„Neben der Pflicht zeigen wir jetzt auch die Kür“
Herr Lackner, die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg mbH blickt in diesem Herbst auf 25 Jahre Bestehen zurück. Das Unternehmen musste sich in dieser Zeit einem tiefgreifenden Wandel stellen. Wie sehen Sie als Geschäftsführer diese Periode?
Peter Lackner: Vor 25 Jahren war ich Mieter der KWV. Ich habe quasi den Wandel der Wobau vom Kunden bis zum Geschäftsführer in vielen Facetten am eigenen Leben erfahren. Eigentlich kann man in wenigen Stichworten die Leistung nicht angemessen beschreiben. Denken Sie an den Sanierungsdruck, der aus den Wünschen tausender Magdeburgerinnen und Magdeburger entstand. Jeder erwartete mit dem Vollzug der Deutschen Einheit eine neue Wohnqualität. Gleichzeitig musste der Bereich Altschulden gemeistert werden und dies, während die Stadt aufgrund der Arbeitsplatzverluste einen massiven Einwohnerschwund erlebte. Natürlich haben uns unterm Strich Abriss, Verkauf und Rückbau einen schmerzlichen Aderlass gekostet. Das ging auch mit Mitarbeiterabbau einher. Wir haben diese schwierige Zeit gut überstanden und sind an einem Wendepunkt angekommen. Kurz gesagt: neben der Pflicht zeigen wir jetzt auch die Kür.
Und wie beschreiben Sie diesen Wendepunkt?
Peter Lackner: Heute kann man mit Fug und Recht feststellen, dass die Wobau ein moderner Dienstleister geworden ist. Übrigens müssen wir fortlaufend viel mehr tun als ein Berliner oder Münchner Vermieter. Dort stehen Interessenten selbst bei Wohnungen mit 50er-Jahre-Charme Schlange. Wir können uns nicht ausruhen, sondern stehen ständig unter einem Druck, unseren Bestand modern zu halten. Das wird oft nicht gesehen. Neu Olvenstedt ist dafür ein gutes Beispiel. Das Gebiet war mit Wohnungsanzahl und -standards nicht mehr marktfähig. Weil wir gemeinsam mit anderen Wohnungsunternehmen den Mut hatten, Wohnungen regelrecht wegzureißen, hatten wir die Chance, eine völlig neue Situation zu schaffen. Es gibt ja im Westen auch Plattenbausiedlungen aus den 70er Jahren. Aber dort können sich mehrere Vermieter kaum auf eine Linie einigen. Deshalb verändern sich solche Gebiete nicht. Die Wobau hat die Entwicklung Magdeburger Stadtgebiete maßgeblich beeinflusst und das werden wir auch künftig tun. Das Neustädter Feld ist ein weiteres Beispiel. Da sind sechs 16-Geschosser verschwunden. Die Sozialprognose für das Gebiet war in den 90er Jahren wirklich düster. Jetzt ist sie mit Rückbauprojekten und Einfamilienhauskonzepten ausgeglichen. So etwas hätte ein privater Vermieter sicher nicht geleistet.
Welche Aufgaben stehen für die Wobau aktuell im Fokus?
Peter Lackner: Heute gibt es zahlreiche Menschen mit erfolgreichen Erwerbsbiografien. Die stellen höhere Ansprüche und wollen sich Wohnraum nach ihren Wünschen leisten. Dem Trend stellen wir uns, auch in den Plattenbausiedlungen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung, unter der der Bedarf nach barrierefreien Wohnungen wächst. Weil die Anzahl alter Menschen zunehmen wird, forcieren wir entsprechende Umrüstungen mit Aufzügen und Wohnungsanpassungen. Ein besonderes Projekt ist beispielsweise die Annastraße. Dort bauen wir nicht nur barrierefrei, sondern auch behindertengerecht.
Als städtisches Unternehmen muss die Wobau sicher eine Menge Verpflichtungen und Verantwortungen übernehmen?
Peter Lackner: Rein renditeorientierte Unternehmen haben den sozialen Aspekt des Wohnungsbaus nicht verinnerlicht. Wir sind auch für die Menschen da, die in keiner Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ein Zuhause finden. Wir sorgen dafür, dass Menschen nicht obdachlos werden. Natürlich sind wir nicht überall perfekt, aber an dieser Stelle sind wir wirklich menschlicher aufgestellt und versuchen selbst in schwierigen Lagen, Lösungen zu finden. Das ist nicht immer einfach und manchmal nicht schön, aber wir stellen uns dieser Verantwortung. Wir sehen uns stets in der Pflicht, benachteiligten Menschen Hilfestellungen ein bezahlbares Zuhause zu geben. In der Bundschuhstraße planen wir ein Sonderprojekt, das diesem Aspekt Rechnung trägt. Dort haben wir ein Wohnkonzept entwickelt, in der man in der Nähe einer Sozialstation eine kleine, altengerechte Wohnung finden kann. Die Mieter werden nicht alleine sein. Sie können sich freiwillig an ein Warn- und Meldesystem anschließen lassen, so dass ein ambulanter Dienst im Fall der Fälle helfen kann. Wir entwickeln außerdem ein Produkt, damit auch Menschen mit einer kleinen Rente, z. B. nach Verlust eines Partners, in eine würdevolle Wohnung einziehen können. Das werden wir in den nächsten Jahren forcieren, weil der Bedarf weiter steigt.
Stichwort Zukunft: Die Aktivitäten der Wobau verbinden sich aktuell mit dem Bau des neuen Domviertels.
