Auf ins Abenteuerland
Die Fußballerinnen des Magdeburger FFC wollen im Sommer den Aufstieg in die zweite Bundesliga schaffen.
Es wäre gewiss gewagt zu behaupten, der Magdeburger Frauenfußball habe in den zurückliegenden Jahren besonders im Fokus der Öffentlichkeit gestanden. In der Regionalliga, der dritthöchsten deutschen Spielklasse, hat sich der einstige Zweitligist Magdeburger FFC durchaus wacker geschlagen; mehr aber auch nicht. Kaum 100 Zuschauer fanden im Schnitt den Weg ins Heinrich-Germer-Stadion. Für Außenstehende schien es fast, als hätten sich die Rot-Weißen mittlerweile in dieser Liga eingerichtet. Doch exakt zu dem Zeitpunkt, da sich die FCM-Männer mit Macht daran machen, die Elbestadt in der zweiten Bundesliga zu etablieren, ist auch bei den Frauen des MFFC der Ehrgeiz neu erwacht. Zufall? Präsident Karl-Edo Fecht gibt sich dieser Tage jedenfalls kämpferisch: „Es wird nicht leicht, aber das wollen wir auch schaffen. Wir wollen aufsteigen.“
Doch bis dahin, da sind sich die Verantwortlichen der Nummer eins in Sachsen-Anhalts Frauenfußball durchaus einig, ist es noch ein Stück des Weges zu gehen. Und das nicht nur sportlich, sondern genauso wirtschaftlich. Zunächst gilt es aber, auf dem Rasen die derzeitige Spitzenposition in der Regionalliga Nordost zu behaupten. Ist das geschafft, wartet im Frühsommer eine weitere schwere Hürde: die Aufstiegsrunde für die zweite Spielklasse. Denn der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat beschlossen, die bisherige zweigleisige Liga abzuschaffen und ab Herbst 2018 durch eine eingleisige Formation zu ersetzen.
Lamentieren gibt es jedoch bei den Magdeburger Frauen nicht. Sie hatten es ohnehin in der Vergangenheit nie einfach, ihre Sportart gegen jahrzehntelange Widerstände und Voreingenommenheit zunächst durchzusetzen und dann zu behaupten. Bis zur Mitte der achtziger Jahre sollte es dauern, bevor sich das balltretende angeblich schwache Geschlecht in der vorgeblich so sport- wie frauenfreundlichen DDR die entsprechende Anerkennung überhaupt verschafft hatte. Allerdings nicht unter der Ägide des Leistungssports, sondern nur im Freizeit- und Erholungssportsektor. Sozusagen außerhalb der Wertung. Heimat des hiesigen Frauenfußballs war seinerzeit die SG Handwerk. Nach der Wende wechselten die Ladies dann zum SV Fortuna, bevor sich die Frauen- und Mädchenabteilung 1997 in einem eigenen Verein organisierte, dem FSV Fortuna Magdeburg/Wolmirstedt (ab 2003 als MFFC firmierend).
Sechs Jahre hielt sich der Verein zwischen 2009 und 2015 in der zweiten Liga. Doch der Aderlass der besten Akteurinnen war letztlich nicht zu verkraften. Und leistungsstarke Spielerinnen zu holen, dazu fehlte das nötige Geld. Als dann 2015 gleich fünf Stammspielerinnen gingen, war der Abstieg nicht mehr zu vermeiden. „In dieser Hinsicht werden wir immer ein Ausbildungsverein bleiben“, sagt Elfie Wuttke, mit 254 Einsätzen Rekordspielerin des MFFC und so etwas wie die „Grande Dame“ des Magdeburger Frauenfußballs.
Geradezu exemplarisch dafür, wie der Weg von herausragenden Spielerinnen beim MFFC verläuft, steht die bisher bekannteste Magdeburger Kickerin, Nationaltorhüterin Almuth Schult. 2008 wechselte die heute 27-Jährige, die aus dem Wendland kam, über die Zwischenstation Hamburger SV in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt. Hier legte sie das Abitur ab und schaffte mit ihrem Verein 2009 den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Drei Jahre später wechselte die Olympiasiegerin von Rio zum Bundesligisten VfL Bad Neuenahr.
