Zaster gegen Atmosphäre
Wer besitzt die beste zweite Fußball-Liga der Welt: England oder Deutschland? MAGDEBURG KOMPAKT sucht in einem interessanten imaginären Wettbewerb nach Antworten.
Ist sie es nun – oder ist sie es nicht? Die auf den ersten Blick zunächst kryptisch anmutende Frage erhält einen sehr realen Hintergrund, wird sie in ihrer vollen Länge gestellt: Ist die zweite Fußball-Bundesliga inzwischen tatsächlich die stärkste zweite Liga der Welt? Oder kommt dieses Prädikat immer noch, wie eine Reihe Fachleute weiter steif und fest behauptet, dem englischen Pendant zu? Nicht nur am Rande: Traditionelle Kicker-Nationen wie Spanien, Italien oder Frankreich sind in diesem Wettbewerb außen vor, kommen mit ihren zweiten Spielklassen, geht es um die Top-Position, gar nicht erst in nähere Betrachtung.
Die „Spieglein, Spieglein“-Frage, wer denn nun die Beste, die Schönste, die Stärkste, die Attraktivste sei, wird auch unter hiesigen Fans gelegentlich diskutiert, seit die Blau-Weißen im Spätsommer 2018 erstmals in dieser Spielklasse ihre Visitenkarte abgaben. MAGDEBURG KOMPAKT ist der Sache nachgegangen und versucht, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
THESE EINS: Die zweite Bundesliga nimmt unter den konkurrierenden Spielklassen Europas – und nur die vom alten Kontinent kommen für Spitzenpositionen in einem Ranking überhaupt in Frage – den ersten Rang ein.
Überzeugendstes Argument dafür ist die überragende Zuschauerresonanz in Deutschland. Da kommt kein anderes Land heran, nicht einmal England. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es hierzulande in der Spielzeit 2017/18 einen Rückgang auf einen durchschnittlichen Zuschauerzuspruch von 17.473 pro Begegnung gab. Der Rückgang erklärt sich allein aus der unterschiedlichen Zusammensetzung der Liga. Mit Ingolstadt und Darmstadt waren kleinere Orte hinzugekommen, die die Zahlen erheblich drückten. Bereits in der jetzt laufenden Saison, in der die beiden einstigen Bundesliga-Dinos 1. FC Köln und Hamburger SV mit ihren zuweilen 50.000 und mehr Besuchern mitmischen, wird sich die Publikums-Resonanz wieder stark verbessern.
Im Jahr davor meldete die deutsche Liga nämlich noch 21.560 Ticketkäufer pro Partie. Damit war sie sogar besser besucht als die höherklassige französische Ligue 1 (21.080) und kam in die Nähe von Italiens einst glanzvoller Serie A (22.007). Andere deutsche Bundesligen im Basketball, Handball oder Eishockey landeten im direkten Vergleich weit abgeschlagen. Die meisten Zuschauer zog übrigens der VfB Stuttgart an, durchschnittlich 50.717 pro Heimspiel. Damit gehörten die Schwaben zu den 20 bestbesuchten Clubs Europas – und das als Zweitligist.
Noch ein schlagender Beweis für die Attraktivität der zweiten Bundesliga: Vier ihrer Klubs, so errechneten es die spanischen Experten für Sport-Management von „Deportes & Finanzas“, stehen bei der durchschnittlichen Zuschauerzahl unter den besten zehn Teams Europas. Ganz vorn der HSV mit 50.208 Besuchern. Dahinter folgt mit dem 1. FC Köln (48.100 Zuschauer) ein weiterer deutscher Verein. Erst auf Rang drei folgt der beste englische Verein (Leeds United/32.492). Der FCM landete auf einem bemerkenswerten 23. Platz in Europa (20.917 Besucher).
Weil seit Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Erstligavereine wie Eintracht Frankfurt, Kaiserslautern, Köln oder Mönchengladbach ab- und nur teilweise wieder aufstiegen (in diesem Jahr kam sogar der als unabsteigbar geltende Hamburger SV hinzu) und viele neue, moderne Stadien hinzugekommen sind (im Osten u.a. in Dresden, Magdeburg und Aue), wuchs das Interesse an der zweiten Liga beträchtlich. Seit einigen Jahren etablieren sich ostdeutsche Vereine wie Union Berlin oder Dynamo Dresden in der Liga. Auch deren viele Fans tragen – ebenso wie die des FCM seit August 2018 – zum Erfolg der Liga bei. Und weil mit dem 1. FC Magdeburg noch ein weiterer Publikumsmagnet aufgestiegen ist, kündigt sich ein neuer Zuschauerrekord an. Die Bestmarke von 21.700 Besuchern pro Spiel aus der Saison 2016/2017 könnte fallen.
Vorbei sind auch die Zeiten, da das deutsche Unterhaus als Armenhaus tituliert wurde. Die zweite Bundesliga erwirtschaftet heute weitaus mehr als in den Niederlanden, Schweden oder Österreich die ersten Ligen. Bei den ökonomischen Kennzahlen ist der deutsche Unterbau auch gegenüber Spanien, Italien oder Frankreich und deren Unterbau unerreicht. „Wir haben die stärkste zweite Liga in Europa“, sagt einer, der es wissen sollte: Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL). Und auch diese Prognose erscheint nicht als besonders gewagt: Mit den beiden Krösussen Köln und HSV wird die Liga in der kommenden Spielzeit so viel Geld umsetzen wie nie zuvor.
