Pssst! Ich höre mich

Angela Lang vermittelt Meditation gegen das Verlernen von Stille.

Jens Wolf

Ruhe bitte! Diese Aufforderung hört man oft im Yoga-Kurs oder beim Rückzug in ein stilles Kloster. Offenbar gibt es einen Trend zum Leisesein oder für ein Still-Leben.

Es gibt in der Tat ausgebuchte Klöster und zahlreiche Menschen, die Ruhe und Entspannung suchen. Ich führe selbst solche Kurse durch. Mit den Teilnehmern, für die ich solche Kloster-Auszeiten organisiere, gehört Stille zum Programm. Für einige scheint es heute unvorstellbar, geräuschlos in einem Raum zu sein und häufig werden solche Momente gar unangenehm empfunden. Die Aufforderung, Ruhe zu halten, ist notwendig, damit das, was ich gern als Balsam von innen bezeichne, wirksam werden kann.

Wie definieren Sie Stille? Existiert dafür eine messbare Größe, wenn man Stille innerlich erleben möchte?
Wenn ich versuche, Stille in Worte zu fassen, dann gehört dazu als Voraussetzung zunächst die Abwesenheit jeglicher Geräusche. Aber Stille ist andererseits wie eine eigene Sprache und gleichsam eine heilsame Kraft. Wenn man sie zulässt, erhält der Zustand möglicherweise philosophische oder spirituelle Bedeutungen. Für mich ist Stille eben wie ein Klang mit vielen Qualitäten. Wirkliche Stille könnte man wie Musik mit einer zarten Klangwirkung auf Körper und Geist beschreiben. Letzlich sind es doch Pausen und Übergänge zwischen einzelnen Tönen, die erst eine Melodie machen. Da, wo kein Murmeln von Stimmen, keine Musik und auch kein technisches oder natürliches Geräusch zu hören ist, sondern nur der Sound des eigenen Körpers und möglicherweise ein Rauschen des Blutes in den Adern wahrnembar wird oder der Herzschlag, dort entsteht die musische Stille eines Selbstseins. Ein Zustand solcher Stille zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen und lässt jeden äußeren Ausdruck, z. B. die Gesichtszüge, weich werden.

Jeder hat eine andere Beziehung zu Stille. Und für eine Zeit lang still zu leben, bedeutet also für jeden etwas anderes?
Still leben kann noch weitaus mehr sein. Besteht eine Verbindung und das Bedürfnis zur Stille, pflegt sich diese wie eine Kultur in den Alltag ein. Diese Lebensart könnte man auch wie einen gewissen Stil sehen. Ob es der regelmäßige Rückzug von modernen Medien ist, die Abgeschiedenheit im Garten oder in den heimischen vier Wänden, ein ganz banales Schweigen oder einfach nur sein – ist zeitgeistlich stilvoll. Ganz bei sich zu sein, gestaltet sich der in heutigen schnelllebigen Zeit oftmals schwierig. Deshalb wächst wohl die Sehnsucht nach einer Art Still-Leben. Für manche könnte man den Wunsch danach schon als Luxus bezeichnen, weil es für solche Menschen oft schwierig erscheint, Stille zu erfahren.

Wie beeinflussen Ihrer Meinung nach Lärm und Geräusche unser Leben?
Wir halten wohl den Lärm und das ganze Alltagstheater drumherum für menschlich und unausweichlich. So ist es aber nicht. Wir erschaffen es doch letztlich selbst und dann gewöhnen wir uns daran. Je weiter wir uns dabei von der Stille entfernen, desto mehr verlieren wir die Natur unseres Wesens. Man kann es drehen und wenden wie man will, nur für einen Moment Stille leben bringt uns dahin zurück, was zu uns gehört, ursprünglich ist und zugleich biologische Notwendigkeit für Körper, Geist und Seele. Ohne Pausen und Auszeiten verlieren wir allmählich die kostbare Fähigkeit, Fantasie zu entwickeln und schöpferisch zu sein. Ein gesunder Wechsel zwischen aktiv sein und Verschnaufpausen ist ausnahmslos gut für unser Hirn. Diese Balance zu finden, ist individuell. Yoga hilft dabei ausgesprochen gut.

Wie finden Sie Stille?
Ich habe meine Möglichkeit gefunden, Stille zuzulassen, quasi schwebe ich in sie hinein. Das gar nicht so ritualisiert, wie sich das andere vielleicht vorstellen. Ein Blick auf den Kern meines Seins reicht mir manchmal schon. Diese innere Sicht ist für mich stets verfügbar. Ich spüre dann etwas von der Schönheit des Lebens. Das ist, als hätte die Stille dann Macht über mich und nicht mehr der Schein eines zwanghanften lauten Drumherums. Fragen: Thomas Wischnewski

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