Peter Lackner: Der Abriss der Zehngeschosser eröffnete uns die Möglichkeit, mit dem Domviertel eine völlig neue Erlebnissituation mitten in der Stadt zu schaffen. Hinzu kommt die Attraktivität des ältesten gotischen Doms auf deutschem Boden. In diesem Bereich halten sich viele Touristen auf. Da schaffen wir jetzt zusätzlich Raum für das künftige Dommuseum. Das ist ganz wichtig an dieser Stelle. Außerdem gibt es das Hunderwasserhaus, und mit der Bebauung an der Danzstraße werden zusätzliche Anziehungspunkte mit Gastronomie und Shoppingangeboten geschaffen. Das Areal wird auf diese Weise für Besucher der Stadt und zugleich für Magdeburger interessanter. Ich glaube, dass ist ein wichtiger Beitrag zur Stadtentwicklung. Es muss uns künftig gelingen, diese dann neu gewonnene Attraktivität Magdeburgs offensiv zu bewerben. Das wird uns sicher mehr Übernachtungsgäste bescheren.
Aber wir wollen mehr als das Domviertel: Die Beimssiedlung mit ihren 2.000 Wohnungen besitzt einen besonderen Charme. Da möchten wir noch einiges in die Entwicklung investieren. Das Gebiet ist ein Schatz, den wir noch gar nicht richtig gehoben haben. Magdeburg ist die Stadt, die durch die Impulse des Neuen Bauens prozentual vergleichbar zu anderen Städten den größten sozialen Wohnungsbau in Angriff genommen hat. Da modernisieren wir nach heutigem Standard, gehen sogar an die Grundrisse und stellen wieder die historische Farbigkeit her. Ich bin mir sicher, dass wir dort in kürzester Zeit jede Wohnung, die fertig wird vermieten werden. Das ist aber eine sehr kostenintensive Sanierung.
Wie viele Bauprojekte kann die Wobau eigentlich parallel leisten?
Peter Lackner: Wir sind noch nicht am Ende unserer Leistungsfähigkeit angekommen. Das liegt auch am Einsatz unserer Mitarbeiter, z. B. in der Bauplanung. Unsere Grenzen spüren wir heute eher dadurch, dass sich manchmal nur noch wenige Firmen an Ausschreibungen beteiligen und wir Probleme bekommen, Aufträge zu vergeben. Die Baubranche boomt und die Kapazitäten der Firmen sind manchmal ausgereizt. Hier möchte ich auch mal darauf verweisen, dass wir in 25 Jahren jede Handwerkerrechnung bezahlt haben und damit ein verlässlicher Partner am Markt sind. Dieses entstandene Vertrauen versetzt uns in die Lage, dass wir am Ende alles hinbekommen, was wir uns vornehmen.
Die derzeitig niedrigen Zinsen sind doch sicher auch ein Vorteil für die Investitionen.
Peter Lackner: Früher hatten wir 3 Prozent Rendite und mussten mit 6,5 Prozent Zinsen Projekte finanzieren. Da konnten wir natürlich nur begrenzt etwas tun. Heute ist die Rendite immer noch bei 3 Prozent, aber die Zinsen stehen bei 1,5 Prozent. Deshalb haben wir unser Bauprogramm jetzt hochgefahren. Die Frage ist, wie viel Baufinanzierungsvolumen wir insgesamt stemmen können. Theoretisch könnten wir noch mehr bauen. Die natürlich Grenze setzen uns aber die Finanzierungsmöglichkeiten und wie wir schließlich das investierte Geld wieder zurückverdienen.
Wegen diesen günstigen Bedingungen können Sie auch das ehemalige Logenhaus in der Weitlingstraße entwickeln?
Peter Lackner: Sicher. Deshalb konnten wir das Logenhaus der Freimaurer für die Stadt erwerben. Schade ist nur, dass wir es erst jetzt kaufen konnten. Denn der zehnjährige Leerstand hat der Gebäudesubstanz gewaltig zugesetzt. Für die denkmalgeschützte Fassadensanierung heben wir bereits Fördermittel beantragt. Da rechne ich spätestens im nächsten Jahr mit einem positiven Bescheid. Dann legen wir sofort los. Ich denke, dass wir mit dem Logenhaus etwas Großartiges bauen können. Ich möchte aber keine Details verraten. Das soll eine Überraschung werden. Die Reaktivierung des Hauses kann das gesamte Quartier aufwerten und dem Bereich des Nordabschnitts neue Impulse schenken. Ich begrüße ebenso, dass es jetzt am ehemaligen Altstadtkrankenhaus richtig losgeht. Der Universitätsplatz wird sicher noch entwickelt werden. Diese ganzen flankierenden Bauvorhaben werden den Bereich des Nordabschnitts Breiter Weg beleben. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Breite Weg mittelfristig in seiner ganzen Ausdehnung vom Uniplatz bis zum Hasselbachplatz wieder zu einer Flaniermeile wird. Das ist für mich auch ein städtebauliches Ziel. Als Wobau werden wir das nicht alleine schaffen, aber es gibt ja weitere Magdeburger Wohnungsunternehmen, die sich für dieses Anliegen ebenfalls engagieren. Meine Wahrnehmung ist, dass sich die Fußgängerfrequenz im Nordabschnitt gegenüber vor zehn Jahren schon verbessert hat. Das Fest am Katharinenturm ist ein bewusster kleiner Baustein. An solchen Punkten werden wir weiterarbeiten.