In eine neue Ära
In gut einer Woche beginnt die neue Saison in der Handball-Bundesliga – mit mancher einschneidenden Veränderung. Darüber und über Globalisierungsbestrebungen in der Sportart sowie über die Meisterschaftschancen des SCM sprach MAGDEBURG KOMPAKT mit SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt.
Wenn am 27. August die neue Spielzeit startet, ist das – so sagen Leute, die sich auskennen – keine Saison wie jede andere. Würden Sie diese Einschätzung teilen?
Marc Schmedt: Es stimmt, vor uns liegen Veränderungen und Entwicklungen, die es so in den zurückliegenden Jahren nicht gab. Das gilt gleichermaßen für die gesamte Liga wie den SCM.
Woran machen Sie das fest?
Zuallererst an den veränderten medialen Bedingungen. Mit dem neuen TV-Vertrag, den die Liga mit dem Bezahlsender Sky und den öffentlich-rechtlichen Anstalten geschlossen hat und der mit Saisonbeginn wirksam wird, treten wir in eine neue Ära ein. Sämtliche 306 Spiele der Liga, so der jetzige Stand, werden linear im TV zu sehen sein. Mit der Telekom bekommen wir zudem eine zusätzliche Plattform für unseren Sport hinzu. Für mich ist das ein weiteres Zeichen der Globalisierung auch im Sport, die neben Chancen natürlich auch Risiken mit sich bringt.
Was bedeutet das nun konkret für den Handball?
Unser Sport muss in dieser sich rasant veränderten Medienwelt seinen Platz finden. Und seine Rolle als Nummer zwei in den Ballsportarten hinter dem Fußball festigen, wenn möglich ausbauen und sein eigenes Profil weiterentwickeln.
Was muss man sich unter letzterem vorstellen?
Das heißt nichts anderes, als einen eigenen Weg zu gehen. Also uns als Sportart zum Anfassen zu präsentieren, die Nähe zum Publikum herauszustellen. Die Beziehungen zwischen Spielern und Zuschauern sind uns sehr wichtig. Wir wollen familienfreundlich sein. Kurzum: ein attraktives Angebot an alle Sportinteressierte sein.
Einige Bundesliga-Klubs haben nun befürchtet, dass veränderte TV-Zeiten, unter anderem Sonntagmittag, sie Zuschauer kosten könnten.
Für Magdeburg kann ich das bislang nicht bestätigen. Mit 4100 verkauften Dauerkarten liegen wir sogar über den Vorjahrszahlen. Ich sehe im neuen TV-Vertrag auch viele Chancen. Natürlich sind Anfangszeiten wie Sonntag 12.30 Uhr gewöhnungsbedürftig. Aber nach dem Spiel kann man beispielsweise immer noch in den Garten gehen (lacht). Wir in Magdeburg wollen den Sonntag auf jeden Fall zum Familientag machen. Dazu haben wir uns das eine oder andere in Sachen Unterhaltung und Gastronomie einfallen lassen.
Also alles paletti?
Das Positive des neuen Vertrages überwiegt. Der Handball tritt aus seiner bisher vor allem regionalen Wirkung heraus. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten werden in ihren überregionalen Programmen mehr über die Liga berichten, auch in Form von Nachberichterstattungen.
Sie haben das Stichwort Globalisierung angesprochen. Im Handball sind ernsthaft Stimmen zu vernehmen, die die Champions League weiter ausbauen, ja sie sogar durch eine europäische Liga ergänzen oder ersetzen wollen.
Eine Tendenz, die ich mit einer gewissen Sorge sehe. Eine Europa-Liga, wie auch immer strukturiert, würde zu Lasten der Verbände gehen, in Deutschland die nationale Liga auf jeden Fall schwächen. Wir sollten daher alles tun, die Liga hierzulande in ihrer Breite zu erhalten. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit, die gerade die deutsche Liga gegenüber Spanien, Polen oder Ungarn unterscheidet, muss erhalten bleiben. Es muss so bleiben, dass der Erste beim Letzten verlieren kann. Das macht die Sache so spannend und interessant.
Nun kann man nicht über Globalisierung reden ohne das Wort Geld in den Mund zu nehmen. Im Fußball erleben wir augenblicklich regelrechte Geld-Exzesse.
Natürlich müssen die Handball-Liga und ihre Klubs wirtschaftlich stark bleiben. Aber einer Inflationierung der Ablösesummen und Spielergehälter, wie wir sie gerade im Fußball erleben, sollte entschieden entgegengetreten werden. Dennoch, Auswirkungen spüren auch wir beim SCM. Für deutsche Spieler werden nach den Erfolgen der Nationalmannschaft derzeit Gehälter aufgerufen, die für uns nicht finanzierbar sind. Diese Tendenz haben wir schnell erkannt und gehen sie nicht mit.
Zurück zu Erfreulicherem. Der SCM gilt in der neuen Spielzeit für eine Reihe von Experten als ein Geheimfavorit auf den Titel. Teilen Sie diese Meinung?
Nein. Aus meiner Sicht haben wir mit den Rhein-Neckar Löwen, Kiel und Flensburg nach wie vor drei Spitzenklubs. Dahinter kommen sechs Klubs für die Plätze vier bis zehn in Frage. Dazu gehört auch der SCM. Die Leistungsdichte hat insgesamt zugenommen.
