Ein unsichtbares Band

Genießergeheimnissen auf der Spur

Im Genuss eines guten Whiskys ist man irgenwie allein. Warum? Weil sich das Erlebnis und die Entfaltung von Aroma und alkoholischer Wirkung im Inneren eines Menschen abspielt. Jeder macht dabei seine eigene Erfahrung. Manche entwickeln gar ein Ritual dafür und zelebrieren den Genuss in einer bestimmten Umgebung.

Wenn ein gut gereifter Single Malt auf einen dieser lauschig stillen Abende trifft, ergießt sich nicht nur der Charakter eichenholzgelagter Destillats über den Gaumen, sondern Gedanken werden aus dem Alltag herausgetragen in Sphären, die vorher gar nicht denkbar waren. Dabei können wirklich intime Momente entstehen, manchmal gar Inspiration. Vielleicht erlebt es der eine oder andere wie eine Art Meditation. In sich gehen, braucht Vorbereitung, Entspannung beziehungsweise ein Fallenlassen in den Genuss. Intensiver mag das Spiel der Sinne zwischen Geschmack, Duft und Konsistenz sein, wenn man beim Kosten die Augen schließt. Andere lassen den Blick in die Ferne streifen und versetzen sich dadurch in eine angenehme Gedankenwelt. Auf diese Weise lässt sich fassbar machen, dass der Genuss eines guten Whiskys ein einsames, aber besonderes Elebnis ist.

Doch im Whisky steckt mehr als die Schönheit eines einsamen Augenblicks. Das traditionelle Kulturgetränk – bei dem man sich heute noch nicht einig ist, ob dessen Ursprung in Schottland oder Irland zu suchen ist – bringt eben auch Menschen zusammen. Einer Legende nach waren es die Kelten, die erstmals eine wasserklare Flüssigkeit destillierten – das aqua vitae oder uisge beatha („Wasser des Lebens“). Das hierzu nötige Wissen verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten wohl durch das Aufkommen der Klöster, die damals das Zentrum vieler Ansiedlungen waren und eigene Gasthäuser betrieben. Lebensgeister wecken – dieser Ruf verbindet sich mit einem ausgezeichneten Whisky. Und deshalb entfaltet er seine Wirkung eben auch im gemeinsamen Genuss. Ein wahrer Genießer kippt einen Whisky nicht wie einen Kurzen in die Kehle, sondern lässt dessen Bouquet entfalten. Vorzügliche Single Malts sind meistens mehrere Jahre in Fässern gereift. Da kann man deren Odeur nicht innerhalb einer Sekunde zur Wirkung bringen. Deshalb ist ein Glas Whisky ein guter Begleiter bei ausschweifenden Plaudereien. Der Geist des Getränkes wird auf wundersame Weise zu einem unsichtbaren Band für die Gedanken der anwesenden Menschen.

Wenn darüber dann noch hin und wieder eine Rauchwade aus einer Pfeife aufsteigt, sind sinnliche Genussmenschen im Geiste tief vereint.

Man kann versuchen, diese Empfindungen in Worten zu beschreiben, doch in Wahrheit dringt man nie in die Tiefe solcher Erlebnisse vor. Es nutzt noch nicht einmal, daneben zu stehen, um verstehen zu wollen, was einen oder mehrere Genießer in diesen Momenten verbindet oder wie sich das Phänomen ihrer gemeinsamen Genussreise anfühlte. Ein Außenstehender kann nur in diese Sphären vordringen, wenn er Teil dieses Abenteuers würde. Von Liebe kann man in Worten schwelgen, Schmerz lässt sich nachempfinden und Erlebnisschilderungen verstehen, doch vom innigen Intermezzo dieser Gemeinschaft hat man keine Ahnung.

Es braucht ein Dabeisein, ein tatsächliches Miterleben – egal, ob einsam oder gemeinsam –, um den Impressionen von Genuss näher zu kommen. Eine solche Verführung gelingt auch nur, wenn Genuss Genuss bleibt und nicht zu einer Alltäglichkeit verkommt. Der besondere Moment und ein besonderer Whisky knüpfen das unsichtbare Band zwischen Sinnen und Geist für einen Ausflug in höherer Erlebniswelten jenseits einer sich immer schneller drehenden Welt.

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