungsstellen. Mobilfunknetze sind nach wenigen Minuten überlastet oder brechen wegen der unzureichenden Notstromversorgung zusammen. Damit ist das gesamte Krisenmanagement, also die Kommunikationen zwischen Verwaltungen, Feuerwehr, THW und Polizei, Bundeswehr und Bürgern stark behindert. Der elektrisch betriebene bzw.  gestützte Straßen-, Schienen-, Luft- und Wasserverkehr fällt sofort oder spätestens nach wenigen Stunden aus. Der Straßenverkehr ist wegen des Ausfalls der Ampeln chaotisch. Kreuzungen, Tunnel und Schrankenanlagen sind blockiert, Staus und Unfälle mit Verletzten und Toten sind die Folge. Liftanlagen, elektronische Schließsysteme und Türöffner fallen aus. Stark betroffen sind Behinderte, die in oberen Stockwerken wohnen. Viele Menschen sind in U-Bahnen und Zügen der Bahn eingeschlossen. Rettungskräfte und Hilfsdienste kommen im Verkehrschaos nicht zu den Einsatzorten. Leitstellen, Stellwerke und Sicherungstechnik sind in ihren Funktionen drastisch eingeschränkt. Eltern können ihre Kinder nicht von den Kitas abholen. Was sollen die dort Tätigen tun? Sie müssen sich ja auch um ihre eigenen Familien kümmern.

Durch den Ausfall fast aller Tankstellen bleiben unzählige Fahrzeuge liegen. Der öffentliche Personennahverkehr kann wegen knappen Treibstoffs, des Ausfalls vieler Fahrer und des herrschenden Verkehrschaos nicht aufrechterhalten werden. Die EU-Richtlinie 119/2009, welche eine Notstromversorgung bei Tankstellen vorsieht, ist in vielen EU-Staaten bis heute nicht umgesetzt. Aber selbst bei autarker Stromversorgung der Tankstellen könnte die Entnahme von Treibstoffen aus Tankwagen nicht funktionieren, denn die ist über ein WLAN-gestütztes IT-System gesichert. Ohne Internet ist eine Entladung der Tankwagen nicht möglich. Auch die Funktionstüchtigkeit von vorhandenen Notstromaggregaten ist nicht immer gesichert: Einer deutschen Studie aus dem Jahr 2014 zufolge war bei 60 Prozent der „Netzersatzanlagen“ der Brennstoff nicht mehr verwendbar.

Wasser- und Abwasserentsorgung

Schulen, Kitas und andere öffentliche Einrichtungen müssen schon allein deshalb schließen, weil Toiletten nicht funktionieren. Ohne Strom kein Wasser, keine Toilettenfunktion und keine Heizung. Die hygienischen Zustände werden gesundheitsgefährdend. Das  Risiko von Bränden steigt in vielen Einrichtungen, v. a. in Haushalten durch Versuche, ohne Strom zu kochen und zu heizen. Auch Feuerwehren haben kein Wasser! Es bestehen übrigens in unserer Bevölkerung große Wissenslücken über die Gefahren von Kohlenmonoxidvergiftungen durch inadäquate Feuerstellen. Es wird viele Tote geben!

In Supermärkten und zentralen Kühlanlagen kommt es zum Vergammeln von Lebensmitteln. Die Dimension liegt im dreistelligen Kilotonnenbereich. Da es in Märkten meistens nur Kunstlicht gibt, das ausgeht, und auch die Kassen nicht funktionieren, wird der Verkauf eingestellt. Da sich die Mehrheit der Bevölkerung kaum mit Lebensmitteln und Wasser bevorratet hat, kommt es aus purer Not zu Plünderungen. Die öffentliche Ordnung bricht zusammen. Krankenhäuser können im Allgemeinen ihre zentralen Funktionseinheiten, wie etwa OP-Säle, durch Notstromaggregate aufrechterhalten. Aber was nützt das, wenn das Personal den Arbeitsplatz nicht erreichen kann, lebensrettende Medikamente nicht ankommen und Rettungsteams im Verkehrschaos feststecken?

