Arm, aber sexy
Es könnte doch alles so schön sein: In den Arenen wird ansehnlicher, teils sogar sehr guter Fußball geboten. Zehn Ex-Erstligisten und eine Handvoll früherer Zweitligisten tummeln sich in dem illustren Feld. Experten sprechen heute schon von der „besten dritten Liga aller Zeiten“ – und, versteht sich, der besten Europas obendrein. Es herrscht Spannung pur. Mit den Absteigern Duisburg, Magdeburg und Ingolstadt sowie Braunschweig, Kaiserslautern, Rostock, Uerdingen und Halle gibt es jede Menge Aufstiegskandidaten. Und mit 1860 München, Preußen Münster und Waldhof Mannheim weitere große Namen der Vergangenheit. So prominent wie in dieser Saison war die vor elf Jahren gegründete Dritte Liga noch nie besetzt.
Von der Attraktivität her ist die Lücke zur Zweiten Liga tatsächlich klein – wenn da nur nicht die vermaledeite Crux mit dem lieben Geld wär’! Denn Tatsache ist: Die Mehrheit der 20 Klubs bewegt sich finanziell auf einem ganz schmalen Grat und muss Jahr um Jahr um die Existenz bangen; oder sogar richtig zittern. Wirtschaftlich ist die Situation ernst. Für die meisten Spitzenteams stellt die Dritte Liga, bei all ihrem sportlichen Wert, deshalb nur eine Art Durchlauferhitzer in die nächsthöhere Klasse dar. Motto: Nur nicht länger hängenbleiben, das könnte schnell gefährlich werden. Das Ziel ist klar umschreiben: weiter oben beispielsweise an die fetteren Töpfe des TV-Geldes heranzukommen. Aus dem TV- und Sponsorentopf des DFB (Deutsche Fußball Bund) erhält jeder Drittligist derzeit nur rund 1,2 Millionen Euro. Zum Vergleich: Aufsteiger Wehen Wiesbaden, zurück in der zweithöchsten Klasse, bekommt in dieser Saison 7,3 Millionen Euro überwiesen. Andere beträchtlich mehr.
Was das Markenpotential der Vereine angeht, ist die Spielklasse in dieser Saison so gut besetzt wie nie, schreibt die „Frankfurter Allgemeine“ in einer Analyse. Am ersten Spieltag strömten denn auch 112.874 Zuschauer in die Stadien, das ergibt einen satten Durchschnitt von 12.874 Besuchern. Im vergangenen Jahr stellte die Liga mit mehr als 1,5 Millionen Zuschauer insgesamt einen neuen Rekord auf. Diese Marke könnte erneut wackeln. Geprägt ist das Image der Liga von einer Nähe zur Basis. Und im Osten insbesondere von einer Reihe spannungsgeladener Derbys. „Profifußball, aber kein Hochglanz“, beschreibt es der beim DFB zuständige Vizepräsident Peter Frymuth, „eine Liga zum Anfassen“. Viele Fans schätzten das Hemdsärmelige im Gegensatz zu den unnahbar erscheinenden Superstars, die bei den Topvereinen unter Vertrag sind.
Allerdings: Das wirtschaftliche Fundament ist, wie gesagt, längst nicht stabil. Wenn es ganz schlimm kommt, droht betroffenen Vereinen der Gang zum Konkursrichter. Die Tendenz hier (und das ist alarmierend): negativ. Der Pleitegeier drängt bei einigen Pappenheimern mittlerweile in die Stammformation. Schon in der vorletzten Saison meldeten mit dem VfR Aalen und FSV Frankfurt gleich zwei Vereine wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an – so viele wie in den vorherigen acht Drittliga-Spielzeiten zusammen. In der zurückliegenden Saison kamen mit Rot-Weiß Erfurt und dem Chemnitzer FC zwei Ostklubs hinzu. Allein für die Zulassung zur Saison 2018/19 mussten die 20 Drittligisten laut „Bild“-Zeitung insgesamt 48,5 Millionen Euro nachweisen. Um diese Deckungslücken zu schließen, sollen die Klubs neue Schulden in Höhe von 39,3 Millionen Euro gemacht haben.
