Aus vier mach zweieinhalb

Nicht nur Torjäger Christian Beck signalisiert, dass er zusammen mit Freundin Paulin Nachwuchs erwartet. Mit ihm ist eine ganze Region in freudiger Erwartung – auf die zweite Liga. Foto: Gercke

In der dritten Fußball-Bundesliga geht es diesmal spannend zu wie kaum zuvor. Paderborn, FCM, Karlsruhe und Wiesbaden liefern sich ein heißes Rennen und könnten den Aufstieg unter sich ausmachen. Magdeburg Kompakt nimmt die Konkurrenten unter die Lupe.

Es gibt kein Vertun mehr: Die Schlussphase der Meisterschaft in der dritten Liga ist unweigerlich eingeläutet. Das mag einem angesichts der Jahreszeit ziemlich früh vorkommen – in nicht einmal sieben Wochen ist die Saison aber definitiv vorbei. Punkt, Aus, Ende. Sieben Spieltage stehen noch aus. Und die versprechen spannend zu werden wie kaum einmal zuvor in der nunmehr zehnjährigen Geschichte dieser Liga. Darum geht es: Zwei direkte Aufstiegsplätze und eine Relegation gegen den Dritten der zweiten Liga sind zu vergeben. Mittendrin der 1. FC Magdeburg, der Hoffnungsträger einer gesamten Region. Die besten Chancen, den heiß begehrten Sprung nach oben zu schaffen, können sich nach derzeitigem Stand vier Teams ausrechnen: SC Paderborn, 1. FC Magdeburg, SV Wehen Wiesbaden und der Karlsruher SC. Sie trennen nur fünf Zähler voneinander – bei noch mindestens 21 Punkten, die zu vergeben sind. Wenn es die dahinter rangierenden Mannschaften Fortuna Köln (sechs Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz) und Hansa Rostock (zehn Punkte auf Rang drei) noch schaffen wollen, muss ihnen Fortuna freilich mehr als eine Hand reichen.

Klar ist eines: 2018 ist vieles anders, wenig nur noch mit dem Vorjahr vergleichbar. Vor zwölf Monaten hangelten sich selbst die Spitzenteams mühsam voran. Der MSV Duisburg hätte als meist souveräner Tabellenführer den Aufstieg mit schwachen Leistungen gut und gern noch verspielen können, seinen Verfolgern Holstein Kiel und Jahn Regensburg genügte eine starke Rückrunde, um den Rest zu distanzieren. 68, 67 und 63 Punkte, wie sie die drei Aufsteiger 2017 hatten, werden diesmal nicht ausreichen. Aktuell geben es sich die Teams so richtig, statt eines Schneckenrennens bekommen die Fans und Fußballexperten einen Sprint um die zweite Liga zu sehen. Im Extremfall entscheidet am Ende sogar das Torverhältnis mit darüber, wer in den sauren Apfel des „wertlosen“ vierten Ranges beißen muss. Wie stehen nun die Aussichten? Magdeburg Kompakt nimmt die ärgsten Aufstiegskonkurrenten näher unter die Lupe.

1. FC MAGDEBURG

Aller guten Dinge sind drei, heißt es bei den Blau-Weißen. „Nachdem die Mannschaft von Jens Härtel zweimal in Folge den vierten Platz ergatterte, hat es der FCM verdient, nun den Sprung in die 2. Bundesliga zu schaffen“, konstatiert der Branchendienst Liga 3 online. „Der 1. FC Magdeburg ist ein Phänomen. Er kennt keine Krise mehr – seit Anfang 2015 befinden sich die Ostdeutschen im dauerhaften Erfolgsmodus.“ Beim FCM wird in diesen Tagen tatsächlich nichts dem Zufall überlassen. Nach einem ausgeklügelten System lässt Cheftrainer Jens Härtel rotieren, um die Kräfte möglichst gleichmäßig zu verteilen. Und siehe da, mit einer besseren B-Elf sprang in der vergangenen Woche im Landespokal-Viertelfinale – das de facto ein vorgezogenes Endspiel war – beim Erzrivalen Hallescher FC ein 1:0-Erfolg heraus. Der Coach konnte es sich sogar leisten, in der Anfangsformation auf acht Spieler zu verzichten, die zuvor das eindrucksvolle 6:1 gegen VfR Aalen produziert hatten. Diese Ausgeglichenheit des Kaders wird generell als das große Faustpfand der Elbestädter im Meisterschaftsfinale angesehen. Längerfristig fehlen nur Michel Niemeyer, Felix Schiller (beide Muskelfaserriss) und Tarek Chahed (Knieoperation).