Genau darin könnte doch die Chance des SCM liegen. Wir behaupten einmal, kaum ein Klub hat sich im Sommer derart gut verstärkt wie Ihr Verein.
Dem halte ich Melsungen entgegen, das allein mit Reichmann, Lemke und Kühn drei deutsche Nationalspieler verpflichtet hat. Bei uns muss abgewartet werden, wie es gelingt, die Neulinge Kalarash, Chrapkowski, Mertens und Molina zu integrieren. Natürlich bringen sie Qualität mit, auch von der Altersstruktur her stimmt es, aber sie benötigen Eingewöhnungszeit. Chrapkowski sollte am weitesten von ihnen sein, von ihm erhoffen wir uns, dass er die Rolle von Lemke im Innenblock übernimmt.
Wo also könnte sich der SCM am Ende einsortieren?
Von Rang drei bis acht ist alles drin. Natürlich haben wir den Anspruch, irgendwann einmal oben anzukommen.
Irgendwann klingt irgendwie nach Sankt Nimmerleinstag.
Ich bleibe dabei: Ich kann nicht exakt sagen, wann das sein wird. Dazu spielen einfach zu viele unwägbare Faktoren mit. Hoffnung auf eine gute Platzierung macht mir allerdings die Vorbereitung auf die neue Saison. In den acht Jahren, die ich beim SCM als Geschäftsführer verantwortlich bin, habe ich noch nie eine so konzentrierte Vorbereitung erlebt wie diesmal unter Cheftrainer Bennet Wiegert. Damit können wir hoffentlich die Defizite vermeiden, wie es sie in den zurückliegenden zwei Jahren gegeben hat. 2016 fehlten uns ja die Olympiastarter fast die gesamte Zeit über.
In den zurückliegenden Jahren lautete eines der Ziele des SCM, sich für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Das ist auch diesmal gelungen. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben einfach den Anspruch, unserem Publikum Europacup zu präsentieren. Beim Göppinger Triumph im Final Four des EHF-Cups 2017 haben wir gesehen, wie ein Heimvorteil beflügeln kann. Deshalb haben wir uns entschlossen, uns für das Final Four 2018 als Ausrichter beim europäischen Verband zu bewerben. Im November nach Abschluss der dritten Qualifikationsrunde werden wir sehen, ob es sportlich geschafft wurde. Dann würden wir die Bewerbung einreichen. Die Getec-Arena ist auf jeden Fall schon einmal für ein Wochenende im Mai 2018 blockiert worden.
Nun ist so ein Final Four mit ziemlichen Kosten verbunden. Wie wollen Sie die stemmen, ohne ins Minus zu geraten?
Fakt ist, eine derartige Veranstaltung ist nicht nur über die Zuschauereinnahmen finanzierbar. Fakt ist ebenso, die Einnahmen müssen kostendeckend sein. Deshalb führen wir derzeit schon Gespräche mit Sponsoren und der Kommune. Denn eines ist klar: Ein derartiges Turnier wäre für die Stadt und Region ein absolutes Highlight. Fragen: Rudi Bartlitz
Kompakt
Der Bezahlsender Sky hat sich für die Saison 2017/2018 erstmals die Übertragungsrechte der Handball-Bundesliga gesichert. Bislang waren die Spiele nur bei Sport1 live zu sehen. Angestrebt wird die Übertragung aller 306 Partien. Bis zu 12 Ligaspiele sowie Halbfinals und Finale des DHB-Pokals werden bei ARD/ZDF bzw. dritten Programmen gezeigt. Gehöriger Nachteil: Die meisten Partien werden nur noch kostenpflichtig zu sehen sein.
Das Rechtepaket, das die Sender erworben haben, umfasst neben den Erstligaspielen auch die Spiele der 2. Handball-Bundesliga, den DHB-Pokal inklusive Final Four, den Super Cup und das Allstar-Spiel. Der Deal soll für die kommenden sechs Jahre gelten. Er wirkt sich auch auf die Anwurfzeiten der Bundesliga aus. Vier Begegnungen finden am Donnerstag um 19 Uhr statt, fünf Partien am Sonntag, davon vier bereits um 12.30 Uhr – das Topspiel des Spieltags um 15 Uhr. Ausweichtermin ist Samstagabend, 20.30 Uhr. In den vergangenen Jahren waren die Spieltage immer auseinandergerissen worden, die Tabelle erhielt deshalb ein schiefes Bild. Das ist unter den neuen Bedingungen nicht mehr möglich.
Weitere Neuheiten
- Der Kader der Mannschaften wird pro Spiel von 14 auf 16 Akteure erhöht. Damit soll der Belastung der Spieler entgegengewirkt werden.
- Alle Hallen der 18 Bundesligisten erhalten einen einheitlichen Bodenbelag. Damit soll bei den TV-Übertragungen ein einheitliches Erscheinungsbild geschaffen werden.
- Ex-SCM-Nationalspieler Stefan Kretschmar erhält ab dem 27. August auf Sky eine eigene Talkshow („Kretschmar – der Handball Talk“), in dem er mit drei Gästen aus der Szene spricht. Termin: sonntags zwischen 17 und 18 Uhr.