Ein Nachwort, ohne Zorn

Anmerkungen nach dem Abstieg des 1. FC Magdeburg aus der 2. Liga.

Man könnte es schnöde mit einem evergreenen Slogan abtun: Sie tanzten nur einen Sommer. Damit wäre dem FCM-Fußball, nimmt man die reine Faktenlage, nicht einmal bitter Unrecht getan. Der Sache gerecht würde eine solche Aussage allerdings kaum. Denn: Selbst in diesem einen Sommer der Zweitklassigkeit dürfte der Verein, um im Bild zu bleiben, so viele neue (Tanz)Schritte erlernt, so viel Rhythmusgefühl gewonnen haben, dass es für die Zukunft, werden die Zeichen der Zeit richtig gedeutet, nur hilfreich sein kann.

Mag der Abstieg im Augenblick bitter schme-cken: Verein und Umfeld dürften, betrachtet man es in einem etwas größeren Zeitfenster, dennoch gewonnen haben. So paradox es klingen mag. Erstmals seit der Wende war Blau-Weiß in den erlesenen Kreis der 36 besten deutschen Profiklubs vorgestoßen. Magdeburg, mehr als zwei Jahrzehnte in den staubtrockenen Ebenen des Amateurfußballs zu Hause und zuweilen hart an der Grenze zum Freizeit- und Erholungssport, erschien plötzlich auch im Westen auf der Kicker-Landkarte.

Nach langen Jahren des tristen Mittelmaßes war man, zumindest gefühlt, wieder fast ganz oben angekommen. Auf der Gewinnerliste finden sich Erfahrungen und Erkenntnisse, die bei einem zweiten Anlauf mehr als hilfreich sein können. Voraussetzung allerdings: Sie müssen gezogen werden, mit aller gebotenen Konsequenz. Und nicht zu vergessen: Angetrieben wurde der Club stets von zu maximalem Vergnügen entschlossenen Fans (ausgenommen natürlich die Chaoten), die praktisch jede Auswärtspartie ihres Teams zu einer oft tausendstimmigen Klassenfahrt nutzten. Hamburg oder Sandhausen, Köln oder Heidenheim – egal, Hauptsache Heimspiel.

Freilich, Fehler wurden begangen. Der vielleicht gravierendste: Es reichte nicht, nach den Kriterien der 3. Liga einfach weiter zu machen. Nach dem bravourösen Aufstieg – noch vor dem heutigen Erstliga-Kandidaten SC Paderborn! – war eigentlich genügend Zeit, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Das wurde versäumt. Stattdessen ging es weiter mit einem – grundsätzlich – defensiv ausgerichteten System. Die Arbeit gegen den Ball, und nicht mit ihm, besaß das absolute Prä. Nach dieser Prämisse wurde ein Großteil der Spieler verpflichtet.

In diesen Tagen der Kloppo-Manie wird immer wieder ein Satz des deutschen Trainers zitiert: Die Lust zu gewinnen müsse größer sein als die Angst zu verlieren. Man könnte meinen, der in England inzwischen zum Fußball-Heiligen aufgestiegene Coach habe viele FCM-Begegnungen, vor allem in der Hinserie, auf der Tribüne miterlebt. Denn  genau daran, an diesem unbedingten, ja brachialen Siegeswillen, dieser Lust am Erfolg, mangelte es den Blau-Weißen zu oft. Motto: Warum alles riskieren, wenn ein Remis doch zumindest einen Punkt bringt. Die sprichwörtliche Magdeburger DNA und die zweifellos vorhandene Mentalität der Akteure wogen fehlende Qualität einfach nicht auf. Die Mannschaft als Ganzes war, wie es in diesen Tagen viele Fachleute und Fans unisono feststellen, einfach noch nicht reif für diese Klasse.

Gewiss, verspielt wurde die zweite Liga nicht in den letzten beiden Wochen. Das geschah früher. Zur Winterpause mickrige elf Punkte, in der gesamten Saison nur zwei Heimerfolge, mit 34 Treffern die schlechteste Offensive aller Teams – wer eine solche Bilanz aufweist, der hat selten die Klasse gerettet. Und wer in der entscheidenden Phase gegen die Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt unterliegt (in Duisburg, gegen Sandhausen und Darmstadt sogar daheim), dem hilft nicht einmal mehr der liebe (Fußball)Gott. Dabei wären sieben Zähler aus diesen Begegnungen die halbe Miete gewesen. Noch etwas fiel auf: Die Dämonen verlorener Zweikämpfe, die von Anfang bis Ende durch die Magdeburger Reihen spukten, wurden einfach nicht gebannt. Vorn nicht, hinten nicht. Beispielhaft drei haarsträubende Abwehrfehler im Abstiegs-Finale am Wochenende in Berlin (0:3), die prompt zu den Gegentoren führten. Es ließe sich noch ein anderer Klopp-Satz anführen, nämlich der, dass nach dem schier aussichtslosen 0:3 der Liverpooler in Barcelona entweder ein Wun­der geschehen müsse oder man auf ei­ne mög­lichst schö­ne Art und Wei­se schei­tern wolle. Liverpool erlebte das Magische, der FCM keines von beiden.

Wie nun weiter? Die Mängel sind klar aufgezeigt. Jetzt gilt es, es kann nicht oft genug gesagt werden, Schlussfolgerungen zu ziehen und zu handeln. Das Personalkarussell wird sicher gehörig Fahrt aufnehmen. Wobei das Versprechen von Geschäftsführer Mario Kallnik, gegeben schon Wochen vorm Abstieg, auf jeden Fall am Offensivfußball (den Schritt dahin leitete Cheftrainer Michael Oenning zumindest ein Stück weit ein) festzuhalten, als ermutigendes Signal zu sehen ist. Ebenso wie die – nachdem die Tränen getrocknet sind – weitere Unterstützung der Fans einer ganzen Region und der Stadt (Umbau des Stadions) sicher zu sein scheint. So verstehen sich diese Zeilen nicht als Nachruf, sondern eher als Weckruf. Rudi Bartlitz

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