Krämer: Kein Beamtenfußball

Stefan Krämer bei Auftakttraining mit dem neuen Kader für die 3. Liga. Er war in Cottbus, Erfurt und zuletzt in Uerdingen tätig. Foto: Gercke

Stefan Krämer heißt der neue Cheftrainer des 1. FC Magdeburg. Er ist ein Mann mit vielen Facetten. So verfügt er über Ost-Erfahrung und kennt die Spielklasse. In der neuen Saison soll er den Zweitliga-Absteiger wieder aufrichten.

Neuer Trainer, neues Glück. Eine jahrzehntealte Kicker-Weisheit, gewiss. Dennoch glauben noch immer viele Fußballer an sie. Manche mehr, manche weniger. Auch beim 1. FC Magdeburg. Diejenigen allerdings, die da gedacht hatten, der neue Coach Stefan Krämer werde sich bei seiner Premiere erst einmal vorstellen, so eine Art Schnupperkurs einlegen und alles etwas geruhsam angehen lassen, sahen sich gewaltig getäuscht. Zwei knüppelharte Einheiten, vormittags und nachmittags: Es ging gleich richtig zur Sache. An seinem ers-ten Tag hatte der „Neue“ jedenfalls schon mal ein kleines Achtungszeichen gesetzt.

Wer ist nun dieser Mann, der die Blau-Weißen nach dem Abstieg in die dritte Liga wieder aufrichten, aus einer bunt zusammengesetzten Truppe – die Besten sind größtenteils weg, aus dem Zweitliga-Team nur noch 11 Akteure übrig, 13 neue kamen hinzu – eine Einheit formen soll? Der 52-jährige gebürtige Mainzer sorgte im deutschen Fußballgeschäft erstmals richtig für Furore, als er als Novize (2009 Jahrgangsbester der Weisweiler-Trainer-Akademie) Arminia Bielefeld vier Jahre darauf in einem Parforce-Ritt bis in die zweite Liga führte. Bei seinem Amtsantritt im November 2011 war der Verein noch Tabellenletzter in der dritten Liga gewesen, nur 18 Monate später wurde der Coach in Ostwestfalen als Aufstiegsheld gefeiert.

Krämer gilt gemeinhin als akkurater Arbeiter, manche nennen ihn Feuerwehrmann, und ein Motivationskünstler ist er obendrein. Einer, der mit seinem wuseligen Lockenschopf an der Außenlinie ständig in Bewegung ist. Einer, der sowohl die dritte Liga wie den Ostfußball aus jahrelanger Arbeit sehr gut kennt. Hinter Peter Vollmann und Pavel Dotschew rangiert er in einer Liste der meisten Drittliga-Einsätze mit 200 Begegnungen immerhin auf Platz drei. Bei Energie Cottbus und Rot-Weiß Erfurt konnte er in mehr als drei Jahren Trainertätigkeit die Liga und die, wenn es sie denn gibt, Ost-Problematik zur Genüge kennenlernen. Von seinen Jungs fordert er, wie er bei seiner Vorstellung in Magdeburg betonte, einen „mutigen und offensiven“ Fußball. Auf „Beamtenfußball“ jedenfalls habe er „wenig Bock“.

Trotz eines Studiums an der Sporthochschule Köln galt der FCM-Neucoach in der Szene lange Zeit als eine Art Seiteneinsteiger. Dazu trug wohl bei, dass er nebenbei als Versicherungsvertreter und als DJ tätig war. Kein Mainstream, hauptsächlich Independent. Mit Schlagern oder Techno konnte er wenig anfangen. Sein Musikgeschmack war sogar bei seinen Spielern „gefürchtet“. Bei der Bielefelder Aufstiegsfeier durfte er nicht an die Plattenteller. „Die Jungs wussten“, erzählte er später einem Magazin, „was aus meiner Trainerkabine herausschallt und sagten deshalb schon im Vorfeld: ‚Lasst den bloß nicht auflegen!‘“

Krämer ist einer, das wird schnell deutlich, der wie sein Vorgänger Michael Oenning viel Wert auf Kommunikation legt. Mit seinen Spielern, mit dem berühmten Umfeld. Deshalb, sagt er, werde er auch nicht pendeln, sondern seinen Wohnsitz nach Magdeburg verlegen. „Und zwar nicht irgendwo an die Peripherie, sondern gern auch mitten in Magdeburg. Ich möchte einfach die Stimmung in der Stadt mitbekommen.“ Er sei da „keineswegs empfindlich“, wenn er nach einem möglicherweise weniger guten Spiel daraufhin beim Bäcker angesprochen werde. Es kann also sein, dass man Krämer demnächst mit seinen beiden Golden Retrievern „Sam“ und „Neo“ irgendwo in der Landeshauptstadt antrifft: „Entlang der Elbe wird sich schon eine schöne Strecke für unsere Spaziergänge finden …“

Was auffällt, wenn man mit dem Coach, der in Magdeburg einen Zweijahres-Vertrag besitzt, redet: Auf ein festes Saisonziel lässt er sich nicht festlegen. Was sicher kein Zufall ist. Ob Vorsicht oder pures taktisches Kalkül dahinterstecken, das muss sich noch zeigen. „Mit dieser Mannschaft“, so viel sagt er zumindest, „kann man sehr viel erreichen.“  Zunächst gelte es jedoch, ein Team zu werden, das diesen Namen auch verdient. Und er fordert Disziplin ein: „Wenn wir etwas vorgeben, sind das keine Vorschläge. Dann ist es Gesetz.“ Was er den FCM-Fans („Die haben, das weiß ich, ein feines Gespür für Fußball, mit 70 Prozent Leistung sind sie zu Recht nicht zufrieden“) verspricht, ist dies: Leidenschaft und konsequentes Spiel nach vorn.

Und auch auf einen (oder mehrere) Aufstiegsfavoriten will sich Krämer ebenso wenig festlegen. „Viele Teams wollen hoch. Gerade die Absteiger haben in jüngster Zeit ihre Probleme in der neuen Spielklasse gehabt.“ Er warnt: „Wer nicht dazu bereit ist, in jeder einzelnen Partie an sein Limit zu gehen, wird auch nichts reißen. Jedes Spiel – und das ist keine Floskel – stellt dich vor viele Fragen, auf die du Antworten finden musst. Dabei ist es ganz egal, ob man gegen den Spitzenreiter oder den Tabellenletzten spielt.“

Wer über Krämer schreibt, kommt, ob er will oder nicht, an der Story mit dem Tattoo kaum vorbei. Auf seiner linken Brust prangt eine große Tätowierung: das Arminen-Emblem. Er ließ es sich nach einer Aufstiegswette in Bielefeld stechen. „Probleme habe ich bei den späteren Vereinen damit jedenfalls nicht gehabt“, lacht er. Ob er in Magdeburg, Erfolg freilich vorausgesetzt, Ähnliches plant, lässt er offen: „Man könnte ja über etwas anderes Besonderes nachdenken …“ Rudi Bartlitz

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