Der Mars muss weiter warten
Mars: Ein Planet, zwei Ansichten. Die Aufnahmen zeigen den Mars, wie ihn Raumsonden sehen. Die linke Aufnahme entstand bei klarer Sicht auf die Oberfläche. Das rechte Bild zeigt den Mars während eines globalen Staubsturms. Astronauten müssen auch darauf vorbereitet sein.
Es war der 21. Juli 1989. In seiner Rede zum 20. Jahrestag der ersten Landung von Menschen auf dem Mond rief der Ex-Präsident George Bush sen. dazu auf, erneut zum Mond und weiter zum Mars zu fliegen. „Bis zum 50. Jahrestag der Apollo-11-Mondlandung soll die amerikanische Flagge auf dem Mars wehen“, so der damalige US-Präsident. Um das Ziel zu erreichen, erdachten NASA-Planer riesige Raumschiffe, die Astronauten im Erdorbit zusammenbauen sollten, um dann damit weiter zum Mars zu fliegen. Doch als die demokratischen Abgeordneten im US-Kongress erfuhren, dass die Realisierung des Projektes mindestens 400 Milliarden US-Dollar verschlingen würde, verweigerten sie ihre Zustimmung.
Es war nicht das erste Mal, dass der Marsflug auf die lange Bank geschoben wurde. Schon in den 1950er Jahren entwickelte der deutsch-amerikanische Raketenkonstrukteur Wernher von Braun Pläne für das Jahr 1983, geplante bemannte Marsflüge mit einer atomar angetriebenen Trägerakete. Auch in der ehemaligen Sowjetunion bereiteten sich Raumfahrtingenieure und Weltraummediziner nach den Apollo-Mondlandungen auf einen neuen Wettlauf zum roten Planeten vor. Langzeitflüge auf den sowjetischen Raumstationen sollten zeigen, ob Menschen die neun Monate dauernden Flüge überhaupt aushalten könnten. Ergebnis: Prinzipiell kann der Mensch den roten Planeten erreichen. Gesundheitliche Schäden sind jedoch nicht auszuschließen.
„Mitte der 60er Jahre lag beim damaligen Kosmonauten-Ausbildungsleiter eine besondere Mappe“, bestätigt Ex-Kosmonaut Alexander Sergjewitsch Iwantschenko, der insgesamt 174 Tage im All verbrachte. „In dieser Mappe standen die Namen von Freiwilligen, die bereit für einen Marsflug ohne Rückflugticket waren“, so Iwantschenko. Es waren zumeist ältere oder kranke Offiziere ohne eine Aussicht auf Heilung. „Ich war damals froh, dass mein Name nicht in dieser Mappe stand.“ Kein professioneller Raumfahrer würde sich auf einen Raumflug begeben, wenn seine Rückkehr aussichtslos ist. Alle staatlichen Raumfahrtagenturen in Ost und West halten sich an dieses ungeschriebene Gesetz. Umso mehr sorgte vor sechs Jahren eine Initiative aus der Privatwirtschaft für Furore. Sie sieht einen One-Way-Trip für die ersten freiwilligen Mars-Siedler vor.
Marsmission ohne Rückflugticket
„MarsOne“ ist das Projekt des niederländischen Unternehmers Bas Lansdorp. Er will rund drei Dutzend Menschen zum Mars bringen, damit sie sich dort ansiedeln – so wie vor zwei Jahrhunderten die ersten weißen Kolonisten in den Wilden Westen Nordamerikas zogen. Nur das notwendigste, beispielsweise Pflanzensamen, Geräte zur Regeneration der Atemluft und zur Wassergewinnung aus dem Marsboden, sollten sie mitnehmen. Für das gewagte Weltraumabenteuer wurden in einem Online-Wettbewerb junge Freiwillige mit Pioniergeist gesucht, die bereitwillig auf einen Rückflug zur Erde verzichten. Bei der Bewerbung gefragt waren englische Sprachkenntnisse, eine gute Gesundheit und allgemein Interesse an Wissenschaft und Technik. Ein selbst gedrehtes Bewerbungsvideo, Antworten auf einem Fragebogen und ein kurzes Interview via Skype reichten zur Anmeldung aus. Mehr als 200.000 Bewerbungen sollen bei der Stiftung eingegangen sein. Davon gelangten 100 Kandidaten, inklusive zwei Deutsche, in die engere Wahl. In öffentlichen Casting-Shows sollten sie sich dem Urteil einer professionellen Jury und der Zuschauer stellen und dann das Training aufnehmen. Doch dazu kam es bislang nicht. Bereits im Frühjahr 2015 stieg einer der Hauptgeldgeber, die Produktionsfirma Endemol, die mit TV-Unterhaltungsshows wie „Big-Brother“ weltweit aktiv ist, aus dem Projekt aus.
