Kultur wie Luft zum Atmen

Sommerferien sind vorbei. Auch die Festung Mark startet in die neue Saison. Birgit Ahlert unterhielt sich darüber mit Festungs-chef Christian Szibor.

MAGDEBURG KOMPAKT: Angepasst ans studentische Publikum war es in letzter Zeit etwas ruhiger in der Festung. Habt ihr frische Energie auftanken können und startet mit neuen Ideen und Aktionen?
Christian Szibor: Wir hatten weniger Partys für Studenten, ja, dafür andere Veranstaltungen wie Abibälle und Firmenfeiern. Der Sommer war ein wenig die Ruhe vor dem Sturm, jetzt im August starten wir wieder voll durch. Einiges steht an wie unsere Sommer-open-air-Konzerte, die mit Gregor Meyle und Michael P. Kelly gerade einen wunderbaren, wenn auch leicht verregneten Start hatten.
Eine Auszeit zum Planen neuer Aktionen hatten wir uns bereits im Mai genommen. Zur Positionsbestimmung. Die wichtigste Erkenntnis war, uns auf unsere Kernkompetenz zu besinnen. Wer sind wir? In erster Linie Kulturzentrum. Die Stadt hat uns diese spannende Immobilie zur Nutzung übertragen, die Bauarbeiten sind im Wesentlichen abgeschlossen, die Räume bespielbar, Parkplätze wurden geschaffen, was ist nun unsere Aufgabe? Allein Veranstaltungen zu organisieren, reicht nicht. Wir wollen gemeinsam mit Partnern Events anbieten. Große Konzerte ebenso wie Kleinkunst, studentische Veranstaltungen, Firmenpräsentationen, Feste. Auf hoher Qualität. Deshalb gilt es, in Ausstattung, in  Equipment zu investieren. Ins Raumklima. Zum Beispiel beim Hohen Gewölbe, unserem Herzstück, den mittleren Kanonengang mit einbeziehen. Es soll einen Terrassenumlauf  geben, damit auch größere Veranstaltungen möglich sind, ohne dass sich Gäste abgeschottet fühlen. Dazu wird es demnächst eine Ausschreibung geben.
Außerdem kommt bessere Videotechnik zum Einsatz, fünf große Leinwände, für Präsentationen auf hohem Niveau. So eine Investition ist für uns zu teuer, also übernehmen das Kooperationspartner.

Manche Gäste bedauern, dass es zu professionell wird zwischen den alten Gemäuern ...
Die schönen improvisierten Zeiten sind vorbei. Manche bedauern, dass damit dieser Charme fehlt. Aber wir haben weiterhin den Kulturvirus in uns, wollen Künstler für ihren Start eine Bühne geben. Dafür steht die Experimentierstation Kulturwerkstatt, für erste Auftritte, Sessions, Improvisationen ­– alle sind eingeladen. Wir freuen uns, dass dieses neue Angebot gut angelaufen ist.

Ihr seid zufrieden? Warum hat das dazugehörige Stübchen dann eingeschränkte Öffnungszeiten?
Die Konzerte werden gut angenommen. Was das Stübchen angeht, ja, das könnte besser laufen. Wir sind derzeit auf der Suche nach engagierten Leuten für die Gastronomie. Andrererseits – das sieht man auch am Hassel – ist die Kneipenlandschaft im Umbruch. Wir müssen uns diesbezüglich neue Gedanken machen. Momentan öffnet das
Stübchen eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn. Das wird sich wieder ändern.

Welche Veranstaltungen sind geplant?
Die Sommerkonzerte starten gerade wieder. Die Zusammenarbeit mit Partnern wie d2m und Mawi-Konzert macht es möglich, dass Künstler wie Gregor Meyle, Nena oder Michael Patrick Kelly bei uns auftreten. Bei anderen wie Keimzeit bringen wir unsere Kontakte und Erfahrungen ein. Soeine bunte Mischung. Inspirationen bringen auch Zusammenarbeiten wie mit der Telemania. Telemann in der preußischen Kaserne, das hat wunderbar funktioniert. Crossover soll es mehr geben.
Unser Ziel ist es, das Bestehende zu stabilisieren und jedes Jahr etwas Neues hinzuzufügen. So haben wir die Mitsommernacht gemeinsam mit IKEA neu ausgerichtet. Auch die „Eiszeit“ werden wir weiterentwickeln. Tradition hat das Kunsthandwerk mit Frühlings-, Töpfermarkt oder Advent in den Gewölben. Das bleibt. Aber auch dafür suchen wir nach neuen Wegen, damit sie nicht nur Routine wird.
Der Street-Food-Markt war ein großer Erfolg und wir freuen uns, dass die Veranstalter wieder in die Festung Mark kommen wollen. Wir möchten jetzt dazu beitragen, das Konzept zu erweitern, indem wir den Markt mit Kultur und Kleinkunst verbinden und so zum „Street-ART-Festival“ ausbauen. Ich denke, so ein Festival steht einer Kulturhauptstadt gut zu Gesicht.

Gibt es dafür schon einen Termin?
Es ist geplant für nächstes Jahr zum Himmelfahrtswochenende.

Stichwort Kulturhauptstadt. Wie siehst du die Chance für Magdeburg?
Lange Zeit war ich skeptisch, und es muss sich noch einiges in Magdeburg ändern, wenn wir eine Chance haben wollen. So sollten beispielsweise Kultur-Veranstaltungen wie die Mittsommernacht von der Verwaltung nicht länger als „Störereignisse“ eingestuft werden. Schlimm genug, dass Freiluftveranstaltungen bundesweit in der sog. „TA Lärm“ geregelt werden. Wobei hier immerhin an einem Ort bis zu zehn „seltene Ereignisse“ im Jahr erlaubt sind. Doch in behördlichen Verfügungen wird in Magdeburg daraus ein „seltenes Störereignis“, das klingt wenig kulturvoll und passt nicht zu einer werdenden Kulturhauptstadt.  
Andererseits gibt es viel, was die Stadt kulturhauptstadtwürdig macht. Wir sind eine Stadt voller Brüche, vom Mittelalter bis heute. Das sieht man überall. Die Festung Mark ist ein Beispiel dafür. Zwischen die Mauern setzt sich die Kultur wie eine Pflanze, die treibt aus und bildet den sozialen Kitt. Oder schauen wir zur Aerosol Arena. Das ist doch irre – welche Stadt hat denn sowas? Künstler aus ganz Europa kommen in eine alte Industrieanlage! Das ist Kulturhaupstadt! Schauen wir auf die Entwicklung nach der Wende. Der Maschinenbau brach fast zusammen, geblieben sind leere Hallen, riesige Narben. Die kannst du nur ertragen mit Kultur. Diese Erfahrung macht uns zu einer Kulturhauptstadt, denn Kultur braucht diese Stadt zum Leben wie die Luft zum Atmen und ich glaube, das empfinden ganz viele Magdeburger so. Wenn man es richtig inszeniert, ist es eine riesige Chance. Auch wir als Festung Mark wollen uns spürbar einbringen.

Auf welche Weise?
Mit Projekten, bei denen Nachhaltigkeit entsteht, die über die Zeit hinaus wirken, nur dann macht es wirklich Sinn. Jeder, auch die Verwaltung, muss vom Gedanken der Kulturhauptstadt infiziert sein. Dinge auf den Weg bringen, die Bestand haben. Wie die Bundesgartenschau, deren Gelände als Park erhalten blieb und die Stadt verändert hat. Ich sehe die Festung Mark als Katalysator. Ein spannender Raum für Begegnung und Kommunikation.

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