Wie viel Biest steckt in dir?

Es sind nicht immer die opulent ausgestatteten Shows mit allerlei Special Effects, die Kinderaugen zum Leuchten bringen. Manchmal reichen zwei Schauspieler, Musikinstrumente und eine schwarze Kiste auf einer kleinen Bühne, um die Jüngsten zu begeistern.

Das Magdeburger Mobile Theater 2000 ist seit mehr als 10 Jahren spezialisiert auf Stücke für Kinder und bereist damit – der Name sagt es – die Schulen der Stadt und der Region. Die Tourneepläne seiner neuesten Produktion, „Die schöne Freche und das alte Biest“, sollte das freie Theater jedoch dringend auf Seniorenheime und -begegnungsstätten ausweiten. Idealerweise vor gemischtem Publikum, denn auf berührende, warmherzige, aber auch sehr lustige Art werden hier Themen verhandelt, die sowohl Alt als auch Jung etwas angehen und worüber sie gemeinsam lachen können: Warum sind Menschen manchmal so biestig? Sind junge Leute immer respektlos oder beruht das manchmal auf Gegenseitigkeit? Steckt in jedem von uns ein Biest, und warum? Und ist das schlimm? Es zeigt auf sehr amüsante Weise, dass junge und alte Menschen gleichermaßen streitlustig und starrsinnig sein können und dass es immer eine Geschichte hinter der Geschichte gibt.

Regisseur Jochen Gehle sowie die Schauspieler Friederike Walter und Andreas Steinke haben sich vom Märchenklassiker „Die Schöne und das Biest“ inspirieren lassen und aus dem Stoff nach der französischen Vorlage von Madame Leprince de Beaumont eine ganz eigene, heutige Version erfunden.

Die junge Altenpflegerin Eliza trifft auf den sehr griesgrämigen, vereinsamten Seniorenheiminsassen Heinrich. Der will am liebsten in Ruhe gelassen werden und ist von der neuen, temperamentvollen Pflegekraft mit dem französischen Akzent eher genervt. Schnell folgen gegenseitige Beschimpfungen zweier Dickköpfe, die sich im Grunde nur durch ihr Alter unterscheiden. Der zwar anstrengenden, aber doch recht charmanten Eliza gelingt es jedoch, Heinrich für einen Augenblick inne halten zu lassen und für ihr Lieblingsmärchen zu begeistern: „Die Schöne und das Biest“. Und ab sofort sind die Kinder, aber auch die Erwachsenen buchstäblich mittendrin im Geschehen. Aus einer runden schwarzen Kiste werden Requisiten hervorgezaubert und Friederike Walter und Andreas Steinke erzählen und spielen in fliegendem Rollenwechsel die alte Geschichte vom Vater mit den drei Töchtern, der für seine Jüngste eine Rose im Garten des Biestes stiehlt und in die Fänge des Ungeheuers gerät. Die Kinder imitieren Meeresrauschen, tanzen, singen und fungieren sogar als Spontan-Statisten auf der Bühne, wenn es mal eben lebendige Kerzenhalter, Mobiliar oder einen Rosenbusch braucht. Zwischendurch zanken sich Eliza und Heinrich so heftig, dass die Fetzen fliegen.

Rasante Szenen und Publikum mit Spaß am Mitmachen

Dabei wechseln rasante Szenen mit mitreißenden Songs, die Friederike Walter und Andreas Steinke an Keybord, Gitarre und Mundharmonika live begleiten, mit ausgesprochen ruhigen, poetischen Momenten, etwa wenn Heinrich als Vater im Märchen vom Verlust seines Kindes Belle erzählt, der einem für immer abgeschlossenen Zimmer gleicht, in dem die Erinnerung verblasst. Und plötzlich gibt es einen Zugang zum Märchen, denn auch Heinrich ist ausgesprochen einsam; seine Kinder besuchen ihn, den biestigen Alten, so gut wie nie. Und er weiß auch, warum: In einer Handpuppengeschichte schildert Andreas Steinke Heinrichs Geschichte, die des reiselustigen jungen Mannes, der seine Familie darüber vergessen hat. Alles falsch gemacht?  Nein, eher höchste Zeit zum Versöhnen, Reden, Lachen und vor allem das Leben (wieder) zu genießen.

Im Forum Gestaltung wurde die Premiere der märchenhaften Geschichte mit großem Applaus gefeiert. Weitere Vorstellungen des etwa 50-minütigen Stücks können gebucht werden unter www.mobiles-theater-2000.de Kathrin Singer

Zurück