Sommermärchen im Poetenpack

„Der eingebildete Kranke“.

Die Sommergastspiele vom Poetenpack sind Tradition. In diesem Jahr gibt es sogar zwei Aufführungen, ab 3. August im Möllenvogtei-Garten. Birgit Ahlert befragte dazu Constanze Henning, Theaterwissenschaftlerin und PR-Frau des Ensembles.

MAGDEBURG KOMPAKT: Was verbindet das  Poetenpack mit Magdeburg?
Constanze Henning: Im Ursprung ist es ein Magdeburger Theater, es wurde dort gegründet, dort fanden die ersten Vorstellungen statt. Der Gründer des Theaters, Andreas Hueck, ist nach seinem Engagement am Theater der Landeshauptstadt nach Potsdam gezogen. Magdeburg ist unsere zweite Heimat geblieben. Wir kommen immer wieder gern zurück.

Das Poetenpack zeichnet sich unter anderem durch den besonderen Umgang mit der Sprache aus. Gehört der zum Erfolgsrezept?
Ja, ein Stück weit. Theater verändert sich, es werden moderne Techniken wie Videoproduktion eingesetzt. Wir haben uns auf das Ursprüngliche des Theaters besonnen, wo Sprache  und körperliche Darstellung das Wesentliche sind.
Wir haben auch Experimente gestartet, doch die Klassiker sind erfolgreicher. Dazu gehören auch modernere wie George Tabori, Yasmina Reza oder Woody Allen. Eine Konstante ist jedoch, dass wir am Text bleiben, die Intentionen der Stücke forttragen, Dichter-treu. Das schätzt das Publikum. Es hat sich zu unserem Weg entwickelt.

Das Poetenpack war eines der ersten, die in der eigentlichen Spielzeitpause Theater anboten. Mittlerweile tun das andere ebenfalls und das Publikum kann fast den ganzen Sommer über Theater erleben. Wie betrachten Sie diese Entwicklung – als Konkurrenz oder Belebung?
Von beidem ein bisschen. Einerseits ist es natürlich Konkurrenz, da die Leute uns nicht mehr so exklusiv wahrnehmen. Besucher, die uns kennen und schätzen, kommen natürlich trotzdem, auch immer wieder neue. Andererseits ist es eine Belebung. Das Publikum kann sich unterschiedliche Produktionen anschauen und vergleichen. Sie wählen, was zu ihren Intentionen passt. Möglicherweise ist es das, was sie immer wieder zum Poetenpack kommen lässt. Sonst gäbe es uns nicht schon fast 20 Jahre.
Es macht uns große Freude, den Magdeburgern unter freiem Himmel Theater zu bieten. Das ist immer ein besonderes Erlebnis. Es bringt Unterhaltung für Touristen ebenso wie für Magdeburger, die den Sommer in ihrer Stadt verleben und Kultur erleben möchten – unter freiem Himmel und nicht in geschlossenen Räumen.

„Der kleine Prinz“.

Das Poetenpack hat ein weitgefächertes Repertoire. Für Magdeburg steht Molières „Der eingebildete Kranke” auf dem Programm. Warum gerade dieses Stück?
Es ist eine wunderbare Komödie, die Tiefgang hat, aber auch ganz viel Humor. Sie hat zudem viel mit unserer Zeit zu tun. Dieses Kranke in der Gesellschaft, die Beschäftigung des Individuums mit sich selbst – die Suche nach Liebe und Anerkennung, die Einsamkeit und Auseinandersetzung mit dem Tod – was bleibt von mir? Gesundheit, Krankheit und die Medizin-Industrie spielen heute eine ganz große Rolle. Das haben wir nicht vordergründig betont, aber diese Aspekte kann jeder im Publikum mit eigenen Erfahrungen verbinden. Insofern ist der Molière sehr heutig. Auch wenn durch die Kostüme deutlich wird, dass es nicht in der Jetzt-Zeit spielt.  

Trotz der Orientierung am klassischen Original gelingt es dem Poetenpack immer wieder, eine spezielle Produktion auf die Bühne zu bringen. Diesmal gibt es neben aufwändigen Kostümen sogar Masken ...
Das ist tatsächlich neu und durch die Spielart entstanden. Die Figuren im Stück haben eine Tendenz zur Commedia dell'arte. Es gibt nicht den Arlecchino, aber doch stark überzeichnete Typen, die werden durch die Masken noch deutlicher.

Außerdem soll es musikalisch werden?
In Molières Zeiten wurde oft im Schauspiel Musik eingesetzt. Der Rhythmus der Sprache hat etwas Besonderes. Musik unterstreicht die Atmosphäre.

Musikalisch wird es ebenfalls bei „Der kleine Prinz“, der in diesem Jahr als Kinder-Stück inszeniert wird.
Ja, ab 4. August laden wir zu dieser Familienvorstellung ein. In beiden Inszenierungen wird Olaf Mücke für musikalische Auflockerung sorgen. Gemeinsam können Familien erleben, dass Liebe und Freundschaft stärker sind als Besitz, Reichtum und Macht.

Das Stück ist in neuer Bearbeitung zu erleben. Was bleibt vom Original, was ist anders?
„Der kleine Prinz“ ist eigentlich ein Buch eines erwachsenen Mannes, in dem man den Autoren Antoine de Saint-Exupéry wiedererkennen kann. Es ist kein Kinderbuch. Wir wollten jedoch eine Ins-zenierung für Familien. Bei unserer Suche entdeckten wir die Stück-Fassung der österreichischen Autorin Elisabeth Vera Rathenböck. Der Charme und die Poesie des Buches sind erhalten geblieben. Anders ist, dass der Prinz nicht offensichtlich stirbt. Das wäre kein schönes Märchen-Ende. Die Schlange sagt zwar: „Ich kann dir helfen“, man sieht aber nicht wie. Der kleine Prinz geht einfach. Danach hört man ihn lachen, er lebt weiter und kann weiterhin zu Besuch kommen. Somit ist dieses Stück bereits für Kinder ab 5 Jahren geeignet.

Entsprechend ist die Ausstattung ...
Mit schönen Kostümen, sehr farbig, sehr kreativ. Es ist sogar eins für die Rose entstanden. Und der König wird zur violetten Kugel, die auch der Planet ist, auf dem er sitzt. Sehr phantasievoll.
Bei Molière hingegen dominiert die Farbe weiß und die Kostüme zitieren historische Vorbilder.

Bei Molière ist die Hauptrolle besetzt mit Justus Carrière, aus der berühmten Künstlerfamilie. Wie kam es dazu?
Justus Carrière ist seit vielen Jahren mit unserem Theater verbunden. Er hat 2006 bei „Leonce und Lena“ zum ersten Mal mitgespielt. Dann führte er Regie bei „Hamlet“, der im Dom-Garten zu erleben war. So ist er lose verbandelt mit dem Poetenpack. Die Rolle des Argan bietet für einen Schauspieler eine große Herausforderung, man kann alle großen Gefühlszustände auspielen und ist im ganzen Stück präsent. Eine Herausforderung. Die hat er angenommen. Zwar ist er seit vielen Jahren Schauspiellehrer in Berlin und außerdem mit seinem berühmten Cousin Mathieu Carrière vielbeschäftigt. Aber er liebt dieses Open-air-Theater und diese Rolle hat ihn Ja sagen lassen.

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