Elbe-Rudern macht hart

Die neuen Magdeburger Ruder-Hoffnungen (v.l.): Max Appel, Philipp Syring, Steven Weidner, Tabea Kuhnert und Jan Berend. Foto: Peter Gercke.

Die Zeit der großen Namen im Magdeburger Rudern scheint erst einmal vorbei zu sein. Eine Reihe talentierter Nachwuchsleute schickt sich jedoch an, in die Fußstapfen eines Andre Willms, einer Manuela Lutze oder eines Marcel Hacker zu treten.
Es ist ein Satz, der bei den Ruderern steht, wie in Stein gemeißelt. Er hat nur drei Wörter und lautet: Elbe-Rudern macht hart. Hart, präzise, erfolgserprobt: Darauf schworen einst schon Magdeburger Olympiasieger wie Harald Jährling, Friedrich-Wilhelm Ulrich und Wolfgang Güldenpfennig. Und die ehernen Worte galten später ebenso für Andre Willms, Manuela Lutze und Marcel Hacker. Mit ihren Triumphen bei Olympia und Weltmeisterschaften festigten sie den Ruf Magdeburgs als eine Hochburg des deutschen Ruderns sogar noch.
„Am Wahrheitsgehalt des Satzes hat sich eigentlich bis heute nichts geändert“, bestätigt Roland Oesemann, der als Trainer für die Gold-Erfolge der SCM-Stars Willms, Lutze und Hacker mit verantwortlich zeichnete. Bis auf eine Kleinigkeit vielleicht. „Elbe stimmt nicht ganz und nicht immer“, so der Coach. „Oft sind wir, auch wegen der Schifffahrt und anderer Einschränkungen auf dem Fluss, zum Training auf den Elbe-Havel-Kanal bei Burg ausgewichen.“ Wie dem auch sei: Wer mit dem schweren Elb-Wasser, wo auch immer, fertig wurde, sich auf ihm durchbiss, der war ein ganzer Kerl oder eben: eine ganze Frau. Dem eröffneten sich bei Meisterschaften in der Regel gute Möglichkeiten.
Und doch ist im Frühjahr 2017 etwas anders am Bootshaus im Industriehafen. Mit Marcel Hacker hat im Spätsommer des Vorjahres der vorerst letzte große Name des Magdeburger Ruderns seine Skulls für immer in die Ecke gestellt – im Alter von 39 Jahren und nach fünfmaliger Teilnahme an Olympischen Spielen. Droht nun, um es dramatisch zu formulieren, der Untergang der so ruhmreichen SCMFlotte? Oesemann wiegt mit dem Kopf. „Natürlich“, sagt der 57-Jährige, „wird es erst einmal eine kleine Delle geben.“ In der Saison eins nach Hacker setzt der SCM nolens volens auf den Nachwuchs. Oesemann: „Aber der wird seinen Weg gehen, da bin ich optimistisch.“
Mit „der“ sind vor allem Philipp Syring, Max Appel und Steven Weidner gemeint. Sie tragen in dieser Saison die Hoffnung der grün-roten Farben. Erste Meriten haben sich Syring (20) und Appel (21) in der Vorsaison schon erworben. Syring wurde sogar deutscher Meister im Einer und holte gemeinsam mit Appel Gold bei der U-23-WM im Doppelzweier. Für 2017, so betonten beide bei einem Pressetermin, streben sie die Qualifikation für die A-Nationalmannschaft an. „Wir wollen es dem Bundestrainer schwer machen“, sagt der Trainer, „an einer Nominierung für uns, egal für welches Boot, vorbeizukommen.“
Es ist vor allem ein junger Mann, auf den sich die Aufmerksamkeit im Jahr eins nach Hacker besonders richtet: Philipp Syring. In den Sohn des zweimaligen Olympiasiegers Andre Willms projizieren viele jene Hoffnungen hinein, die der Vater einst im Übermaß erfüllte. „Ja, ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, mit ihm verglichen zu werden“, lacht Syring. „Ändern kann ich es ohnehin nicht. Leider ist es nicht so, dass das Ruder-Gen vererbbar wäre. Ich muss mir schon alles selbst erarbeiten. Und da sehe ich jetzt erst so richtig, welch großartiger und herausragender Athlet mein Vater war. Auf manchen Strecken werden seine Zeiten von vor zehn, fünfzehn Jahren noch heute als Rekord geführt.“
