In memoriam Heinz Krügel

Am 27. Oktober vor zehn Jahren verstarb der beste Fußballtrainer, den Magdeburg je hatte. Eine Erinnerung an Heinz Krügel.

Der graphitfarbene Alte auf dem Denkmal vor der Magdeburger Arena versprüht Aufbruchsgeist. Und Kämpfertum. Der Pokal, den er im angewinkelten linken Arm hält, kündet von Siegen und Erfolgen. Von Triumphen, die einmalig sind in der Geschichte des DDR-Fußballs. Verbunden sind sie mit einem Namen, dem von Trainer-Legende Heinz Krügel.

Vor zehn Jahren, am 27. Oktober 2008, erlag der Mann, der schon zu Lebzeiten zu einer Legende geworden war, in seiner Wahlheimat Magdeburg einer schweren Krankheit. Krügel wurde 87 Jahre alt. Als man ihn einige Wochen später auf dem Westfriedhof zu Grabe trug, wollte die große Kapelle die Trauernden kaum fassen. Viele verharrten draußen auf den Stufen des Klinkerbaus. Sie alle waren gekommen, um Abschied von einem Mann zu nehmen, für den das Leben in der DDR viel Licht, aber fast noch mehr Schatten bereithielt.

Am nun bevorstehenden 10. Todestag wird der 1. FC Magdeburg direkt neben dessen Denkmal auf dem Stadionvorplatz einen kleinen Hain einrichten, an dem die Anhänger innehalten, Blumen und andere Erinnerungsgrüße niederlegen und des größten Trainers in der Geschichte des Vereins gedenken können. Der Klub selbst plant, vor der Zweitliga-Partie gegen den Hamburger SV (26. Oktober, 18.30 Uhr) auf dem Krügel-Platz seinen Ex-Coach zu würdigen. Seit einigen Monaten kündet bereits im Business-Bereich der MDCC-Arena eine Extra-Vitrine vom Wirken des Trainers.

Genau hier, im damaligen Grube-Stadion, feierte einst der 1. FC Magdeburg zwischen 1966 und 1976 unter Krügels Regie eine Reihe seiner größten sportlichen Triumphe. Genau hier aber stoppte, verhängt ausgerechnet in der Blüte seiner Karriere, ein willkürliches Berufsverbot Krügels Laufbahn als Trainer. Lebenslang. Im Fußball der DDR hat es kaum einen beklagenswerteren Vorgang gegeben. All jene fußballerischen Träume nach dem sensationellen Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1974 in Rotterdam gegen den AC Mailand: ausradiert, vorbei, Krügel durfte sie nach dem Willen der Herrschenden nicht mehr leben. Er wurde, weil er sich den DDR-Oberen nicht fügte, abgeschoben auf den Platz eines Objektleiters bei Motor Mitte Magdeburg. Dieser Willkürakt hinterließ einen – wenn man ganz genau hinschaute und hinhörte – gebrochenen Menschen.

Der Sachse mit dem stets verschmitzten Lächeln hatte es wie nur wenige andere verstanden, abgestiegene Mannschaften schnell wieder nach oben zu führen. Das gelang ihm mit Empor Rostock, mit Chemie Halle und 1967 dann auch mit dem 1. FC Magdeburg. Außerdem war er ein Mann der schnellen Erfolge: Rotation Leipzig wurde im ersten Krügel-Jahr Dritter, Rostock erreichte in Jahr zwei unter ihm das Pokalfinale, Halle wurde gar FDGB-Pokalsieger.

Sein vielleicht größtes Talent bestand jedoch darin, junge Talente regelrecht zu riechen und sie anschließend an die Spitze zu führen. In den zwei Jahren, die er die DDR-Auswahl betreute (1959 bis 1961), stellte er den sogenannten Baby-Sturm mit Jürgen Nöldner (19 Jahre), Peter Ducke (18) und Dieter Erler (21) zusammen. In Halle formte er Klaus Urbanczyk zu einem Top-Spieler von internationalem Rang, in Magdeburg schließlich holte er die Junioren-Talente Jürgen Pommerenke, Martin Hoffmann, Klaus Decker und Detlef Enge in seinen Kader, ebenso wie Dirk Stahmann, Siegmund Mewes, Axel Tyll, Jürgen Achtel und Bodo Sommer. Mit diesem Ensemble, sämtlich aus Spielern bestehend, die aus dem Bezirk Magdeburg kamen, gelang ihm Außergewöhnliches.

Gewiss, Krügel regierte mit harter Hand, war aber stets fair. „Bei mir gab es Zensuren. Wer eine vier oder fünf hatte, ist am Montag im Training zusammengebrochen. Wer eine eins hatte, durfte mit seiner Frau spazieren gehen", hatte er seine Philosophie einst erläutert. „Der Spieler“, dozierte er noch im hohen Alter und konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen, „muss stets den Daumen des Trainers an seiner Halsschlagader spüren.“

Während Trainer-West, die in ihrer Karriere international nie groß aufgefallen waren, sich später irgendwo auf Mallorca oder den Kanaren mindestens eines durchaus passablen eigenen Ferienhauses erfreuten, lebte Krügel bis zuletzt in einer kleinen, bescheidenen Plattenbauwohnung am Magdeburger Breiten Weg. Hier wuselte sein guter Geist, Ehefrau Else, durch die Küche und die niedrigen Räume. Hier war sein kleines Reich, sein Fußballreich. Devotionalien aus vielen Ecken Europas, Pokale, Artikel, persönliche Briefe kündeten von einer bewegten Laufbahn, die dann ein solch abruptes Ende nahm. Erst nach der Wende wurde er rehabilitiert. Um die Trainerlaufbahn fortzusetzen, dafür war es einfach zu spät. Seinem FCM, den er so liebte, ist er trotz allem, was er erdulden musste, als Sportdirektor, Repräsentant, Ehrenratsmitglied und regelmäßiger Zuschauer eng verbunden geblieben. Sozusagen als dessen „Elder Statesman“.

Vorschau: Mitte November erscheint bei MAGDEBURG KOMPAKT das Buch „Spielmacher“ (über 300 Seiten) mit Porträts über Persönlichkeiten, deren Wirken die Geschichte des 1. FC Magdeburg maßgeblich geprägt haben. Rudi Bartlitz

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