Die Beims-Siedlung – Neues Bauen zwischen Anspruch und Möglichkeit

Kreuzung Weferlinger Straße / Calvörder Straße, 1927. Foto: Stadtarchiv

Wenn 2019 der hundertjährigen Geschichte des Bauhauses gedacht wird, sollte nicht vergessen werden, dass in Magdeburg große Wohngebiete auf der Grundlage dieser avantgardistischen Haltung der 1920er Jahre realisiert wurden. Das Neue Bauen der 1920er Jahre in Magdeburg bedeutete in der Praxis die Umsetzung des sozialen Wohnungsbaus, der sich an den Bedürfnissen der Mieter orientiert, bei gleichzeitigem Festhalten an hohen gestalterischen und ästhetischen Maßstäben unter den Bedingungen starker wirtschaftlicher Beschränkungen. Keine leichte Aufgabe. Umso mehr kann man mit Stolz feststellen, dass dies hier in der Beims-Siedlung in großem Umfang gelungen ist.

Die von 1925 bis 1929 errichtete Siedlung an der Großen Diesdorfer Straße (seit 1931 Hermann-Beims-Siedlung) wurde vom Bebauungsplan bis in die baulichen Einzelheiten hinein vom Stadterweiterungsamt, also aus einer Hand ausgeführt. Neben dem Ziel, preiswerten Wohnraum zu schaffen, stellten die Architekten eine Reform des sozialen Wohnungsbaus in den Vordergrund: keine Seitenflügel und Hinterhäuser, Hauptausrichtung der Straßen von Nord nach Süd, dreigeschossige Reihenhausbebauung, große begrünte Innenhöfe und Differenzierung von Wohn- und Erschließungsstraßen.

Die durchschnittliche Größe einer Wohnung in der historischen Hermann-Beims-Siedlung lag bei 63 Quadratmetern und war damit an den Anforderungen und Möglichkeiten der zwanziger Jahre orientiert. In der Entstehungszeit der Siedlung lebten vier bis fünf Personen in einer Wohnungseinheit. Alle Wohnungen sind zweiseitig orientiert, was eine gute Belichtung und Querlüftung zulässt. Der Wohnungszuschnitt ist trotz der geringen Größe günstig und durchdacht, die Zimmeraufteilung kann flexibel erfolgen. Viele Wohnungen besitzen Balkone oder Loggien.

 

Sanierter Wohnblock in der Hermann- Beims-Siedlung. Foto: N. Perner

Für alle Wohnungen war ein Bad vorgesehen, wenn auch aus Kostengründen die Badausstattung teilweise nicht sofort installiert wurde. Die Beheizung erfolgte mit Einzelöfen. Innenaufnahmen von Wohnungen aus den frühen Jahren der Siedlung gibt es nur sehr wenige. Das Bild rechts oben ist in der Wohnung des Baurates Konrad Rühl aufgenommen worden. Baurat Rühl arbeitete eng mit Johannes Göderitz am Entwurf der Hermann-Beims-Siedlung zusammen. Von 1923 bis 1928 war er Magistratsbaurat im Dezernat für Städtebau in Magdeburg. Die stilvolle Einrichtung seiner Wohnung ist sicher nicht beispielgebend für die typische Ausstattung der 1920er Jahre.

Die Wohungsbaugesellschaft Magdeburg mbH hat sich die Erhaltung und Pflege dieses einzigartigen Beispiels für das Moderne Bauen vor rund 100 Jahren zum Ziel gesetzt. Seitdem sie Mitte der 1990er Jahre die denkmalgeschützten Häuser übernommen hatte, wird alles getan, dass das Wohngebiet auch unter den heutigen Ansprüchen nicht an Attraktivität verliert. Dabei müssen immer wieder die vielen Vorgaben des Denkmalschutzes eingehalten werden, weshalb beispielsweise nicht an allen Häusern Balkone nachgerüstet werden können. Dennoch entstehen heute durch die Modernisierung teilweise neue Grundrisse, um dem Platz- und Wohnanspruch der Zeit gerecht zu werden. Die einstigen grauen Fassaden aus der DDR-Zeit haben wieder ihre traditionellen Farben erhalten. Die Hermann-Beims-Siedlung zeigt, dass das Neue Bauen vor 100 Jahren nichts an Attraktivität und Moderne eingebüßt hat. Diesem Anspruch fühlt sich die Wobau verpflichtet.

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