Kenner der Szene machen seit längerem die miese Eigenkapitalsituation einiger Vereine mitverantwortlich für den Abwärtsschwung. Der Verschuldungsgrad wächst dramatisch – ob durch Kreditaufnahmen oder Anleihen. Dazu kommt die Abhängigkeit von einzelnen Geldgebern. Die Risikobereitschaft in den Klubs für kurzfristigen sportlichen Erfolg steigt – weil gerade in den Traditionsvereinen die Erwartungen, auch und gerade von außen, hoch sind und bisweilen die Vernunft überdecken. Hinzu kommt, dass es nach einer Reform nun vier statt drei Absteiger gibt und damit die Gefahr des sportlichen Niedergangs größer geworden ist.
Trotz der Menetekel an der Wand, die meisten Vereine scheinen bis heute eine offene Debatte über die finanziellen Schwierigkeiten in der Liga zu scheuen. Eines der mutmaßlichen Motive dafür: Sie müssten sich dann, wenn sie ehrlich sind, eingestehen, schlichtweg über die Verhältnisse zu leben. Die uralte Kaufmannsweisheit, nicht mehr auszugeben als man einnimmt, scheint in einige Chefetagen der Klubs zu den mathematischen Unbekannten zu gehören. Nur so lassen sich einige für Drittliga-Verhältnisse teils schwindelerregenden Transfers in der Sommerpause erklären.
Wohl dem, der in schwierigen Situationen potente Geldgeber hinter sich weiß. Wie neuerdings der 1. FC Kaiserslautern. Der Markenprimus und einstige Erstligist aus der Pfalz war durch jahrelanges Missmanagement arg in finanzielle Schieflage geraten und musste sogar um die Drittklassigkeit ringen. Da kam Bau-Milliardär Flavio Becca, der reichste Mann im benachbarten Luxemburg, mit zunächst 25 Millionen Euro „Beihilfe“ – immerhin weit mehr als das Doppelte des Gesamtetats der meisten Drittligisten! – wie gerufen. In Rostock verzichtete Geschäftsmann Rolf Elgeti einst auf Forderungen in Höhe von 8,5 Millionen Euro – so konnte Hansa die Saison sogar noch mit einem Überschuss abschließen. Derart helfende Hände werden sich, bei allem gebotenen Respekt vor hiesigen Selfmade-Millionären, in Sachsen-Anhalt wohl nur schwerlich auftreiben lassen... Es war die Zielsetzung des DFB vor elf Jahren, mit der neuen Profiklasse den Abstand zur zweiten Liga zu verringern. Die Absteiger sollten zudem nicht ins Bodenlose fallen. Sportlich ist das gelungen. Ein Beweis dafür: In den vergangenen elf Relegationsspielen um den Aufstieg setzte sich achtmal der Drittligaklub durch! Der wirtschaftliche Anschluss an die Zweite Liga ist jedoch nicht erreicht. Im Gegenteil. Nach DFB-Berechnungen lag der durchschnittliche Ertrag eines Drittligaklubs unter zehn Millionen Euro. Der Ertrag eines Zweitligavereins lag 2018 bei 35,3 Millionen Euro und der eines Erstligaklubs bei 187,5 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr verteilt die Deutsche Fußballliga (DFL) eine Rekordsumme von mehr als einer Milliarde Euro an die Vereine der ersten und zweiten Liga.
Der Probleme ist man sich beim DFB bewusst. Frymuth sagt: „Zu den vorrangigsten Zielen gehört es weiterhin, die 3. Liga finanziell zu stabilisieren und die wirtschaftliche Lücke zur zweiten Liga nicht größer werden zu lassen.“ Der Verband unternimmt dafür durchaus Anstrengungen. Seit der Saison 2017/18 besitzt die Liga mit dem Wettanbieter bwin einen Hauptpartner, seit vergangener Saison vermarktet Adidas den Spielball. Die TV-Erlöse wurden von jährlich 12,8 auf rund 16 Millionen Euro um 25 Prozent gesteigert. Dennoch wird eine Klasse höher, siehe oben, mindestens das Achtfache gezahlt. So löblich die Bemühungen des DFB sein mögen, eine Prognose wie diese scheint nicht allzu gewagt zu sein: Auch in dieser Saison wird so mancher Drittligist wieder nicht nur sportliche Schlagzeilen produzieren. Rudi Bartlitz
FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik über die wirtschaftliche Situation in der 3. Liga.
