Zwei Premieren zum Start in die Rennsaison

Vier Jahre nach dem verheerenden Hochwasser präsentiert sich die Rennbahn im Herrenkrug wieder von ihrer schönsten Seite. 2017 neu: Mitteldeutsche Galoppserie und Lauf zur Amateur-Weltmeisterschaft der Jockeys.
Sattes Grün soweit der Blick reicht. Alte Baumalleen und saftige Wiesen neben der Galopprennbahn, das hat schon etwas. Nicht umsonst gilt das Magdeburger Geläuf als das prächtigste im Osten und als eines der schönsten seiner Art in ganz Deutschland. Lob kam in jüngster Zeit aus allen Teilen der Republik. „Ja, sie ist ein Sahnestück dieser Stadt geworden“, findet auch der Präsident des Rennvereins, Heinz Baltus. Er lehnt sich in seinem Bürostuhl hoch droben über der insgesamt  64 Hektar großen Parkanlage zufrieden zurück: „Es war ein hartes Stück Arbeit, das alles nach dem verheerenden Hochwasser von 2013 so wieder hinbekommen zu haben.“
Ein einfacher, übermannshoher  Holzstab nahe des Sattelplatzes signalisiert dem Besucher heute, wie hoch vor knapp vier Jahren das Wasser hier gestanden hat. Die Rennbahn war aus der Luft faktisch nicht mehr zu sehen, war vollkommen von den Fluten bedeckt. Der Hochwasserpegel lag bei über zwei Metern. Viele hielten es seinerzeit für unmöglich, auf dieser Anlage je wieder Rennen auszutragen. Schlamm und Morast, wohin das Auge blickte. Stallanlagen, Wettschalter und Sozialgebäude – alles stark in Mitleidenschaft gezogen.
Heute, im Mai 2017, präsentiert sich die Bahn in einem Top-Zustand.  Ein Kleinod. Über vier Millionen Euro wurden in die Anlage gesteckt, um die Spuren der Naturkatastrophe entlang des Elbufers zu beseitigen. In den von Grund auf renovierten Stallungen haben jetzt 84 edle Rösser Platz. Zwei Trainer, die insgesamt 20 Pferde betreuen,  haben sich an der Straße nach Biederitz  fest niedergelassen. „Wir hoffen, dass ihnen in den nächsten Jahren weitere folgen werden“, erklärte Marketingchef Jens Hitzeroth. Der Bau einer neuen Deichanlage – 1,20 Meter höher als vor der Flut – wurde rechtzeitig vor der neuen Saison abgeschlossen. „Ohne sie“, so hatte schon vor Jahresfrist der Präsident und gelernte Wasserbau-Ingenieur eingeräumt, „wäre es für den Galoppsport im Herrenkrug auf lange Sicht aussichtlos geworden.“
Nun stürzt sich also die kleine Mannschaft des Rennvereins (Baltus: „Im Kern sind es ein Hauptamtlicher und fünf Ehrenamtliche, die hier die Zügel in der Hand haben.“) wieder ins Turf-Geschehen. Sechs Renntage haben sie für dieses Jahr geplant, zwei mehr als anno 2015. Und der, zumindest gefühlte, Höhepunkt steht unmittelbar bevor. Christi Himmelfahrt, diesen Feiertag, haben sich die Magdeburger Pferdefreunde seit jeher dick angekreuzt in ihrem Kalender. Da gehört es quasi zum guten Ton, draußen im Herrenkrug zu sein. „Das ist Jahr und Tag das Ereignis unseres Rennjahres“, sagt Hitzeroth. „Wenn das Wetter mitspielt, ist hier die Bude voll“, ergänzt Baltus. Heißt: Dann tummeln sich mehr als 5000 Besucher auf der Parkanlage.
Auch diesmal werden sie etwas zu sehen bekommen, was den speziellen Reiz Magdeburgs ausmacht: Eine Kombination von Galopp- und Trabrennen. „Als wir damit begannen, hat so mancher Rennexperte mild gelächelt“, erinnert sich Baltus. Doch die Magdeburger nehmen die Läufe der Traber mit ihren zweirädrigen Sulkys hervorragend an, gehen begeis- tert mit. „Manche Fahrer sagen mir, hier herrsche mehr Stimmung als selbst beim Deutschen Traberderby.“
Wenn der 64-Jährige Unternehmer aus Gerwisch  von den Höhepunkten der Saison auf der 1750 Meter langen Bahn spricht, erwähnt er neben Himmelfahrt und dem höchstdotierten Wettbewerb, dem mit 37.000 Euro dotierten Auktions-Rennen am Reformationstag,  vor allem zwei Neuheiten. Da ist zum einen die erstmals ausgetragene „Mitteldeutsche Galoppserie“. In ihr haben sich vier ostdeutsche Bahnen (Leipzig, Dresden, Magdeburg, Bad Doberan) und das angrenzende Bad Harzburg zusammengeschlossen. Zwischen Mai und September werden acht Rennen der neuen Serie ausgetragen, an deren Ende das beste Pferd sowie der erfolgreichste Trainer, Besitzer und Jockey geehrt (und zusätzlich prämiert) werden. Magdeburg ist am 26. Juni und 9. September Austragungsort. Baltur: „Mit der Serie wollen wir einen zusätzliche Anreiz für ostdeutsche Trainer und Besitzer schaffen. Wir versprechen uns davon ebenso, die Identität des Ostens ein wenig zu stärken.“
Zweite Neuheit: Erstmals trägt Magdeburg einen Lauf zur Jockey-Amateur-Weltmeisterschaft aus.  Und zwar, darauf legt der Präsident besonderen Wert, der Amazonen. Am 9. September werden sich also zwölf weibliche Jockeys im Herrenkrug in den Sattel schwingen. Das Wort Weltmeisterschaft ist dabei nicht nur so daher gesagt: Neben Reiterinnen aus Europa werden auch Frauen aus den USA,  aus Australien und dem Oman im Herrenkrug  ihre Rösser in die Startmaschinen schieben. „Am Vorabend des Rennens werden wir die Ladies zu einem Bankett laden“, so Baltus. „Mit diesem Event, da bin ich sicher, wird der Standort Magdeburg weiter aufgewertet.“
Apropos Standort. Wie sieht der Präsident die - von einigen schon in dunklen Farben beschriebene - Zukunft des Galoppsports? „Wir haben eine Zukunft, wenn wir den Kurs, den wir in Magdeburg schon seit einiger Zeit eingeschlagen haben, konsequent fortsetzen: nämlich uns familienfreundlich präsentieren. Wir wollen und müssen vor allem für jüngere Familien noch attraktiver werden.“ Soll heißen: Abseits des Kampfes der edlen Vollblüter um Sieg und Platz, abseits des Wettbetriebes will die Bahn im Grünen immer mehr zu einem Erholungsfaktor der Magdeburger werden; für die der Herrenkrug übrigens schon um 1900 beliebtes Ausflugsziel war. Dazu gehören familienfreundliche Preise (Tickets sieben Euro, für Kinder bis zwölf ist der Eintritt frei) ebenso wie diverse Attraktionen wie Hüpfburg und Karussell. „Alles ohne zusätzliche Kosten“, so Marketingmann Hitzeroth. „Ja“, bekräftigt der Präsident, „der Galoppsport hat eine Zukunftschance, wenn er von den richtigen Leuten in die richtige Richtung bewegt wird: Also weg von der puren Zockerei, hin zu den Familien.“ Rudi Bartlitz

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