Deutsche Sprache ... und andere Probleme

Auf dem Schulhof der Gemeinschaftsschule „Thomas Müntzer“ Magdeburg herrscht Stille. Im 1890 erbauten, unter Denkmalschutz stehenden und 2008 sanierten Schulgebäude ebenfalls. Es ist Unterrichtszeit. Schulleiterin Anette Doß führt durch die Räumlichkeiten, um den Ort vorzustellen, an dem 30 Pädagogen arbeiten und 369 Kinder beziehungsweise Jugendliche lernen. Drei Etagen geht es hinauf. Und als der Dachboden fast erreicht ist, öffnet die Schulleiterin die Tür zu einem Raum und präsentiert stolz das Nähzimmer. „An jedem Tisch gibt es Steckdosen, um dort die Nähmaschinen nutzen zu können“, erklärt Anette Doß. Doch die Nähmaschinen wurden aus dem Weg geräumt, weil das Zimmer für den Deutschunterricht benötigt wird. Zu viele Lernende mit Migrationshintergrund musste die Schule aufnehmen. Von Problemen und Überforderung ist während des Rundgangs die Rede. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper wurde zu diesem Rundgang eingeladen. Ein Hilferuf, wie die Schulleitung erklärt. Denn an vier Sekundar- und Gemeinschaftsschulen in der Landeshauptstadt gebe es viele Kinder und Jugendliche mit ausländischen Wurzeln – an anderen Schulen hingegen kaum. Die Forderung nach einer fairen Verteilung wird der Oberbürgermeister im Laufe des Gesprächs oft zu hören bekommen.  
Zwei Sprachklassen gibt es an der Gemeinschaftsschule „Thomas Müntzer“. „Dort werden ausschließlich Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unterrichtet, damit sie die deutsche Sprache lernen und nach einer gewissen Zeit am regulären Unterricht teilnehmen können“, schildert die stellvertretende Schulleiterin, Martina Wiedemann. Was in der Theorie zunächst logisch und simpel klingt, erweist sich in der Praxis als kompliziert. Von 369 Lernenden haben 149 einen Migrationshintergrund – sie kommen aus 26 Nationen, darunter Syrien, Afghanistan, Länder der ehemaligen Sowjetunion und viele auch aus Rumänien. „Darunter sind Schüler, deren Eltern bereits in den 1990er eingewandert sind. Aber der Großteil kam in den vergangenen beiden Jahren“, sagt Martina Wiedemann. „55 waren es im Schuljahr 2015/16 und allein im ersten Halbjahr dieses Schuljahres weitere 41.“
Die Neuankömmlinge, die kein oder nur sehr wenig Deutsch können, werden in die Sprachklassen zweier ausgebildeter Sprachlehrkräfte eingegliedert. „Dieses ständige Umdisponieren macht uns mürbe“, sagt die Schulleiterin. „In unregelmäßigen Abständen kommen mitten im Schuljahr neue Schüler. Und wir müssen dann überlegen, welche Schüler aus den Sprachklassen fit genug sind, um sie in den regulären Unterricht zu integrieren, damit in den Sprachklassen Platz für Nachrücker ist. So herrscht ständig Unruhe.“ Das mache nicht nur den Kindern und Jugendlichen zu schaffen, die sich immer wieder auf neue Mitschüler und einen veränderten Unterrichtsrhythmus einstellen müssen, sondern auch dem pädagogischen Personal. „Mit 89 Prozent sind wir ohnehin unterversorgt“, sagt Anette Doß. „Eigentlich müssten wir 40 Schüler abgeben – gemessen an der Zahl der Lehrer.“
Die Thomas-Müntzer-Schule ist nicht die einzige mit diesen Problemen, auch die Sekundarschulen „Goethe“, „Leibniz“ und „Heine“ haben bislang mehr Lernende mit Migrationshintergrund aufgenommen als andere Schulen. Um eine faire Verteilung zu gewährleisten und die ursprünglich anvisierte Grenze von maximal 25 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund am Anteil der Gesamtschülerzahl einzuhalten, schlägt der Oberbürgermeister vor, den geltenden Verteilungsmechanismus auszusetzen. „Flüchtlingskinder müssen auch die Schulen besuchen können, die nicht zu ihrem Wohngebiet gehören. Dafür muss das Land die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen“, so Trümper. Wenn die Schule beim Thema Integration versage, sei das die schlechteste Lösung von allen. Das Ministerium für Bildung prüft derzeit noch, ob das Thema Gegenstand einer Schulgesetznovelle sein kann. Tina Heinz

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