Investoren – Fluch oder Segen?

Eine Meldung aus Berlin, die manche Blätter nicht zufällig im Wirtschaftsteil  platzierten, ließ dieser Tage aufhorchen. Weniger die Unternehmenswelt denn die Freunde des runden Leders. Denn  Investor Lars Windhorst mit seiner Tennor Holding hat dem Bundesligisten Hertha BSC, hieß es da, weit mehr Geld in Aussicht gestellt als die bisher ohnehin schon vorgesehenen 225 Millionen Euro. Das sorgte für Aufsehen, ebenso wie die Ankündigung des durchaus umstrittenen Geldgebers, den Hauptstadtklub auf längere Sicht zu einem Milliardenverein machen zu wollen.

Was steckt dahinter? Werden jetzt, fragen Kommentatoren schon besorgt, etwa auch deutsche Klubs zunehmend zur Spielwiese zwielichtiger Geldleute samt deren zuweilen höchst undurchsichtigen Finanzinstrumenten. Bisher galt die Bundesrepublik, im Gegensatz zu England, Frankreich und Italien etwa, nicht als vorrangiges Beuteschema von Großinvestoren, Milliardären verschiedenster Couleur aus Nahost, China und den USA oder von Hedgefonds und deren Anlagestrategien. Eigentlich verwunderlich angesichts der Tatsache, dass die schwarz-rot-goldene Republik nicht nur Europas größten Sportmarkt darstellt, sondern auch die leistungsstärkste Volkswirtschaft des Kontinents verkörpert.

Verlockungen, zwischen Nordsee und Alpen mit dem Wirtschaftszweig Fußball, der er unbestritten ist, richtig Geld zu verdienen, hat es immer schon gegeben. Und wird es weiter geben, wie der aktuelle „Fall Windhorst“ zeigt. „Das ist keine verrückte Idee von mir, sondern es steht eine bestechende wirtschaftliche Logik dahinter, die sich auf Dauer erheblich auszahlen wird“, sagte Windhorst zu seinem Hertha-Engagement. „Selbst wenn es nicht nur 225 Millionen, sondern viele hundert Millionen Euro kosten würde, hätten wir am Ende trotz des erheblichen Mehreinsatzes einen Wert geschaffen, der im Milliardenbereich liegt.“ Einen „Wert geschaffen“, fragt sich für wen. Allerdings: Eine Stimmenmehrheit im Fußballklub wird Windhorst, wie andere Investoren auch, trotz seiner Millionen derzeit noch nicht erhalten. Das verhindert die berühmte 50+1-Regel (siehe Info-Kasten). Aber einige (viel kritisierte) Ausnahmen existieren dennoch bereits. Das gilt für eng an Unternehmen gekoppelte Vereine wie Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg ebenso wie die von Milliardären aufgepäppelten TSG Hoffenheim und RB Leipzig.

Zugleich mehren sich Stimmen, die den deutschen Fußball wegen der Investorensperre im internationalen Wettbewerb erheblich im Nachteil sehen. Natürlich sind einige Argumente der Freigabe-Befürworter nicht von der Hand zu weisen. Wenn es nicht gelingt, behaupten sie, den Strom weltweit marodierender Geldmengen über Investoren auch nach Deutschland zu lenken, würde es angesichts der galoppierend ansteigenden Transfersummen absolute Top-Spieler kaum nach Deutschland locken, bzw. sie hier halten. In größerem Maßstab gedacht: Deutschlands Fußball drohe international den Anschluss zu verlieren. Das jüngste unbefriedigende Abschneiden der  Bundesligisten in den europäischen Wettbewerben und das Debakel der Nationalmannschaft bei der WM 2018 dienen dabei als schlagkräftige Beweise. Außer von sportlicher Seite wird die Sperrklausel zunehmend wirtschaftsrechtlich angegangen. Von „einer unerlaubten Investorenbeschränkung und vom Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung” ist da die Rede. Die Drohung mit dem Kartellamt steht im Raum. Noch aber haben die Traditionalisten in Deutschland die Oberhand. Noch hält die 50+1-Regel den Angriffen stand. Erst im vergangenen März hatte sich die Mehrheit (18 von 34) der deutschen Profiklubs überraschend für die Beibehaltung der Sperrklausel ausgesprochen. Getreu dem Motto: Keine Macht den Investoren.

Alles, was bisher gesagt wurde, gilt mehr oder weniger für Vereine, die seit Jahrzehnten in der Bundesliga zu Hause sind. Für diejenigen aus dem Osten, die erst nach der Wende dazu stießen, machte es die eigene dünne Finanzdecke nachgerade unmöglich, sich in der Eliteliga zu etablieren. Die Stoßgebete, Gott möge doch bitte einen Inves-tor vorbeischicken, waren und sind nicht zu überhören. Es gibt genügend Leute, die etwas von der Sache Fußball verstehen und es obendrein noch gut mit dem Kickerwesen im Osten meinen, die nahezu übereinstimmend erklären: Wenn ein Klub es bis in die Spitze der ersten Liga oder sogar ins internationale Geschäft schaffen wolle, dann gehe es gar nicht ohne Investoren. RB Leipzig könnte so etwas wie das Muster für diese Geschichte sein.