Härtel kann vor allem in der Abwehr und im Mittelfeld auf ein breites Angebot zurückgreifen. Wenn Sturm-Führer Christian Beck neben seinen zwei spektakulären „Toren des Monats“ (November 2017 und Februar 2018) weiter so trifft, dürfte auch vorn nicht allzu viel anbrennen. Es ist übrigens ein Novum in der Geschichte der ARD-Umfrage, dass ein Drittliga-Angreifer innerhalb von nur vier Monaten zweimal als Sieger hervorgeht.

Einen Vorsprung hat Magdeburg allerdings (noch) nicht, dafür muss in den zwei Nachholspielen gegen Zwickau und Jena unbedingt gepunktet werden. Dass sich der Klub ausschließlich über sein körperliches Spiel und die Gemeinschaft definiert, ist übrigens so nicht mehr ganz richtig. Das 6:1 über Aalen offenbarte, in welch einen Rausch man sich spielen kann. Behält der FCM dann in den beiden direkten Duellen mit Wiesbaden (auswärts) und Karlsruhe (daheim) noch die Oberhand, wäre für die Blau-Weißen schon viel gewonnen.

„Jetzt darf nicht mehr verloren werden“, fasste Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) am Wochenende die hohen Erwartungen zusammen, die inzwischen an allen Ecken und Enden der Stadt kursieren. Vorbereitungen für mögliche Aufstiegsfeiern seitens der Stadt zur jetzigen Zeit lehnt er grundlegend ab: „Ich bin da abergläubisch.“ 2007, beim inzwischen berühmt-berüchtigten St.Pauli-Spiel, habe er schon einmal einen „Dissens“ mit seiner Frau gehabt, die damals in der Halbzeit noch schnell ein blau-weißes Trikot erworben habe. Eine zu euphorische Aktion, wie man seit fast elf Jahren leidvoll weiß. Der FCM muss noch nach Wiesbaden reisen, empfängt den KSC und Köln. Der Marktwert liegt bei 6,38 Millionen Euro.

 

SC PADERBORN

Die Ostwestfalen, erst durch den Lizenzentzug von 1860 München mit viel Glück überhaupt in Liga drei gelandet, hätten sich nach dem unfassbaren sportlichen Absturz der letzten Jahre sicher mit einer ruhigen Saison zufrieden gegeben. Stattdessen fügte sich das neuaufgestellte Team unter Trainer Steffen Baumgart rasend schnell zusammen und nahm die Konkurrenz regelrecht auseinander, thront jetzt an der Spitze. "Wir sollten sehr bescheiden und demütig mit der Situation umgehen", mahnt der 46-Jährige zwar, lässt dennoch am Ziel keinen Zweifel: „Wer über weite Strecken der Saison Erster ist, der möchte auch Erster bleiben.“

Baumgart umschreibt seine Arbeit so: „Ich habe immer gesagt, dass ich für gewisse Dinge im Fußball stehe, und da geht es in erster Linie um Leidenschaft, um Zweikampf und dann auch um Fußballspielen". Seine Spieler hätten dies zu 100 Prozent verinnerlicht, so der gebürtige Rostocker. Mit Dennis Srbeny verlor man in der Winterpause zudem noch den gefährlichsten Angreifer. Es war der drittteuerste Abgang der Drittliga-Geschichte: Srbeny wechselte für sagenhafte 1,5 Millionen Euro auf die Insel zu Norwich City. Mit dem 23-Jährigen, der erst im Sommer aus der Regionalliga gekommen war, ging der gefährlichste Offensivspieler der Hinrunde (neun Tore, elf Vorlagen).

