Was überdauert …

Theater an der Angel startet in 20. Spielzeit mit faszinierender Premiere: „Jahre später, gleiche Zeit“

Sich in den Reigen der Erinnernden einfach einzureihen, ist dem Theater an der Angel zu wenig. Im 30. Jahr nach der deutsch-deutschen Grenzöffnung gibt es viele Möglichkeiten des „Gedenkens“. Mit ihrer neuen Inszenierung starteten die Angler den Versuch, ein Stück Vergangenheit zu beschreiben ohne zu klagen, ohne zu beschönigen, ohne die in diesen Tagen vielzitierten Sätze zu wiederholen. Dazu holten sie sich Mitstreiter verschiedenen Alters an die Seite, gestalteten aus der Sicht von 30-, 40-, 50-, 60- und 70-Jährigen ein Miteinander und schufen ein unverwechselbares Stück, das persönlich und gleichsam darüber hinaus von dem Leben in einem Land erzählt, das es nicht mehr gibt. Entstanden ist eine echte „Anglererfindung“, ein Feature, wie sie es nennen – eine Mischung aus Hörspiel, Theaterstück, Lesung, Film und Märchen. Am legendären 9. November gab es die Premiere in der Theatervilla in der Zollstraße.

Im Vordergrund steht die ganz persönliche Geschichte zweier Menschen, die sich in ihrer Jugend in der Zeit der Apfelernte kennenlernten, eine stürmische Nacht erlebten und sich danach verabredeten: Nächstes Jahr, gleiche Zeit, gleiche Pension, gleiches Bett. Und damit ist die Szenerie erklärt: Doris (Ines Lacroix) und Georg (Matthias Engel) sind als Paar zu erleben, das sich einmal im Jahr trifft. Dabei erzählen sie sich von ihrem Leben, von den schönsten und schlechtesten Dingen, lieben sich – mal mehr mal weniger –, nehmen leicht, was im Alltag schwer fällt, genießen, was sonst zu kurz kommt. Es geht um Emotionen, um Liebe, Leid und Leidenschaft, ums Vergessen, Erinnern, Verlieren und Wiederfinden. Zwischenzeitlich „fällt“ die Mauer zwischen den deutschen Staaten. Was bleibt, was verändert sich? Im Kleinen wie im Großen. Dabei gelingt es, mit nur wenigen Mitteln viel auszudrücken. Es reichen ein Bett, einige Tücher und zwei beeindruckende Darsteller, die facettenreich die Geschichte erzählen. Als würden sie sie vorlesen. Dieses stilistische Mittel macht vieles möglich.

Eingebettet werden die persönlichen Geschichten in die gesellschaftliche Entwicklung. Mit Videoeinspielungen (großes Kompliment an Anselm Schwindack) und der Off-Stimme des Schauspielers Peter Wittig, der als Erzähler fungiert. Regie führte mit gutem Gespür Rosmarie Vogtenhuber.

Mit dem bebilderten Novemberhörstück „Jahre später, gleiche Zeit“ geht das Theater an der Angel in seine 20. Spielzeit im eigenen Haus (nach „Wandertheater“ seit 1991). Auch das ist ein Stück individuelle Zeitgeschichte. Theater mit erstaunlichen Inszenierungen. Immer wieder faszinierend. Ein Glücksfall für Magdeburg. Birgit Ahlert

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