Der Ausfall elektrisch betriebener Stall- und Melktechnik beeinträchtigt das Wohlergehen der Tiere, führt bei Milchvieh zunächst zu Euterentzündungen und auch zum Tod. Höchst problematisch ist die Versorgung von Schweinen und Geflügel. Es gibt zwar Vorschriften für die Notstromversorgung in der Tierhaltung, aber trotzdem werden diese nicht durchgängig funktionieren. Schon nach wenigen Stunden ohne Lüftung werden hunderttausende Schweine, Hühner und Puten in Großbetrieben gestorben sein.

Eingriffe in der beschlossenen Form sind höchst gefährlich

Wenn die Energiewende so kommt, wie geplant, führt sie in eine Katastrophe. Sie gefährdet unsere Stromversorgung, löscht viele Menschenleben aus, ruiniert unsere Wirtschaft  und verursacht ökologische Schäden. Wie hoch die Anzahl der Todesopfer und die ökonomischen Einbußen bei einer realistisch geschätzten Zeit von drei Tagen Blackout sein werden, kann niemand seriös schätzen. Am Ende schickt nicht die Sonne eine Rechnung für die gelieferte Energie, sondern die politischen Institutionen tun das, auch für die Energie, die zwar von der Sonne kam, aber nicht genutzt werden konnte! Greta und ihre Jünger*innen werden im Verlauf eines Blackouts mehr über unsere Welt lernen, als sie an 100 Fridays hätten lernen können, selbst wenn sie zur Schule gegangen wären. Und sie werden in Panik geraten.

Ist die Energiewende in Deutschland alternativlos?

Konsens dürfte Folgendes sein: Es ist unverantwortlich, dass 3 bis 4 Menschheitsgenerationen den größten Teil des Erdöls und der Kohle verheizen, um Energie zu gewinnen. Auch nachfolgende Generationen sind auf die Ausgangstoffe für die Produktion von unverzichtbaren Chemikalien und Werkstoffen angewiesen! Einzustellen ist deren Verbrennung deshalb, weil es reichlich nachhaltige Energiequellen gibt. Die vogel-fledermaus- und insektentötenden und zudem landschaftszerstörenden Windturbinen gehören nicht dazu, zumal sie mit ihrem „Zappelstrom“ das Netz destabilisieren. Auch Biogas und Biosprit ruinieren unsere Umwelt. Solaranlagen, die Haushalten  Strom und Wärme für die Wasserbereitung und die Heizung liefern, sind als Energie-Additiv zu begrüßen. Auch die Einspeisung von solarem Strom ins Netz ist okay, wenn es Großkraftwerke gibt, die mit Einspeisungsrechten versehen sind und Netzstabilität sicherstellen.

Wer behauptet, die deutsche Energiewende und v.a. der Atomausstieg, seien alternativlos, beobachtet offenbar das Weltgeschehen nicht. In Kanada, den USA, China, Indien, Russland und weiteren Ländern entwickelt man jetzt Kernreaktoren, die im Falle eines GAU (größter anzunehmender Unfall) nicht explodieren, sondern einfach nur erkalten. Das sollte auch in Deutschland möglich sein! Das Geld wäre vorhanden, würde man die nach einem Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen geschätzten Investitionen für die Umstellung auf „erneuerbare Energien“ in Höhe von 1,5 Billionen Euro für die nachhaltige Energieversorgung nutzen. „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern“  (Erich Kästner). Kürzlich hat sich ein Verein „Energie Vernunft Mitteldeutschland e.V.“ gebildet. Die tun was!

Prof. Dr. Reinhard Szibor absolvierte 1961 eine Gärtnerlehre, legte das Abitur im 2. Bildungsweg ab und studierte ab 1965 Biologie in Jena. Ab 1970 arbeitete er als Humangenetiker an der Medizinischen Akademie Magdeburg. 1993 arbeitete er als Abstammungsgenetiker in der Rechtsmedizin der OvGU. Seit 2010 ist er im Ruhestand und u.a. publizis-tisch tätig im Forum Grüne Vernunft. Reinhard Szibor

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