Aus einer zwischenzeitlichen kurzen Krise haben die Ostwestfalen inzwischen mit drei Siegen in Folge herausgefunden und weiterhin den Platz an der Sonne inne. In einer englischen Woche, die das Prädikat „außergewöhnlich“ durchaus verdient, muss die Elf von Coach Steffen Baumgart innerhalb von neun Tagen dreimal auswärts ran. Danach dürfte schon deutlich sein, ob es für den Aufstieg reicht.

Von den noch ausstehenden Partien der ersten Sechs der Tabelle, für manche die sogenannten Sechs-Punkte-Spiele, muss Paderborn noch zweimal auswärts antreten (Karlsruher, Köln), einmal zu Hause (Wiesbaden). Der Marktwert des Teams liegt bei 5,38 Millionen Euro.

SV WEHEN WIESBADEN

Durch die Patzer des Karlsruher SC (0:0 in Würzburg) und von Fortuna Köln (1:2 in Erfurt) war Wehen zuletzt der große Gewinner im Aufstiegsrennen. Trainer Rüdiger Rehm erklärte jedoch, die Ergebnisse der Konkurrenz seien ihm egal. „Wie die anderen spielen, ist mir wurscht – das sage ich offen und ehrlich", stellte der 39-Jährige klar. Dennoch: Wiesbaden hat einen Lauf – der 3:1-Sieg am zurückliegenden Samstag beim SV Meppen war bereits der fünfte Dreier in Folge.

Ein Erfolgsfaktor der Hessen ist Coach Rehm. In der jüngeren Vergangenheit hat Wiesbaden Trainer en Masse verschlissen. Hochgejubelte Talente wie erfahrene Leute bissen sich die Zähne aus an einer Mannschaft, der immer wieder der Individualisten-Ruf vorauseilte – nicht aber die Teamfähigkeit. Das hat sich mit der Verpflichtung von Rehm, der das Team im Februar 2017 übernahm, eindrucksvoll gewandelt, auch weil der Mix aus Jung und Alt im Kader stimmt. Wiesbaden spielt heute mit den attraktivsten Fußball der Liga und hat zusammen mit dem SC Paderborn die beste Offensive und könnte am Saisonende auf 80 bis 85 Treffer kommen. Manuel Schäffler, der nie der ganz große Knipser war, steht mit seinen mittlerweile 19 Saisontoren sinnbildlich für die Tatsache, dass Wiesbaden am oberen Limit spielt, sich aber gleichzeitig immer weiter pusht. Mit 2.400 Zuschauern im Schnitt verzeichnet die Elf bei Heimpartien jedoch die mit Abstand schlechteste Bilanz.

Der SVWW muss noch in Rostock und Paderborn antreten, ist Gastgeber für den FCM. Der Marktwert wird mit 6,93 Millionen Euro angegeben.

KARLSRUHER SC

Die Serie bleibt beeindruckend. Selbst wenn zuletzt in Würzburg überraschend zwei Punkte abgegeben werden mussten. Seit 20 Spielen sind die Karlsruher nunmehr ohne Niederlage und haben damit ihren eigenen Rekord in dieser Klasse eingestellt – und sich somit auf den vierten Platz empor gearbeitet. Dabei begann die Saison alles andere denn erfolgversprechend. Nach dem 5. Spieltag war man noch Fünfzehnter. Was allerdings nicht so sehr verwundern dürfte, hatten den KSC nach dem Abstieg im Sommer nahezu zwei Dutzend Akteure verlassen. Trainer Alois Schwartz, der das Team erst Ende August vom gefeuerten Marc-Patrick Meister übernommen hatte, stand also vor einem kompletten Neuaufbau. Schwartz: „Ich möchte den KSC wieder dahin führen, wo er hingehört – in die 2. Liga.“

Von allen vier Anwärtern sind die Badener das Team, das in der Geschichte des gesamtdeutschen Fußballs die größten Erfolge eingefahren hat. Eine Meisterschaft, zweimal der DFB-Pokalsieg, mehrere Jahre Bundesliga, einmal die Zweitliga-Meisterschaft zieren den Briefkopf des KSC.

