Zwischen Weinen, Lachen und schlechten Gewinnern

Trainer Bennet Wiegert: „Die größte sportliche Niederlage meiner Karriere.“ Foto: Eroll Popova

Die SCM-Handballer vergeben im Europacup zu Hause Riesen-Chance. Warum Geschäftsführer Schmedt dennoch zufrieden auf die Saison zurückblickt.

Trainer Bennet Wiegert riss sich seine Akkreditierungskarte vom Hals und schleuderte sie wutentbrannt auf den Boden, sank anschließend enttäuscht auf die Knie. Auf der Empore starrte Geschäftsführer Mark Schmedt mit verschränkten Armen minutenlang ins Leere. Die Spieler in Grün-Rot verstanden einfach die Welt nicht mehr. Was sich am Pfingstsonnabend beim Finalturnier um den Handball-EHF-Cup da unten auf dem hellblauen Belag der Getec-Arena abspielte, lässt sich nur als ein sportliches Drama beschreiben: Der SC Magdeburg, als Gastgeber als Favorit ins Rennen gegangen, erlitt bereits im Halbfinale den Knockout. Wiegert sprach anschließend davon, „noch nie eine größere sportliche Enttäuschung erlebt zu haben als heute“.

Was war passiert? Der SCM, in der Bundesliga zuvor lange die Mannschaft der Stunde und in 15 Begegnungen in Folge ungeschlagen, zeigte gegen die Franzosen aus St. Raphael beim 27:28 (13:13) wieder einmal sein anderes Gesicht. Chancen wurde zuhauf vertan. In entscheidenden Kennziffern wie Torschusseffektivität, Torhüterleistung und Treffer aus dem Gegenstoß – das wies die vom Europäischen Verband EHF vorgelegte Statistik klar aus – waren die Gäste einfach besser. Wiegert: „Ich hatte das Gefühl, dass wir heute in den entscheidenden Momenten etwas Angst vor dem Verlieren hatten.“ „Wir haben die Magdeburger zwei Wochen lang intensiv studiert, und es hat sich gelohnt“, freute sich der Coach der Gäste Joel da Silva diebisch. „Damgaard, der nur einmal traf, aus dem Spiel zu nehmen, war für uns sozusagen die halbe Miete.“

Doppelt bitter für die Hausherren, dass der extra für dieses Turnier angefertigte Pokal aus Sterling-Silber (Wert: 8.000 Euro) ausgerechnet an den Erzrivalen Füchse Berlin ging, der im Finale St. Raphael mit 28:25 besiegte. „Selbst wenn wir am Ende Dritter geworden sind“, bedauerte SCM-Kapitän Christian O’Sullivan, „so eine einmalige Chance kommt so schnell nicht wieder.“ Nachdem sich der Pulverdampf ein wenig verzogen hatte, zog MAGDEBURG KOMPAKT im Interview mit SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt eine erste Bilanz des Turniers.

Mit dem „Ottostadt Magdeburg EHF-Cup-Finale 2018“ der Handballer, wie es ganz offiziell hieß, ist das größte Sportereignis der jüngeren Vergangenheit in der Landeshauptstadt Geschichte. Organisatorisch top, sportlich für den SCM eher ein Flop – könnten Sie dieser Einschätzung zustimmen?
Es war auf jeden Fall eine hervorragende Veranstaltung, die den Ruf Magdeburgs als Handball-Hochburg weiter gestärkt hat. Wir hatten über 6.000 Zuschauer an beiden Tagen, eine phantastische Stimmung und eine blendende Organisation, für die ich mich bei allen Helfern noch einmal bedanken möchte. Wir wollten ein perfekter Gastgeber sein, das ist auf jeden Fall gelungen.

Es wurde eine hohe sechsstellige Summe in das Event investiert. Ging am Ende auch diese Rechnung auf?
Ja, denn aus finanzieller Sicht hatten wir im Abschluss kein Minus. Ein Risiko wäre es sicher gewesen, wenn wir uns als Gastgeber nicht für die Endrunde qualifiziert hätten.

Damit wären wir bei der sportlichen Seite.
Natürlich war es unser Ziel, als Gastgeber am Ende auch den Pokal in den Händen zu halten, wir hätten uns die Kirsche auf der Sahnetorte gewünscht. Das Team hat im Halbfinale aber nicht die Leistung der letzten Monate auf die Platte gebracht. Jetzt gilt es zu analysieren, warum das nicht der Fall war. Ein Grund mag gewesen sein, dass die Mannschaft in kurzer Abfolge in drei Wettbewerben gefordert war. Das war neu für uns. Darauf müssen wir uns in Zukunft einstellen.