Zum dritten Mal in Folge, so geht aus dem jetzt vorgelegten Wirtschaftsbericht 2019 der Bundesliga hervor, lag die Bilanzsumme der 2. Bundesliga 2017/18 bei mehr als 400 Millionen Euro. Mit 420,5 Millionen Euro erreichte sie den dritthöchsten Wert in der Geschichte. Eine besonders erfreuliche Entwicklung war beim Eigenkapital auszumachen, das auf 69,8 Millionen Euro angehoben werden konnte und somit weit mehr als den vierfachen Wert im Vergleich zum Vorjahr (15,5 Millionen Euro) erreichte.
THESE ZWEI: England ist für Fußballklubs nach wie vor der lukrativste Markt überhaupt, auch für Zweitligisten.
Reduziert man es allein auf die ökonomische Macht, ist die zweite englische Division, die offiziell den Titel „The Championship“ trägt, zweifellos nach wie vor das Beste, was die Welt zu bieten hat. Vor allem die enormen TV-Gelder schlagen hier zu Buche. Die Klubs der Premier-League kassieren in diesem Jahr 2,3 Milliarden Euro pro Saison, haben in den zurückliegenden fünf Jahren ihre Einnahmen fast verdoppelt (die Bundesliga liegt bei durchschnittlich 1,16 Milliarden Euro pro Saison bis 2021). Entsprechend fällt auch der Reibach aus, den die Liga darunter aus Geldern der Pay-TV-Abonnenten zieht. Allein die Absteiger aus der ersten Spielklasse erhalten in England im ersten Jahr in der neuen Umgebung einen sogenannten Fallschirm-Betrag von bis zu 50 Millionen Euro – um die Härten des tiefen Falls in untere Gefilde weich abzufedern.
Wie der international renommierte Wirtschaftsdienstleister Deloitte in seinem jährlichen Bericht zu den weltweiten Fußballfinanzen 2017 feststellte, generierten die englischen Zweitligisten 2016/17 Erlöse von 745 Millionen Euro. Das ist ein Wachstum von vier Prozent. In den Schatten gestellt wird das reine Wachstum allerdings vom deutschen Konkurrenten. Der lag zuletzt bei satten 14 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind das 529 Millionen Euro, die erwirtschaftet wurden. Der Abstand zum englischen Pendant wurde so auf 216 Millionen Euro verringert.
Noch etwas ist bemerkenswert: Eine Summe von 228 Millionen Euro garantierter Zusatzeinnahmen über drei Jahre erwarteten Deloitte zufolge die Aufsteiger aus der Championship in die Premier-League – ein Wert, der auf über 389 Millionen Euro anwachsen könnte, sollten sich die Aufsteiger für mindestens eine weitere Premier-League-Saison qualifizieren. Diese finanziellen Anreize verleiteten die Clubs aus Englands zweiter Liga dazu, Investitionen in die Zukunft zu tätigen, obwohl diese in der aktuellen Liga nicht erwirtschaftet werden können. Die Clubs gaben im Untersuchungszeitraum also allein für ihr Personal mehr Geld aus, als sie an Erlösen erwirtschafteten. Die Clubs der 2. Bundesliga verbuchten dagegen einen Anteil der Gehaltskosten am Gesamtumsatz von lediglich 47 Prozent.
Ein Plus sind die teils exorbitant hohen Gehälter, die in der Championship gezahlt werden. Laut „Daily Mail“ liegt das durchschnittliche Jahres-Grundgehalt eines englischen Zweitliga-Spielers bei rund 750.000 Euro und damit um einiges höher als das der spanischen Erstligisten (ohne Barcelona, Real, Atlético Madrid, Valencia und FC Sevilla), das bei rund 650.000 Euro angesiedelt ist. Damit dürften die reicheren Vereine der Championship selbst Bundesliga-Klubs wie Freiburg, Mainz oder Augsburg locker übertrumpfen. Der durchschnittliche Marktwert eines Spielers wird in England mit 1,84 Millionen Euro angegeben, in Deutschland sind es 802.000 Euro. Der schwedische Ex-Nationalspieler Martin Olsson formulierte es so: „Gewisse Klubs in der Championship bezahlen mehr Geld, als in der Serie A oder in Frankreich gezahlt wird. Natürlich ist das mit ein Grund, warum viele Spieler dorthin gehen.“ Im Gegenzug sei der Job in der 2. Liga ein vergleichsweise einfacher: „Die Qualität dort ist nicht so hoch wie in der Premier-League. Wenn du ein bisschen denkst und nicht nur kopflos herumrennst, hast du dort ziemlich wenig Stress.“
Und was die Tradition betrifft, ist die Insel ohnehin nicht einzuholen. Seit 1892 besteht dort die zweite Liga, sie ist also rund 80 Jahre älter als ihr Pendant südlich der Nordsee. Die Organisation The Football League, aus der letztlich auch die Championship hervorging, wurde bereits 1888 ins Leben gerufen, war damit die erste professionelle Fußball-Liga der Welt. Derzeit spielen in der Championship Traditionsvereine wie Leeds United, Norwich City, Aston Villa, Sheffield United oder Birmingham City. Sie allein geben ihr ein besonderes Flair.
FAZIT: Für einen direkten sportlichen Vergleich der Klubs aus beiden Ländern fehlt jeglicher Maßstab, da Vertreter aus diesen Ligen nicht in internationalen Wettbewerben dabei sind. England hat bei der Nachwuchsförderung in den letzten Jahren enorm aufgeholt (und Deutschland in gleichem Maß an Boden verloren). Verbunden mit der augenblicklich überlegenen Wirtschaftskraft – selbst wenn in Deutschland mit den Finanzen offenbar vernünftiger umgegangen wird – sollten die Inselfußballer im fiktiven Wettbewerb derzeit hauchdünn vorn liegen. Noch. Rudi Bartlitz