Seinen bislang letzten Aufstieg feierte der Karlsruher SC 2013. Damals führte er mit Heidenheim, Arminia Bielefeld, dem VfL Osnabrück und Preußen Münster einen ähnlich beeindruckenden Aufstiegskampf, wie er sich aktuell andeutet. 73 Punkte benötigte man für die Aufstiegsrelegation – so viele waren es noch nie. Karlsruhe aber schnappte sich sogar den Titel, weil der KSC sagenhafte 45 Punkte in der Rückrunde einfuhr. Dieses Brett könnten Alois Schwartz und Co. 2018 nochmals überbieten: Mit acht Siegen, drei Remis und keiner einzigen Niederlage wurde das Jahr begonnen. Dass Karlsruhe aufsteigt, ist im aktuellen Modus wahrscheinlicher als der Ligaverbleib. Stützen sind vor allem Torjäger Fabian Schleusener (15 Treffer) und Anton Fink (7). Auch Mittelfeldakteur Marcel Mehlem und Torhüter Benjamin Uphoff machten zuletzt durch ausgezeichnete Leistungen auf sich aufmerksam.

Der KSC muss noch auswärts beim FCM antreten, empfängt aber die Mitkonkurrenten Paderborn und Rostock. Der Marktwert des Kaders liegt bei 6,10 Millionen Euro. Rudi Bartlitz


Finale Furioso im TV

Nicht nur auf dem Rasen, auch auf den TVKanälen verspricht das Meisterschaftsrennen der 3. Liga ein Finale Furioso zu werden. Klar ist: Die Spiele um den Aufstieg werden in jedem Fall im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein. Offen ist noch, welche Partien am 37. und 38. Spieltag gezeigt werden. Die ARDSender wollen zunächst abwarten, wie die Tabellenkonstellation zu diesem Zeitpunkt aussieht. Denkbar wären laut Liga3 online also Paderborn - Wiesbaden, Magdeburg - Chemnitz, Aalen - Karlsruhe oder Rostock - Halle (jeweils 37. Spieltag) sowie Köln - Paderborn, Lotte – Magdeburg, Karlsruhe - Jena oder Chemnitz - Rostock (jeweils 38. Spieltag).

Feststeht: Da die ARD-Sender bis einschließlich des 36. Spieltages insgesamt 107 Spiele live gezeigt haben werden, könnten sie an den letzten beiden Spieltagen theoretisch noch 13 Partien übertragen. Ab der kommenden Saison darf die ARD – gemäß dem neuen TV-Vertrag – dann nur noch 86 Spiele pro Saison live zeigen. Das wären etwa zwei bis drei pro Spieltag. TV-Meister ist aktuell Hansa Rostock, der bereits 15 Mal live im Free-TV zu sehen war. Dahinter folgen Paderborn (12) und Magdeburg (11). Ganz unten im Ranking steht Sonnenhof Großaspach. Bisher wurde nur eine Partie des Dorfklubs live übertragen. Im Sender-Ranking liegt der MDR vorn, WDR, NDR, SWR und BR folgen. Der MDR wird auch weiterhin die meisten Spiele, vor allem Ostduelle, zeigen. In den nächsten Wochen sollen das sein Jena - Zwickau (31. März), Halle – Erfurt (1. April), Erfurt - Chemnitz (8. April) und Halle - Magdeburg (28. April). Darüber hinaus sind im MDR die Heimspiele des 1. FC Magdeburg gegen Karlsruhe (7. April) und Köln (21. April) sowie die Duelle Jena gegen Aalen (14. April) und Münster gegen Halle (22. April) zu sehen.

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