Teilen Sie die Auffassung, dass, bei aller sportlichen Attraktivität der 3. Liga, die finanzielle Lage in vielen Klubs angespannt ist?
Diese Auffassung deckt sich mit meinen Eindrücken. Die wirtschaftliche Situation ist bei vielen Vereinen in der 3. Liga sehr angespannt. Wie auf einer jüngsten Tagung des DFB dazu deutlich wurde, ist dies allen, auch den betroffenen Vereinen bewusst. Dazu wurde bereits in der vergangenen Saison eine Arbeitsgruppe gebildet. Es muss, so wurde konstatiert, verstärkt darum gehen, Kriterien zu finden, wie wieder mehr wirtschaftliche Stabilität einziehen kann.
Ist der Eindruck richtig, dass trotz Lizenzierungsproblemen bei einer Reihe von Vereinen immer noch viel – zuweilen sogar zu viel – Geld in dieser Liga im Umlauf ist?
Deutlich wird das unter anderem an erstaunlichen Transfers einiger Klubs. Zunächst ist es ja einmal so, dass alle Vereine der 3. Liga dieselben TV-Gelder erhalten. Darüber hinaus hat jeder der Klubs natürlich weitere, unterschiedlich gestaltete Einnahme-Säulen – Zuschauer, Sponsoren, Mäzene usw. Konkret zur Frage: Mein Eindruck ist, dass generell zu viel Geld für das Personal im sportlichen Bereich aufgewendet wird. Ich sage bewusst: für den sportlichen Bereich. Mehr Geld, als die meisten Vereine erwirtschaften können. Da diese Ausgaben grundsätzlich überstrapaziert sind, führt es eben zu finanziellen Schwierigkeiten.
Übernehmen sich einige Vereine, weil sie so schnell als möglich wieder aus dieser Liga herauswollen?
Selbst wenn der sportliche Unterschied zwischen beiden Ligen nicht so groß erscheinen mag, wirtschaftlich ist er enorm. Hier geht die Schere weiter auseinander, was schon bei den TV-Geldern beginnt. In Liga zwei gibt es mindestens acht Millionen Euro pro Saison, eine Klasse darunter sind es knapp neunhunderttausend Euro. Wenn man nun versucht ist, trotzdem sportlich mithalten und oben mitreiten zu wollen, kann das dazu führen, dass die wirtschaftliche Vernunft verloren geht: Man übernimmt sich. Darin sehe ich eine große Gefahr.
Fehlt es dieser Liga mithin an festen finanziellen Regularien? Wie kann man vermeiden, dass die Schere zwischen gesunden Klubs, wozu zweifellos der FCM zu zählen ist, und solchen, die Schwierigkeiten haben, noch weiter auseinander geht?
Es ist ganz offensichtlich, dass derartige Regularien fehlen. Wobei ich einräume, dass sich deren Einführung auch sehr schwierig gestaltet. Doch die Schuld für deren Fehlen trifft nicht zuvorderst den DFB. Es sind strukturelle Fragen, die es zunächst zu klären gilt. Hinzu kommt, dass diejenigen, die ungesund wirtschaften, meist offenbar ausblenden, welch hohes Risiko sie gehen. Nach unseren bisherigen Erfahrungen schließe ich, dass diese 3. Liga sportlich als auch wirtschaftlich machbar ist.
Es ist bekannt, der FCM steht derzeit finanziell gesund da. Wie würden Sie die wirtschaftliche Situation des Vereins im Sommer 2019 beschreiben, der mit einem Etat von 10,2 Millionen Euro in die Saison geht?
Ja, wir stehen in der neuen Liga wirtschaftlich sehr stabil da. Wir verfügen über die Kraft, auch in den nächsten Jahren konkurrenzfähig zu sein, ohne größere Risiken eingehen zu müssen.
Fragen: Rudi Bartlitz