Einige Raumfahrtexperten haben sich skeptisch über den zu erwartenden Erfolg einer One-Way-Mars-Mission geäußert. Wesentliche Probleme wie der Schutz vor der kosmischen Strahlung bei einem neunmonatigen interplanetaren Flug und die gesundheitlichen Risiken durch die Schwerelosigkeit sind praktisch noch nicht ausreichend geklärt. So brauchten bislang alle Astronauten, die nach einem halben Jahr Schwerelosigkeit auf der Internationalen Raumstation zur Erde zurückkehrten, die Hilfe von Rettungsmannschaften bei den ersten Gehübungen nach der Landung.
Die ersten Siedler auf dem Mars wird jedoch niemand erwarten. Sie sind während der ganzen Mission auf sich allein gestellt und können, wegen der großen Entfernung und Signallaufzeit nicht einmal schnellen Rat der Bodenstation einholen. Auch wenn die neunmonatige Anreise im Raumschiff und die schwierige Landung gelingen, besteht für die ersten Siedler ein erhöhtes Risiko für eine Luftvergiftung in den Wohncontainern. Zu diesem Ergebnis gelangte ein Expertenteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die von der Erde mitgebrachten Pflanzen wären vermutlich nicht in der Lage, auf Dauer die Neubürger auf dem roten Planeten mit ausreichend frischer Atemluft und Nahrung zu versorgen. Bislang scheiterte die Umsetzung des Siedler-Projektes am Geld, das durch Crowdfunding, Merchandising und Sponsoring eingeworben werden sollte.
Rundflug ohne Landung ist wenig sinnvoll
Nicht besser erging es bislang dem „Inspiration Mars-Projekt“ des Weltraumtouristen Dennis Tito. Es sieht nur eine Umrundung des Mars’ vor, bevor das Raumschiff wieder zurück zur Erde fliegt. Rund 500 Tage wird die Reise dauern. Während der ganzen Zeit ist der Lebensraum der beiden Astronauten auf etwa 50 Kubikmeter beschränkt. Das ist möglich, aber nicht sehr angenehm, wie Tests in einer irdischen Isolationskammer zeigten, in denen russische und europäische Astronauten eingeschlossen waren. Ein bemannter Rundflug ist außerdem wissenschaftlich wenig sinnvoll. Nutzen kann man nur bei einer Landung erwarten.
Mars ist der erdnächste äußere Planet und er besitzt ein großes Wasserreservoir, das im tiefgefrorenen Boden und in den Polkappen steckt. Mars hat ein Magnetfeld und eine dünne Atmosphäre, die Menschen etwas Schutz vor der kosmischen Strahlung bietet. Tageslänge und Jahreszeiten sind vergleichbar mit denen der Erde, was den Anbau von Gewächshauspflanzen erleichtern dürfte. Außerdem ist Mars im Unterschied zum Mond auch landschaftlich sehr reizvoll. Zahlreiche ausgetrocknete Flussbetten, die riesigen Canyons und Vulkane sowie ausgedehnte Wüsten und nicht zuletzt die vereisten Polkappen laden zur Erkundung ein. Vor zwei Jahren verkündete SpaceX-Gründer Elon Musk, er würde bis 2018 ein leicht umgerüstetes Dragon-Raumschiff zu einem unbemannten Testflug zum Mars schicken. Auch dazu kam es bislang nicht. Stattdessen verkündete der US-Milliardär wenig später ein noch viel kühneres kosmisches Siedlungsprogramm. Er möchte schon im Jahr 2024 über 100 Astronauten mit einer 180 Meter hohen Super-Rakete, die bislang nur in Computer-Animationen fliegt, zum Mars bringen. Immerhin: Im Unterschied zum niederländischen Unternehmer Bas Lansdorp verspricht Elon Musk seinen Kunden die Rückkehr zur Erde, falls ihnen der Aufenthalt auf dem kalten Wüstenplaneten nicht gefallen sollte. Uwe Seidenfaden