„Hochleistungssport ohne Leistungsgedanken ist tot“
Kompakt: Holger Stahlknecht ist seit April 2011 Minister für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt. Geboren wurde er am 13. November 1964 in Hannover. Seit 2002 gehört er dem Landtag an. Stahlknecht ist stellvertretender Vorsitzender des CDU-Landesverbandes. Nach dem Abitur nahm er 1985 den Dienst bei der Bundeswehr auf, den er als Reserveoffizier (letzter Dienstgrad: Oberstleutnant d. R.) 1987 beendete. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft (1987–1992) und dem Ablegen beider Staatsexamina wurde er in den Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt eingestellt, wo er von 1995 bis 2002 als Staatsanwalt in Magdeburg, u. a. im Dezernat für Wirtschaftsstrafsachen, arbeitete. Holger Stahlknecht ist verheiratet und hat zwei Kinder (Maximilian und Felix). Er ist begeisterter Tänzer. Lieblingssportarten: Fußball, Eiskunstlauf.
In Magdeburg wurden Anfang Dezember die Weichen für eine neue Struktur im deutschen Spitzensport gestellt. Darüber und über die Zukunft der Leibesübungen in unserem Bundesland sprach Magdeburg Kompakt mit Sachsen-Anhalts Sportminister Holger Stahlknecht.
Magdeburg war am zurückliegenden Wochenende so etwas wie der Nabel der deutschen Sportwelt. Ein im Vorfeld ebenso heiß wie kontrovers diskutiertes umwälzendes Strukturprogramm für den Hochleistungssport wurde auf den Weg gebracht. In welchem Licht sehen Sie als für den Sport in Sachsen-Anhalt verantwortlicher Minister diese Beschlüsse?
Holger Stahlknecht: Ich denke, dass sie generell dazu beitragen werden, den deutschen Sport insgesamt weiter voranzubringen. Als Landesregierung, und das habe ich auch in meiner Grußansprache betont, sind es zwei Dinge, die uns bewegen. Zum einen der Breitensport, der in unserer immer älter werdenden Gesellschaft dafür sorgen kann, dass der Einzelne gesund bleiben und sich fit halten kann. Zum anderen spielt der Sport eine wichtige Rolle bei der Sozialisierung unserer Kinder und Jugendlichen. Im Sport lernen sie wie kaum auf einem anderen Gebiet, mit Sieg und Niederlage umzugehen, lernen mit dem Umstand umzugehen, dass es im Leben nicht immer nur bergauf geht.
Und im Hochleistungssport?
Holger Stahlknecht: Das ist zunächst Sache des Sports selbst. Wir als Politik haben zuallererst dafür Sorge zu tragen, dass die Athleten die für ihren Sport besten Rahmenbedingungen vorfinden. Die Athleten stehen im Mittelpunkt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie nur noch als reine Medaillenmaschinen angesehen werden.
Stichwort Medaillen. Zuletzt war unser Bundesland damit ja nicht gerade reich gesegnet.
Holger Stahlknecht: Natürlich war London 2012 mit einmal Bronze schon ein wenig enttäuschend. Immerhin haben Aktive aus Sachsen-Anhalt in diesem Jahr in Rio einmal Gold und einmal Bronze geholt. Generell muss natürlich der Sport die Frage beantworten, ob zwei Medaillen die Grenze darstellen oder wir künftig mehr erhoffen dürfen. Darüber sollte auf jeden Fall eine ernsthafte Diskussion geführt werden. Deshalb habe ich eine Arbeitsgruppe Spitzensport ins Leben gerufen, in der Repräsentanten aller verantwortlichen Bereiche des Landes, wie Olympiastützpunkt, Landessportbund, die beiden leistungssporttragenden Sportvereine SC Magdeburg und SV Halle sowie das Bildungsministerium vertreten sind. Zu ihnen gehört übrigens auch ein Mann wie Ex-Schwimmweltrekordler Paul Biedermann. Mir ist es sehr ernst mit dieser Diskussion, weshalb ich die Arbeitsgruppe auch zur Chefsache erklärt habe.
Ohne Resultaten vorgreifen zu wollen, um welche Schwerpunkte wird es gehen?
Holger Stahlknecht: Ausgangspunkt muss eine ehrliche Analyse der Jahre 2013 bis 2016 sein. Wir müssen darüber reden, wie wir auf dem bereits eingeschlagenen Weg der Konzentration auf erfolgversprechende Sportarten weiter konsequent voranschreiten. Wir wollen uns auf die Schwerpunktsportarten und hier insbesondere auf Schwimmen, Leichtathletik, Rudern und Kanu konzentrieren. Mehr Sportarten dürfen es nicht werden. Alles andere würde unser Land und seine Ressourcen überfordern. Zu reden wäre beispielsweise auch, und das ergebnisoffen, über die Zukunft des Trainerpools und die Verantwortung der Trainer generell. Oder über die duale Laufbahnentwicklung von Sportlern, die nicht aus finanziell gut bestückten Disziplinen kommen.
