Ludwig Schumanns mächtige Worte als Buch erschienen
Texte hat Ludwig Schumann erarbeitet wie ein Komponist ein Musikwerk entwickelt oder wie ein Bildhauer aus einem Stein eine Plastik löst, in dem er das überflüssige Material abhaut. Schumanns Sätze hatten immer mehre Ebenen. Man konnte auf sie blicken, und sah wie durch viele Zwiebelhäute. Der 1951 in Erfurt geborene Autor absolvierte im Interhotel „Erfurter Hof“ zunächst eine Kochlehre mit Abitur. Später studierte er Theologie in Berlin, Naumburg und Erfurt. Von 1976 bis 1989 war Luwig Schumann Landpfarrer in Groß Rodensleben. Bereits 1987 erhielt er den Hauptpreis im Lenné-Wettbewerb für den Text „Der Mensch in seiner Landschaft“. Einem staatlichen und ideologischen Diktat wie in der DDR stand er ablehnend gegenüber. Einer Scheinbarmherzigkeit ebenso. Deshalb verließ er die Institution der Kirche, aber nicht seinen Gott. Seit 2004 lebte er als freischaffender Autor und Herausgeber zahlreicher Schriften.
Wer Ludwig Schumann nahe gekommen war, mit dem führte er unerbittlich respektvolle Dialoge. Im Arbeits- und im Wohnzimmer türmten sich Bücherstapel, standen bis zum Bersten gefüllte Regale festgehaltener Gedanken und gespeicherter Musik. Zeppernick bei Möckern – das war sein Refugium mit der Aura von Räumen, die ein Spiegel seines weiten Geistes und ein Zeugnis für das Öffnen desselbigen vermitteln konnten. Die Bücher und Booklets, die Ludwig Schumann allein oder in Zusammenarbeit mit anderen geboren hat, sind ein weites literarisches Feld. Da gibt es das fröhliche Kinderbuch mit Heike Prell „Plötzlich fiel meine Nachbarin vom Stuhl“ (2009, Harry Ziethen Verlag) oder den erotischen Geschichtenkranz „Den ganzen Tag Frosch“. In „Verletzte Landschaft“ führt er Interviews beiderseits der ehemaligen Zonengrenze. Für „Gartenträume – Zwischen Harz, Elbe und Saale“ erhielt er 2008 den 3. Preis des Deutschen Gartenbuchpreises. Mit „Der Dreizei-tenpsalm“ veröffentlichte Ludwig Schumann eine Reihe politischer Gedichte. Doch so zweifelsfrei eindeutig er sich gegen Unrecht und Ungerechtes wendete, so einfühlsam zerrissen konnte er Liebesgedichte in den Band „WASSERHAUTSEELE“ schreiben.
Im Streit Harmonie finden, einen Gegenpol sehen können oder einer Tiefe die Höhe gegenüberzustellen – darin wandelte ein Ludwig Schumann. Menschen, die sich manchmal gegen ihn als den Streitbaren und scheinbar Unbelehrbaren gestellt hatten, fanden längst sein Verzeihen. Er hätte ihnen zu jederzeit die Hand gereicht, wenn sie diese doch nur gesucht hätten. Ludwig Schumann hatte in all seinem Schaffen in unzählbare Seelen geschaut und wie kaum ein anderer mit einer seltenen, eigenen Erfahrungswelt auf Lebenswege geblickt. Ob Opfer oder Täter, Menschen mit Rissen und mit angeheftetem Makel – sich solchen Personen zu nähern, war ihm wie eine Lebensaufgabe. In der Justizvollzugsanstalt Burg leitete er gemeinsam mit der Gefängnisseelsorgerin Jana Bittner die „TalentLos!Schreibwerkstatt“. Seinen Strafgefangenen war er nicht nur ein literarischer Vater, der ihnen aufgab, mit Worten aus sich herauszutreten. Gleichsam brachte er sie mit ihren Arbeiten in die Öffentlichkeit. 2017 erschien das Buch „Der heilige Stolperer“, das mit einer Lesung der JVA-Insassen im Magdeburger Kloster Unser Lieben Frauen vorgestellt wurde. Solche Herausforderungen nahm Ludwig Schumann völlig uneigennützig an. Und immer wieder nachts trieb es ihn an seine Arbeitsmaschine, an den Computer, um einen neuen „Langsamen Leser“ aufzuschreiben. Vier Jahre lang entwickelte er in MAGDEBURG KOMPAKT Gedankenreigen über das Zeitgeschehen. Für zahlreiche Leserinnen und Leser war er eine Schreib-Institution mit einer mächtigen Stimme. Seine Worte reichten weit über den Raum Magdeburg hinaus und wurden vielerorts gehört. Mit Friedrich Schorlemmer, Konstantin Wecker oder Galsan Tschinag führte er Konversation. Noch Mitte 2018 wurde er als Mitglied in den deutschen PEN-Club aufgenommen. Eine verdiente Ehre. Seine Kolumnen „Ich bin ein langsamer Leser …“ sollten im Herbst 2018 als Buch erscheinen, quasi als Zwischenstand aus seiner Werkstatt. Nach seinem Tod, am 22. Mai ist daraus leider ein vollendetes Werk geworden. Jetzt ist es erschienen im Buchhandel und bei MAGDEBURG KOMPAKT erhältlich. Thomas Wischnewski
Lesung mit Wegbegleitern
In Erinnerung an das Mitglied des PEN-Clubs Deutschland, den vielseitigen Autor und Kolumnisten dieser Zeitung wird am 1. Oktober, um 19:30 Uhr, das Buch „Der langsame Leser“ in der Zentralbibliothek Magdeburg (Breiter Weg 109) vorgestellt. Fünf Wegbegleiter Heike Schumann, Jana Büttner, Michael Marquardt, Wilfried Welz und Thomas Wischnewski lesen Auszüge aus dem Buch. Eddie Weimann singt Lieder zur Gitarre mit Texten von Ludwig Schumann.
Der langsame Leser
Kolumnen von Ludwig Schumann
Verlag: Kompakt Media GmbH & Co. KG
Hardcover, 200 Seiten
ISBN: 978-3-9821245-0-6
Preis: 21,85 Euro