„Ab jetzt wird aufgebaut“
Peter Lackner ist seit einem Jahr Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. MAGDEBURG KOMPAKT sprach mit ihm über die Perspektiven des Unternehmens und der Stadt.
Herr Lackner, wo steht die städtische Wohnungsbaugesellschaft eigentlich heute?
Peter Lackner: Die vergangenen 20 Jahre waren für die Wohnungswirtschaft in Magdeburg eine depressive Phase, geprägt von Abriss und Rückbau. Die haben wir jetzt überwunden. Nun beginnt eine ganz neue Ära des Wiederaufbaus. In der Vergangenheit waren wir als Wohnungsbaugesellschaft sicher viel defensiver. Ab jetzt wird aufgebaut!
Das klingt sehr optimistisch. Worauf gründet sich das neue Selbstverständnis?
Es gibt völlig neue Impulse der organisierten Wohnungswirtschaft. Dazu zähle ich die Wobau und die anderen Wohnungsgenossenschaften. Anfang der 90er Jahre haben doch ausschließlich private Bauträger Wohnungsbau betrieben, die dann Eigentumswohnungen verkauft haben oder teuer vermieteten. Wir waren gezwungen, unseren Wohnungsbestand zu verringern. Jetzt können wir selbst die Dynamik im Wohnungsbau bestimmen und unseren Kunden neue Angebote in neuer Qualität und Quantität unterbreiten. Die derzeitigen geringen Zinsen helfen dabei. Im Ergebnis können dann nicht nur wenige Privilegierte in exponierten Lagen eine Wohnung beziehen, sondern quasi jeder, insofern wir genügend Wohnungen im eigenen Bestand geschaffen haben. Die MWG macht das schon eine Weile vor. Wir ziehen jetzt nach, aber auch die Otto-von-Guericke Wohnungsbaugenossenschaft und die Genossenschaft Post und Energie sind mit dabei.
Nennen Sie ein paar Beispiele, woran Sie das festmachen wollen?
Wir können jetzt eigenständig Projekte entwickeln. Einige wenige vorzeigbare wie beispielsweise der Katharinenturm waren so ein Anfang. In diesem Jahr beginnen wir mit dem Spatenstich und der Realisierung in der Danzstraße. In dem noch stehenden Gründerzeithaus bauen wir bereits. Für das Eckhaus zur Hegelstraße beginnt die Sanierung. Das Gebäude wird wie ein Neubau aussehen. Die Danzstraße wird ein echtes Aushängeschild für Magdeburg werden. Dazu gehört auch der Umbau der ehemaligen Staatsbank, unsere neue Firmenzentrale mit Dommuseum. Dort gestalten wir den Südflügel neu. Es entsteht eine Konferenzetage, von der man direkt auf das Domportal schaut. Das wird mit Sicherheit einer der schönsten Konferenzorte in der Stadt werden.
Wie ist der Zeitplan für das Vorhaben?
Grundsteinlegung ist für April geplant. Vorher beginnen wir bereits mit den Gründungsarbeiten. Der Bauabschnitt entlang des Breiten Wegs wird etwas später starten. Da muss vorher noch eine Gashochdruckleitung verlegt werden. Aber auch mit den Erdarbeiten fangen wir sicher zum Ende des Jahres an. Im nächsten Jahr geht es dann mit dem Hochbau richtig los. Zwei Jahre lang wird gebaut werden. Wir investieren insgesamt 50 Millionen Euro. Das ist ein riesiges Volumen. Aber an der Stelle lohnt sich das auch. Letztlich werden wir damit das südliche Stadtzentrum gut entwickelt haben. Es gibt aber noch mehr Themen: Auf dem Areal des früheren Fruchthofs haben wir vor, etwas Neues zu bauen, auch in einer ansprechenden Architektur, die zur Umgebung passt.
Wird sich das Antlitz der Elbestadt entscheidend verändern?
Wir haben derzeit wirklich eine historische Chance, baulich völlig neue Akzente zu setzen und mehr Mut zu beweisen, als bei einer Standardsanierung. Hier kann und muss eine Landeshauptstadt Gesicht zeigen. Und der Aufsichtsrat steht da voll hinter uns. Mit dem Quartier Domviertel wollen wir eine neue städtebauliche Qualität zeigen. Integriert wird ein großer Nahversorgermarkt sein, in dem man barrierefrei einkaufen kann. Wir verstecken den gesamten ruhenden Verkehr, nicht wie früher im Hinterhof, sondern in einem Zwischengeschoss. Der Hof selbst wird über das gesamte Karree eine grüne Oase. Mit unserem Schwesterunternehmen, Wohnen & Pflegen Magdeburg, wollen wir eine Tagespflege integrieren. Damit gewährleis-en wir ein lebenslanges Wohnen in dem innerstädtischen Quartier. Etwas Vergleichbares dieser Qualität und dieser Dimension fehlt bisher in Magdeburg. Die Nachfrage dafür ist groß. Das merken wir an der Überzeichnung der Mieterbewerbungen. Unser Problem wird nicht die Vermietung sein. Wir wissen also, dass wir in der Zukunft in diesem Bereich noch mehr machen müssen. Wir wollen neue Projekte aus dem Boden stampfen. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.
Vielleicht schenken Sie uns einen Anhaltspunkt.
Gut, das Seeufer 10 in Nord beispielsweise. Da erfolgt der Abriss. Der gesamte Bereich in Nord braucht eine Relaunch. Das bedeutet für mich, über den Abriss hinaus zu denken und das Areal neu zu beplanen. Gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt wollen wir den ganzen Stadtteil betrachten und überlegen, wie wir ihn perspektivisch verändern können. Hier geht es um die Entwicklung einer Vision für die nächsten 20 Jahre.
