Leben. Fühlen. Fantasieren.

Evgeny Titov ist ein kluger Bilder-Erfinder. Er schöpft seine Bildwelten einerseits aus Sagen und Folklore, aus biblischen Stoffen, Ritualen und Eulenspiegeleien, doch zugleich auch aus dem nüchtern kalten Sibirien, aus dem er stammt, den dörflichen Traditionen und dem Alltag der Menschen, die das Leben direkt und mit Hingabe aufzufassen gelernt haben. Doch Titov ist kein Illustrator. Es gelingt ihm in den kleinen und großen Szenen ein uneigentliches Erzählen – allegorisch, metaphorisch und symbolisch im Detail bildet er Schicksale ab, wie sie überall zu finden sind. Es sind Geschichten von Verführbarkeit und Stolz, von Angst und kindlicher Hoffnung, von Freude und List. Er schafft eine einzigartige Balance aus ernstem Alltagsleben in den engen Grenzen der Umgebungsrealität und grenzenlosen Visionen und Träumen – nicht idyllisch oder kritisch, sondern voller Poesie und Sympathie, auch für die Figuren, die durchaus keine Helden sind. Seine Menschen, Tiere oder Fabelwesen sind auf der Suche nach dem großen Glück, dem kleinen Erfolg oder versuchen einfach nur zu überleben. Es finden sich ebenso Anklänge an Surreales und an die Figurenmalerei der Renaissance, vor allem aber an den fantastischen Realismus mit seinen Anforderungen an die Vorstellungskraft. Im Hinblick auf die Motivverwandtschaft würde man Titov als Malerpoeten in die Nähe von Marc Chagall rücken.

Titovs Bildwelten sind Appelle an den Fantasiebegabten, sich von der Wahrnehmung der konkreten Abbildung zu lösen und über die Details, ihre Verfremdung, Verdichtung und Perspektivverschiebung hinaus das Wesen des Ganzen zu erkennen. Was lässt sich alles lesen aus dem gut bewachten „Tempel der Liebe“ mit dem viel zu teuren Eintritt, dem „Herrn der Seelen“, der gnädig Masken verteilt, und aus „Gesellschaft und Schatten“ mit all den symbolträchtigen Habseligkeiten auf beiden Seiten. Überall springt der Sinn hin und her in der kleinen und doch so großen Grauzone, wo sich Erlebtes, Gefühltes und Vorgestelltes überschneiden und sich gegenseitig bereichern und beleben.

Evgeny Titov schafft seine Werke „aus seinem Herzen“, wie er sagt, „unwillkürlich“ und so steckt in jedem seiner Bilder auch ein Stück seiner Seele. Und wenn man genau liest, ergibt die vertiefende Betrachtung dieser Malerei eine „Gute Beute“. So heißt dann auch die Ausstellung, die bis zum 3. November zu sehen sein wird. Eröffnung ist am Freitag, 11. Oktober, um 18 Uhr  in der Kunstgalerie fabra ars in der Grünen Zitadelle, Breiter Weg 8a.

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