Dennoch, erdrücken lassen will sich Syring vom schweren Gold-Erbe seines Vaters nicht: „Ich muss meinen eigenen Weg finden und ihn dann konsequent gehen.“ Der soll ihn in dieser Saison erst einmal zusammen mit Mannschaftskamerad Max Appel im Doppelzweier möglichst weit nach vorn führen. Abgeschrieben habe er den Einer, so etwas wie das Paradeboot der Skull-Ruderer, jedoch nicht. „Ich bin in der Olympiasaison 2016 schon bei den Männern bei der Europameisterschaft und der Olympiaqualifikation für Deutschland gestartet. Doch ich musste schnell erkennen, da weht ein anderer Wind, dafür bin ich einfach noch zu jung.“ Entmutigt hat es ihn allerdings nicht. Er will weiter angreifen und sagt: „Ich gebe zu, es ist mein ganz, ganz großer Traum, einmal Olympiasieger zu werden. Im Einer. Wie mein Vater.“
Weil mit der Randsportart Rudern kaum Geld zu verdienen ist, wird beim SCM viel Wert auf eine duale Ausbildung gelegt. Während Syring angehender Bundespolizist ist, qualifiziert sich Appel beim Getec-Konzern zum Industriemechaniker im Anlagenmanagement. „Wir sehen in der Unterstützung junger Spitzensportler eine soziale Aufgabe unseres Unternehmens“, erklärt Chris Doering, Sportbeauftragter bei Getec, im Gespräch mit Magdeburg Kompakt. Der Energie-Dienstleister unterstützt im Leistungssport vor allem Kanuten, Ruderer und Handballer. Doering: „Wir tun dies, weil der Sport nicht nur unsere Region und unser Unternehmen bekannt macht, sondern weil er junge Leute ausgezeichnet aufs Leben vorbereitet und zu Teamfähigkeit erzieht.“
Aber es liegt in diesen Frühlingstagen nicht nur eitel Sonnenschein über dem SCM-Bootshaus an der Elbe. Die im Dezember beschlossenen Strukturveränderungen im deutschen Sport werfen mit ihren Konzentrationsbestrebungen so manchen Schatten. Sollten sich die Magdeburger Nachwuchstalente tatsächlich in die Spitze durchkämpfen, müssten sie ab Frühjahr 2018 komplett umsiedeln und im schleswig-holsteinischen Ratzeburg ihre Boote zu Wasser lassen. „Das ist in der gegenwärtigen Situation alles andere als leistungsfördernd“, sagt Oesemann klipp und klar. Inwieweit die anderen Ruderer an den Bundesstützpunkten Halle und Magdeburg konkret von der Konzentrationswelle betroffen sind, ist noch offen. Helmut Kurrat, Chef des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt, glaubt Zeichen dafür zu sehen, „dass beide Standorte erhalten werden können“. Eine Entscheidung fällt bis Ende Juli.
Sorgen bereitet den SCM-Ruderverantwortlichen ebenso die Trainerfrage. „Wir haben da enorme Probleme“, heißt es aus der Abteilungsleitung. Zwei Stellen sind derzeit unbesetzt. Aber hatte nicht Hakker signalisiert, nach seiner Karriere als Trainer beim SCM einsteigen zu wollen? „Er war einen Monat hier“, sagt Oesemann, „dann hat er sich entschieden, in seiner Heimatstadt Blankenburg zusammen mit seiner Frau ein Fitnessstudio zu eröffnen. Rudi Bartlitz

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