Die Welt ist eine Scheibe

Der Frisbee-Verein „Schleudertrauma“ gehört zum Polizeisportverein und trainiert auf dem Sportplatz im Stadion Neue Welt. Foto: Peter Gercke

Frisbee, das rasante Spiel mit dem fliegenden Plastikteller, ist beim Polizei SV in Magdeburg mehr als ein Outdoor-Vergnügen.

Vor „fliegenden Untertassen“ wird vorsorglich gewarnt. Mehrfach in der Woche schwirren sie zu Dutzenden durchs Stadion Neue Welt. Hier, in einer der ältesten Sportstätten Magdeburgs, ist neuer Geist eingezogen, seitdem auf dem Fußballfeld Frisbee gespielt wird. Die so majestätisch dahingleitende Plastikscheibe, die Generationen von Jugendlichen, ob in Parks oder am Strand, als Freizeitspaß prägte, wird hier allerdings als durchaus ernstzunehmender Wettkampf betrieben. Mit den bekannten Bildern von posenden Burschen mit freiem Oberkörper am Baggersee, die sich die Frisbees lässig durch die Beine zuwerfen, sie scheinbar gelangweilt hinter ihrem Rücken schnappen oder sie virtuos auf den Fingerkuppen rotieren lassen, hat dies nur noch wenig zu tun.

„Schleudertrauma“ nennt sich die Magdeburger Truppe und ein kleines Augenzwinkern ist bei der Namenswahl kaum zu übersehen. Organisatorisch haben die 39 Mitglieder beim Polizei SV eine Heimat gefunden. Noch sind sie die Einzigen, die in der Landeshauptstadt die Scheiben fliegen lassen. „Natürlich sind wir keine Sportart, die bereits Massen anzieht“, sagt deren Chef Peter Körner. „Aber in vielen Teilen der Welt, nicht nur im Ursprungsland USA, nimmt die Zahl derer zu, die Frisbee als Wettkampf betreiben. Wir möchten, dass Magdeburg dazugehört.“ Allein in den USA gibt es heute über 50.000 Spieler in Vereinen, in Deutschland gut 2.000.

Nun wissen die wenigsten, was unter wettkampfmäßigem Frisbee zu verstehen ist. Körner erläutert: „Die von uns betriebene Disziplin, das Ultimate, ist ein Mannschaftssport, in dem sich zwei Teams mit je sieben Akteuren gegenüberstehen. Das Spielfeld mit seinen zwei jeweils 18 Meter langen Endzonen ist 100 Meter lang. Weshalb sich Fußballfelder nahezu ideal eignen.“  Selbst für den ungeübten Betrachter erschließt es sich recht schnell, was das auf dem Rasen vorgeht: Mit Pässen aus dem Handgelenk spielen sich die Teams im rasanten Tempo die 165 Gramm schwere Kunststoffscheibe zu – wer das Wurfgeschoss in der gegnerischen Zone am Ende des Spielfelds fängt, markiert für seine Mannschaft einen Punkt. Körner: „Der Grundgedanke orientiert sich ein wenig an American Football oder Rugby.“

Was alsbald auffällt: Schiedsrichter oder gar ein Kampfgericht sind nirgendwo zu blicken. „Die gibt es auch nicht“, lacht Körner. „Alle Entscheidungen, beispielsweise ob die Scheibe das Spielfeld verlassen hat oder ob ein Foul geschah, werden bei uns von den Akteuren auf dem Feld selbst getroffen.“ Und das funktioniert wirklich? „Sogar sehr gut“, meint der 34-Jährige, der einst auf der Suche nach einem interessanten Mannschaftssport von Frisbee „einfach angefixt“ war. „Und ist einmal tatsächlich keine Einigung möglich, wird die Partie einfach auf Null geschaltet, mit der vorangegangenen Szene fortgesetzt. Der sogenannte Spirit oft the Game, die unbedingte Fairness, spielt im Frisbee eine sehr, sehr große Rolle. Dazu gehört auch, dass die Mitspieler beruhigend auf diejenigen im eigenen Team einwirken, die vielleicht einmal ein bisschen zu aufbrausend reagieren. Nicht umsonst gilt unser körperloses Spiel als fairster Wettkampfsport überhaupt.“

Bei der Aufzählung der Frisbee-Vorzüge ist Körner noch längst nicht am Ende: „Bei uns kann eigentlich jeder mitmachen und findet sich ziemlich schnell in den Spielgedanken hinein. Ein bisschen Schnellkraft und Ausdauer sind natürlich ebenso von Vorteil wie eine gute Koordination von Hand und Auge. Ein weiteres Plus liegt darin, dass wir eine Sportart sind, die für den einzelnen keine großen Kosten verursacht. Normale Sportkleidung und ein Paar Stollenschuhe, das ist es eigentlich schon.“  Und wer unbedingt mit einer eigenen Wettkampfscheibe (Durchmesser 27,5 Zentimeter) üben will: Die sind für 10 bis15 Euro zu haben.

Wie viele Trendsportarten haben auch die Frisbee-Jünger Olympia im Auge. „Bei den World Games sind wir schon vertreten“, sagt Körner. „Ein mittelfristiges Ziel ist es natürlich, beim größten Sportereignis der Welt starten zu dürfen. Ich denke, in 10 bis 15 Jahren könnte es so weit sein. Vorerst sind wir in Deutschland jedoch erst einmal bemüht, die notwendigen Strukturen für Frisbee zu schaffen und durch den Deutschen Olympischen Sportbund anerkannt zu werden.“ Noch existieren in Sachsen-Anhalt nämlich erst zwei Vereine: in Magdeburg und in Halle. Körner: „Wir freuen uns über jeden, der sich einmal mit der fliegenden Scheibe versuchen will.“ Rudi Bartlitz

Frisbee in Magdeburg

Der einzige Verein, in dem in der Landeshauptstadt Frisbee betrieben wird, ist der Polizei SV. Erstmals wettkampfmäßig flogen die Plastikteller in Magdeburg 1994 durch die Luft. Die derzeit 39 PSV-Mitglieder, die sich den Namen „Schleudertrauma“ gaben, sind zwischen 12 und 47 Jahre alt. Da ein Großteil von ihnen studiert, ist eine gewisse Fluktuation nach Vereinsangaben nicht zu verhindern. Trainiert wird jeweils Dienstag und Donnerstag, ab 18 Uhr im Stadion Neue Welt. Saison ist von April bis September, ab Oktober schließt sich eine Hallensaison an. Wettkämpfe tragen die PSV-Aktiven in der regional aufgegliederten dritthöchsten deutschen Spielklasse aus. Darüber exis-tiert eine erste Liga und eine aus zwei Staffeln bestehende zweite Liga. Seine nächsten Heimbegegnungen trägt der PSV am 27./28. Juli im Stadion Neue Welt aus. Abteilungsleiter Peter Körner: „Zuschauer sind jederzeit willkommen.“

Zurück