Von Frauen wie Almuth Schult oder die U-20-Weltmeisterin Anne Bartke kann Cheftrainer Eicke Schiller heute natürlich nur träumen. Deshalb setzt man beim MFFC beim Abenteuer zweite Liga voll auf die Jugend. Ohne Wenn und Aber. Die Stammformation des Frauen-Teams hat ein Durchschnittsalter von knapp 19 Jahren! Fast alle sind Studentinnen oder Schülerinnen. Doch nicht nur in der ersten Mannschaft steht die Nachwuchsarbeit ganz oben an. Die B-Jugend des Vereins, der seit 2005 Leistungszentrum (seit vergangenem Jahr offiziell: Landes-leistungsstützpunkt) des Frauenfußballs in Sachsen-Anhalt ist, gehört seit 2012 der ersten Bundesliga an und zählt in ihrer Altersklasse „zu den 30 Top-Mannschaften in der Bundesrepublik“, wie Präsident Fecht stolz berichtet. Mit Nicole Woldmann und Samantha Kühne gehören zwei Mädchen der deutschen U-16-Auswahl an, beide sollen demnächst in den Frauen-Kader aufrücken. Ronny Baraniak gehört zum deutschen U-15-Team.
Kommt die Rede auf die wirtschaftlichen Bedingungen beim MFFC, weiß Präsident Fecht allerdings nicht so recht, ob er zuerst das Engagement seiner derzeitigen Sponsoren und der Stadt Magdeburg („Sie stellt uns zu günstigen Konditionen die Plätze zur Verfügung.“) loben und preisen oder ob er die allgemein schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen des Frauenfußballs generell beklagen soll. Es ist schon ein wenig verblüffend (und bezeichnend), dass die beiden Hauptsponsoren eben nicht aus Magdeburg, sondern aus Niedersachsen und Schönebeck kommen.
„Wir sind als Verein finanziell nicht in der Lage“, erläutert der 70-jährige Richter im Ruhestand weiter, „unseren Spielerinnen Verträge anzubieten.“ Heißt im Klartext: Geld auf die Hand gibt es nicht. Dennoch sei man „stolz“, sich als kleiner Verein mit rund 170 Mitgliedern – davon drei Fünftel Kinder und Jugendliche – „dort halten zu können, wo wir derzeit stehen“. Um jenen Mädchen, die nicht aus Magdeburg stammen, das Training und den Besuch des Sportgymnasiums zu ermöglichen, hat der Verein in der Stadt sechs Wohnungen angemietet, in denen 14 Spielerinnen in einer WG für ein geringes Entgelt leben können.
Nicht nur sportlich ist Liga zwei also ein Abenteuer (Wuttke: „Das wird ein harter Kanten. Zur Regionalliga bestehen schon enorme Leistungsunterschiede“). 12.000 Kilometer Fahrstrecke wären in einer Saison zu bewältigen, rechnet der Präsident vor, 11.000 Euro hat der Verein für Schiedsrichterkosten sowie je rund 600 Euro für elf Übernachtungen bei Auswärtspartien zu zahlen. Ein Etat von zirka 50.000 Euro kommt da schnell zusammen. Würde der DFB da nicht 30.000 Euro zuschießen, für einen Verein wie den MFFC würde die zweite Liga, so deutlich muss man das wohl konstatieren, eine Fata Morgana bleiben. Rudi Bartlitz
Kompakt
Frauenfußball war in Deutschland anfangs alles andere denn eine Erfolgsgeschichte. Die Kickerinnen hatten es über Jahrzehnte schwer. Während das Spiel vor allem in England und Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts überaus beliebt war, war es in Deutschland von Beginn an heftigem Widerstand ausgesetzt. So gingen deutsche Gynäkologen gegen das Spiel auf die Barrikaden, weil sie eine Vermännlichung des weiblichen Geschlechts befürchteten. Zwar gab es bis zum Zweiten Weltkrieg immer wieder Freundschaftsspiele oder inoffizielle Wettbewerbe, doch an einen Ligabetrieb – geschweige denn an eine Förderung durch den Deutschen Fußball Bund – war nie zu denken.
Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich auch auf dem Rest des europäischen Kontinents eine Anti-Frauenfußball-Haltung breit. In Deutschland wurde der Tiefpunkt 1955 erreicht, als Damenmannschaften das Fußballspielen untersagt wurde. Begründung: Fußball sei „eine Kampfsportart und als solche der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd.“ Ferner verletze das Zuschaustellen des Körpers Schicklichkeit und Anstand. An der Popularität der Sportart unter Frauen vermochten diese Maßnahmen nichts zu ändern. Ende der 1960er Jahre, so Schätzungen, jagten in Deutschland zwischen 40.000 und 60.000 Frauen und Mädchen abseits des Verbandes dem Ball nach.
1970 hob der DFB schließlich das Verbot wieder auf. Allerdings gab es Auflagen: So mussten die Frauen eine Spielpause zwischen November und März einlegen, durften keine Stollenschuhe tragen und mussten mit Jugendbällen spielen. Das erste offizielle Länderspiel fand erst am 10. November 1982 (5:1 gegen die Schweiz in Koblenz) statt.