Immer mit dem Hintergedanken, dass dies alles aus Steuermitteln finanziert wird.
Holger Stahlknecht: Es ist doch ganz natürlich, dass der, der investiert, auch an einem Return of Investment interessiert ist. Also danach fragt, was schließlich herauskommt.
Nun ist Sachsen-Anhalt ja dafür bekannt, dass es bei der Schaffung der Rahmenbedingungen für den Hochleistungssport stets versucht hat, seinen Athleten beste Voraussetzungen zu bieten, ihren Sport erfolgreich auszuüben. Wird sich da etwas ändern?
Holger Stahlknecht: Nimmt man alles in allem, sind allein in meiner Amtszeit von 2011 bis heute rund 120 Millionen Euro in den Sport geflossen. Trotz so mancher Konsolidierungsprogramme, beim Sport ist zu keinem Zeitpunkt auch nur ein Cent gestrichen worden. Und das wird auch so bleiben. Richtig ist: Wir haben viel Geld in den Sport investiert, jetzt ist es an ihm, das Beste daraus zu machen. Mir liegt dabei ebenso sehr am Herzen, darüber nachzudenken, wie es mit unseren Eliteschulen des Sports im Land weitergeht. Das sind keine Schulen für Bewegungstalente, sondern für unsere Sportelite von morgen. Zu überlegen ist deshalb, ob sie aus der Trägerschaft der Kommunen nicht wieder in die des Landes genommen werden sollten. Auch damit wird sich die Arbeitsgruppe Spitzensport befassen. Deshalb ist dort auch das Bildungsministerium vertreten.
Auf jeden Fall bleibt Sachsen-Anhalt deutschlandweit zumindest von dramatischen strukturellen Einschnitten verschont, oder?
Holger Stahlknecht: Richtig. Zu den in Magdeburg auf den Weg gebrachten Strukturveränderungen gehört die Reduzierung der augenblicklich 19 Olympiastützpunkte in der Bundesrepublik auf dann 13. Der Stützpunkt Sachsen-Anhalt bleibt bestehen, dafür haben wir uns in der Vergangenheit auf den verschiedensten Ebenen eingesetzt. Das enthebt uns jedoch nicht der Pflicht, über weitere eigene Konzentrationsmaßnahmen nachzudenken. Zum Beispiel darüber, ob Rudern, Leichtathletik oder Schwimmen im Spitzenbereich gleichzeitig an zwei Standorten in Magdeburg und Halle betrieben werden müssen.
Eingedenk all dessen, welche Leistungsziele kann und sollte sich Sachsen-Anhalts Hochleistungssport aus Ihrer Sicht in Zukunft stellen?
Holger Stahlknecht: Es sollte auf jeden Fall eine eindeutige Bewegung nach oben zu beobachten sein. Ich sehe für die Athleten unseres Bundeslandes bei künftigen Olympischen Spielen ein Potenzial zwischen sechs und acht Medaillen – natürlich nicht nur goldene. Auch wenn ich nichts von sogenannten Zielvereinbarungen mit den einzelnen Athleten halte – sollte sich der Sport davon verabschieden, nach Medaillen zu streben, käme dies einer Aufgabe gleich. Denn: Hochleistungssport ohne den Leistungsgedanken ist tot. Mehr noch, Hochleistungssport lebt doch in erster Linie gerade erst von diesem Streben nach Medaillen.
Abschließend vielleicht ein wenig hypothetisch gefragt: Wo sehen Sie Sachsen-Anhalts Sport in zehn Jahren?
Holger Stahlknecht (lächelt , denkt nach): Ich sehe unsere Schwimmer in einer sehr führenden Rolle. Kurz dahinter die Ruderer und Kanuten. Also in allen drei Wassersportarten habe ich, was die etwas fernere Zukunft betrifft, ein sehr gutes Gefühl. Und vielleicht schafft es der eine oder andere Leichtathlet ebenso ziemlich weit nach vorn.
Dann könnte man also mit Fug und Recht wieder vom Sportland Sachsen-Anhalt reden. Wie würden sie es denn heute charakterisieren?
Holger Stahlknecht: Wir sind ein sportliches Land.
Fragen: Rudi Bartlitz