Geht man allein vom Sportlichen aus, dann könnte RB durchaus als positives Beispiel für das Wirken eines Finanziers gelten. Seit die Red Bull GmbH des österreichischen Dosenmilliardärs Dietrich Mateschitz, der vorsichtigen Schätzungen zufolge etwa 150 Millionen Euro investierte, im Jahr 2009 beim Fünftligisten Markranstädt einstieg, ging es für den in Rasenballsport Leipzig umbenannten Verein sozusagen im Schweinsgalopp durch die Ligen - bis nach ganz weit oben. Bis in die Champions League. „Das lag nicht nur an üppigen Etats, sondern auch am planvollen und kompetenten Vorgehen der Verantwortlichen“, lobte die „Frankfurter Allgemeine“. Dennoch ist der Klub unter Fans umstritten bis verhasst, weil er durch seine besondere Vereinsstruktur die 50+1-Regel praktisch umgeht.

Doch für Geldgeber stellt die erste Bundesliga noch längst nicht das Ende der Fahnenstange dar. Das zeigt ein aktueller Blick auf die dritthöchste Spielklasse. Mit 1860 München, KFC Uerdingen und Carl Zeiss Jena spielen drei Vertretungen mit, deren Wohl und Wehe mehr oder weniger von einem Investor weitgehend abhängt. Natürlich ist es verlockend, wenn plötzlich Millionen winken. München zahlte für Gelder des Jordaniers Hasan Ismaik jedoch einen hohen Preis. Die fast maroden Sechziger träumten anfangs noch von der Bundesliga, doch die Überweisungen aus Nahost vermochten den Fall in die dritte Liga nicht aufzuhalten. Weil Ismaik den Münchnern später weitere Zahlungen verweigerte, die für die Drittliga-Lizenz nötig gewesen wären, musste der frühere Bundesliga-Meister sogar für ein Jahr in der Regionalliga Bayern ran.

In Uerdingen, auch einst Bundesligist, ist es der kapriziöse Russe Michail Ponomarew, der den Klub in Atem hält, scheinbar nach Gutsherrenart herrscht. Mit seiner Hilfe gelang der Durchmarsch von der Oberliga in die dritte Liga. Für viele Euros wurden noch einmal teure Spieler verpflichtet. Sobald es allerdings nicht läuft (wie derzeit), fliegt der Trainer. Spieler klagen über ausstehende Gehälter. In Jena wiederum erhoffte man sich vom belgischen Multimillionär Roland Duchâtelet das große Fußball-Wunder. Mit dessen Millionen ging es immerhin in die dritte Liga. Duchâtelets Engagement ist allerdings umstritten. Er hält 49,98 Prozent der Stimmrechte, mischt sich immer wieder ins Tagesgeschäft ein. Er drohte mehrmals, sich zurückzuziehen – was für Jena finanziell mit der Insolvenz gleichzusetzen wäre. Das Ganze ließe sich auf folgende Faustregel herunterbrechen: Je kleiner und finanziell anfälliger ein  Klub ist, umso fataler die Folgen, sollte sich der Investor übernehmen oder ganz einfach die Lust an seinem Spielzeug verlieren.

Und wie sieht es eigentlich beim FCM aus? Angst, in Abhängigkeit von möglichen (künftigen) Investoren zu geraten, kursierte - wenn auch nur kurz - unter Mitgliedern im Februar 2017, als die Blau-Weißen ihre Profimannschaft in eine eigene Gesellschaft überführten. Es wurde jedoch eindeutig klargestellt, dass sich etwaige Investoren auch künftig  einer 75-Prozent-Sperrminorität in der Mitgliederversammlung gegenübersehen. Er kenne keinen Verein, sagte Aufsichtsrat Rolf Oesterhoff damals, bei dem die Mitglieder so viel Einfluss besitzen wie beim 1.FC Magdeburg. „Investoren wird beim FCM nicht Tür und Tor geöffnet.“ 

Aber es geht durchaus noch tiefer als Liga drei. Der Berliner Viertligist Viktoria 1889 muss sich ein bisschen wie im Märchen vorgekommen sein, als im Frühjahr 2018 plötzlich Abgesandte des Hongkonger Investor Alex Zheng vor der Tür standen und mit einem hohen zweistelligen Millionen-Betrag lockten. Das bittere Ende vom Lied: Einige Monate blieb das Geld aus - und der Klub musste Insolvenz anmelden. Viktoria war in der Regionalliga-Tabelle um einige Strafpunkte ärmer und um eine Erkenntnis reicher: Auch im Fußball werden Märchen nur selten wahr. Rudi Bartlitz

Die 50+1-Regel

Die 50+1-Regel im deutschen Fußball soll verhindern, dass Geldanleger die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften übernehmen, in die Vereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. Investoren dürfen also ungeachtet der Höhe ihrer Anteile letztlich nicht das entscheidende Sagen haben. Hintergrund: Viele Bundesligaklubs haben ihre Lizenzspielerabteilungen als Kapitalgesellschaften ausgegliedert, um so Investoren anzulocken. Die 50+1-Regel besagt ferner, dass Investoren in Deutschland nur die Mehrheit an einem Verein halten dürfen, wenn sie diesen mehr als 20 Jahre „ununterbrochen“ und „erheblich“ gefördert haben. In den anderen europäischen Top-Ligen gilt die 50-Plus-Regel nicht.

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