Wie man hört, schließen Sie eine erneute Bewerbung Magdeburgs für die Endrunde nicht aus.
Die EHF hat uns auf jeden Fall dazu ermuntert. Und ich denke, mit den Erfahrungen von 2018 sollte man dies durchaus ins Auge fassen. Dazu ist es aber zunächst nötig, die dritte Qualifikationsrunde zu überstehen. Überdies: Auch die Füchse Berlin, die zweimal in Folge Gastgeber waren, haben es erst im zweiten Anlauf geschafft …

Die deutsche Dominanz in diesem Wettbewerb ist fast schon erdrückend. Drei der vier Finalisten waren, wie schon im Vorjahr, Bundesligisten. In den vergangenen 15 Jahren stellte Deutschland 14 Mal den Gewinner. Welche Zukunft hat eine solche Veranstaltung? 
Nach Aussagen der EHF besitzt sie ein großes Potenzial für die Zukunft. Für den europäischen Verband ist vor allem der Markt entscheidend. Und der ist in Deutschland nun einmal gegeben. Die Finalrunde 2018 bot, das sehen alle so, hochwertigen Handball. Deshalb könnte man sie durchaus als kleinen Bruder des Finalturniers der Champions League bezeichnen.

Nun kamen nach dem Turnier Stimmen aus Berlin, die sehr irritierten. Da empörten sich Manager Hanning und Präsident Scheffel darüber, die Pfiffe im Finale gegen die Füchse seien erschreckend gewesen. Für ihr Team wäre es ein Spießrutenlauf gewesen. Ja, Magdeburg habe sich für weitere Turniere dieser Art disqualifiziert. Was ist Ihre Antwort darauf?
Unser Präsident Dirk Roswandowicz hat darauf schon reagiert, indem er feststellte, hier habe ein mündiges Publikum, übrigens einschließlich der Fans aus St. Raphael und Göppingen, entschieden, wem es seine Unterstützung schenke. Aus meiner Sicht sind die Berliner einfach schlechte Gewinner. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass Sympathien im Sport nicht befohlen werden können. Mich erstaunt schon, dass sich die Offiziellen der Füchse offenbar als letzte moralische Instanz des Welthandballs sehen. Emotionen gehören in unserem Sport einfach dazu, und wir beschweren uns auch nicht, wenn wir in Berlin ausgepfiffen werden.

Gab es seitens des europäischen Verbandes eine Reaktion auf die Berliner Intervention?
Überhaupt nicht. Die Föderation hat sich von der Stimmung an den beiden Tagen vielmehr sehr angetan gezeigt.

Das Turnier ist Vergangenheit. Wie fällt ein erstes Saisonfazit Ihrerseits aus? 
Das Turnier ist zwar vorbei, aber die Saison noch nicht ganz. Wir wollen auf jeden Fall in der letzten Partie unseren sehr guten vierten Rang in der Meisterschaft verteidigen. Dies wäre eine weitere Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Gelingt das, können wir mit der Saison unterm Strich zufrieden sein. Hinzu kommen noch zwei Teilnahmen an Pokalendrunden, dem deutschen Cup-Finale in Hamburg und eben dem EHF-Finale in Magdeburg. In der Meisterschaft, wo uns größere Ausfälle wie im Jahr davor die Niederlagen gegen Hannover und Minden erspart blieben, liegen wir diesmal vor solchen Teams wie Hannover, Kiel und Melsungen. Abgesehen davon, dass wir seit langem erstmals wieder vor Kiel stehen würden, dies sind alles Mannschaften, die vermutlich finanziell besser aufgestellt sind als wir.

Da wir gerade dabei sind: Wohin soll der Weg Ihrer Mannschaft in der kommenden Spielzeit führen?
Natürlich können wir nicht sagen, wir wollen Achter werden (lacht). Es gilt vielmehr, die Leistung aus dieser Saison zu bestätigen und uns wieder für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Personell wird sich außer dem bereits gemeldeten Zugang des schwedischen Nationalspielers Albin Lagergren im rechten Rückraum nichts weiter tun.

Auch nicht beim Gummersbacher Kreisläufer Moritz Preuss, der ab 2019 einen Vertrag beim SCM besitzt?
Natürlich wären wir daran interessiert, ihn schon im Sommer 2018 zu verpflichten. Aber wir akzeptieren die Vertragslage. Sollte sich aus Sicht des VfL etwas daran ändern, wären wir natürlich sofort gesprächsbereit. Fragen: Rudi Bartlitz

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