„Unser Sport braucht Typen“

SCM-Manager Marc Schmedt. Foto: Peter Gercke

SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt über Lehren aus der Handball-WM 2019, die Suche nach prägenden Typen und weiterem Wachstumspotenzial.

Die Heim-Weltmeisterschaft hat den Handball hierzulande nicht nur mit Macht ins Blickfeld einer großen Öffentlichkeit gerückt, sondern eine riesige Begeisterungswelle und einen Zuschauerboom ohnegleichen ausgelöst. Strebt die schnelle Mannschaftssportart diesmal also rosigen Zeiten entgegen, nachdem es 2007 trotz WM-Titels und deutschem „Wintermärchen“ nicht gelungen war, der Sportart einen anhaltenden Aufschwung zu bescheren? MAGDEBURG KOMPAKT sprach darüber mit SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt.

Einfach gefragt: Wie gelingt es, die Fehler von 2007 möglichst zu vermeiden und den Handball weiter in den Schlagzeilen zu halten?

Marc Schmedt: Ich denke, die Voraussetzungen, den unübersehbaren Erfolg dieser WM in den Alltag zu übertragen, sind diesmal einfach andere als vor zwölf Jahren. Sie sind meiner Auffassung nach in zweierlei Hinsicht besser. Zum einen ist das, lassen Sie es mich gesellschaftliches Klima nennen, für den Handball ein anderes als damals. Weite Kreise der Bevölkerung sind für den Handball und die Werte, die er verkörpert, empfänglicher geworden. Das hat vor allem etwas mit der Art zu tun, wie unser Sport ausgetragen wird. Dabei spielen Begriffe wie Bodenständigkeit, Ehrlichkeit, Fairness und Fan-Verbundenheit eine große Rolle. Wir sind familienfreundlich und ein Sport zum Anfassen, hier stehen nicht Wahnsinns-Ablösesummen und andere Entartungen des Profisports im Vordergrund.

Und der andere Grund für Ihren Optimismus?

Die Situation auf dem Fernsehsektor. Wir haben heute, im Gegensatz zu 2007, einen TV-Vertrag mit dem Bezahlsender Sky sowie mit ARD und ZDF. Gerade von den Öffentlich-Rechtlichen versprechen wir uns viel. Je mehr sie unsere Sportart übertragen, umso größer das Interesse beim Publikum, bei den Sponsoren. Dabei geht es uns gar nicht so sehr um massenhafte Live-Übertragungen, als vielmehr eine regelmäßige Einbindung des Handballs in die regulären Sportsendungen. Mit dem MDR haben wir da bereits gute Erfahrungen gemacht. Ich wünsche mir, dass ARD und ZDF den Ball jetzt aufnehmen.

Nun ist Magdeburg sicher eine jener Bundesliga-Städte, die sich um das Interesse am Handball am wenigsten Sorgen machen muss.

Richtig, wir haben eine jahrzehntelange Tradition und ein überaus begeisterungsfähiges Publikum. Das ist sicher ein Standortvorteil. Unsere Halle ist im Jahresschnitt zu mehr als 90 Prozent ausgelastet. Und dennoch sehen auch wir uns beim SCM in der Verantwortung, den Handball-Aufschwung in Deutschland möglichst anhaltend zu gestalten.

Auf welchen Feldern?

Zuallererst natürlich indem wir gute Spieler für die deutsche Nationalmannschaft entwickeln. Aber es geht noch um etwas anderes. Denn wenn die WM uns etwas nachdrücklich vor Augen geführt hat, dann dies: Unser Sport braucht Typen. Jungs, die über den doch enger begrenzten Kreis der Handballbegeisterten hinaus in Deutschland bekannt sind. Die für Gesprächsstoff sorgen, mithin den Handball populär machen. Da sehen wir uns als Verein schon in der Pflicht, solche Gesichter zu entwickeln.

An wen denken Sie da vorrangig?

Natürlich zuerst an unseren Nationalspieler Matthias Musche, aber auch an unseren dänischen Weltmeister-Torhüter Jannick Green und Spielmacher Christian O’Sullivan vom Vize-Weltmeister Norwegen. Matthias würde ich angesichts seiner schon heute großen Beliebtheit sogar zutrauen, im deutschen Handball und speziell in Magdeburg einmal zu einer solchen Leitfigur wie Stefan Kretzschmar werden zu können.

Nun ist es leicht gesagt, Typen zu entwickeln. Wo sehen Sie denn die Möglichkeiten des Vereins, zur Formung solcher Persönlichkeiten beizutragen?

Wir stehen ja nicht nur vor der Aufgabe, mit vielfältigen Mitteln Spielertypen zu entwickeln, zum Beispiel durch Anbahnung von Medienterminen wie die Teilnahme an TV-Talkshows, sondern sie ebenso vor bestimmten Sachen zu schützen.

Wovor muss denn ein SCM-Handballer geschützt werden?

Zum Beispiel davor, vielleicht ein Angebot anzunehmen und dann mit einer zur Verfügung gestellten Luxus-Karosse im Kreis um den Hasselbach-Platz zu fahren. Das möchte ich nicht. Weil es unserem Ansinnen, eine Sportart zum Anfassen zu sein, abträglich wäre.

Eine Ihrer Forderungen lautet seit Langem, den Handball noch familien- und frauenfreundlicher zu machen. Sehen Sie darin ebenso ein Indiz dafür, der Sportart einen weiteren Aufschwung zu verleihen?

Auf jeden Fall. Gerade in den Familien liegt ein großes Wachstumspotenzial des Handballs. Für sie wollen wir noch mehr tun. Erfreulich ist für mich auch, dass heute schon ein Drittel aller SCM-Dauerkarteninhaber Frauen sind. Auch diese Entwicklung wollen wir weiter fördern.

Bei allem Lob, den Machern des Handballs wird und wurde, auch während der WM, vorgehalten, sich zu sehr den deutschen Wurzeln dieses Sports zuzuwenden. Mithin zu wenig Akteure mit Migrationshintergrund in den Vereinen zu haben.

Genau mit diesem Thema hat mich eine überregionale Tageszeitung während der WM konfrontiert. Ich habe geantwortet, es sei nun einmal Tatsache, dass in den Ländern, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen, Handball kaum bekannt sei. Wenn es einen Sami Khedira, einen Leroy Sané oder einen Ilkay Gündogan des Handballs gäbe, wir würden sie mit Kusshand nehmen. Zudem waren Spieler aus dem Ausland wie Joël Abati oder ein Bartosz Jurecki hier zu Recht absolute Publikumslieblinge, natürlich ohne klassische Migranten zu sein. Wir sind, das möchte ich nicht nur am Rande hinzufügen, absolut offen. Im Bundesliga-Team des SCM spielen zurzeit Akteure aus neun verschiedenen Nationen erfolgreich miteinander. Und in der Geschäftsstelle leistet eine syrische Mitarbeiterin ausgezeichnete Arbeit. Fragen: Rudi Bartlitz

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