Die Stadt wächst in ihrer Bevölkerungszahl. Das ist sicher eine gute Voraussetzung.
Bruno Taut hat seinerzeit Pläne für 380.000 Einwohner entwickelt. Deshalb verfügen wir über echtes Wachstumspotenzial und noch ausreichend Lücken, die geschlossen werden können. Das haben übrigens nicht alle Städte in Deutschland. Vor allem viele westdeutsche Städte sind bereits an ihre Grenzen gestoßen. Gut dabei ist, dass es mittlerweile ein harmonisches Zusammenwirken mit den Kollegen anderer Wohnungsbauunternehmen gibt. Das Domviertel ist da ein bestes Beispiel. Solche Vorhaben können in der Zukunft mehr Schule machen. Wenn wir Nord entwickeln wollen, wird es notwendig sein, dass wir an einem Strang ziehen. Ich glaube fest daran, dass uns das gemeinsam in neuen Kooperationen und Quartiersvereinbarungen gelingen wird.
Was bedeutet es als Stadt, über ausreichend Flächenpotenzial zu verfügen?
Das Potenzial sind die entlang der Elbe existierenden Baumöglichkeiten. Jahrzehntelang haben doch wegen der Industrialisierung alle Flüsse – ob in West oder Ost – gestunken. Das hat sich mit einem veränderten Umweltbewusstsein gewandelt. Heute möchte man wieder am Fluss wohnen. Der Vorteil von Magdeburg ist, dass sich die Stadt sehr lang links und rechts am Fluss hinzieht. Da kann unheimlich viel wachsen. In Dresden ist da irgendwann Schluss, weil das Gebirge eine Grenze fürs Bauen setzt. In einer vergleichbaren Stadt wie Münster liegt der Bodenrichtwert bei 1.000 Euro pro Quadratmeter – nur bekommt man da gar kein Grundstück mehr. Das ist das Problem. Unsere Grund- und Bodenpreise sind vergleichbar mit Preisen, wie man sie im Westen auf dem Dorf bezahlt. Das ist unsere historische Chance. Ich glaube, auch der letzte hat mittlerweile erkannt, dass Magdeburg eine aufstrebende Stadt ist. Wir haben etwas zum Vorzeigen. Die Summe dieser Veränderungen wird Magdeburg aus dem Dornröschenschlaf erwecken. Wir hatten in der Arbeitsgemeinschaft großer Wohnungsunternehmen (AGW) die Geschäftsführer von München bis Hamburg hier. Als wir einen Stadtrundgang gemacht haben, bekamen die ihren Mund vor Staunen gar nicht mehr zu. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass sich in Deutschland herumspricht, dass es hier schön ist. Ich würde mir nur gern wünschen, dass wir hier mehr Events mit international bedeutenden Künstlern hinbekommen, die vor der Domkulisse auftreten und überallhin übertragen werden. Dann sehen das auch andere und das Bild von der grauen Arbeiterstadt, das noch vielfach verbreitet ist, würde nach und nach aus den Köpfen verschwinden. Dann wird Magdeburg mehr als Reiseziel ins Bewusstsein kommen. Magdeburg kann von der weiteren europäischen Entwicklung profitieren. Wir können hier noch große Büroflächen in Größenordnungen zu Preisen mit 7 bis 8 Euro pro Quadratmeter vorhalten. Da ist der Standort für große Unternehmen durchaus interessant. Die Entscheidung für eine Ansiedlung hängt oft davon ab, ob man hier leben will. Und dafür bietet Magdeburg immer bessere Bedingungen.
Was wird aus anderen Wohnungsbeständen?
Seit zwei Jahren haben wir begonnen, unsere Häuser barrierefrei umzurüsten. Die Bewegungseinschränkungen mit einer wachsenden älteren Bevölkerung werden zunehmen. Also müssen wir entsprechende Angebote vorhalten. Die Beimssiedlung sollte man sich unbedingt ansehen. Dort haben wir begonnen, die Völpkerstraße zu sanieren. Diesmal im unbewohnten Zustand, mit Grundrissänderungen und neuen Balkonanlagen. Dann kommt die Marienbornerstraße dran. Wir werden hier stark investieren, damit die Beimssiedlung den heutigen Ansprüchen gerecht wird. Hier besteht die Chance für eine Zielgruppe Wohnungen zu errichten, die es in den Plattenbauten gar nicht gibt. Wir haben nämlich ein Defizit an großen Wohnungen. Für Familien mit niedrigem Einkommen ist es schwierig, eine Wohnung ab 100 Quadratmeter bzw. 4 oder 5 Zimmern zu bekommen. Versuchen Sie mal mit 4 Kindern in Magdeburg eine erschwingliche Wohnung zu finden? Da haben wir echt zu wenige Angebote. Daran werden wir arbeiten.
Heute verwaltet die Wobau gut 19.000 Wohneinheiten. Wie groß wird der Bestand in der Zukunft sein?
Die KWV hatte mal 60.000 Wohnungen. Wir sind bis heute auf rund 19.500 Wohneinheiten und 450 Gewerbeeinheiten geschrumpft. Einige Wohneinheiten wie am Bruno-Taut-Ring nehmen wir in diesem Jahr noch vom Markt, ca. 200. Gleichzeitig bauen wir neu und wachsen damit. In den nächsten Jahren wird weitergebaut. Der Schrumpfungsprozess ist ein vorbei. 2016 haben wir unseren Leerstand erstmals auf unter 10 Prozent reduziert. Diesen Trend müssen wir mit weiteren Investitionen in diesem Jahr fortsetzen.
Fragen: Thomas Wischnewski