Hamlet und die Irren der fake news

Sommertheater der Compagnie Magdeburg 09 ab 10. Juli im Möllenvogteigarten

Bei der Probe (v.l.): Fabian Mutschlechner, Bernd Kurt Götz, Mareike Greb, Michael Hecht (hinten), Ekkehard Schwarz und Dennis Wilkesmann. Foto: Peter Gercke

Wir beginnen mit der Schlusszene“, sagt Regisseurin Gisela Begrich, und schon sortieren sich die Schauspieler auf und neben der Bühne. Im Theaterraum unterm Dach der Sudenburger Feuerwache probt die Compagnie 09. Seit 1993 inszeniert sie ein Sommertheater, viele Klassiker darunter – aber immer im eigenen Stil. Vom „Bördefaust“ der Anfangsjahre reicht das Repertoire in diesem Jahr zu Shakespeares Hamlet. Es hat seinen besonderen Reiz, bekannte Stücke in ein neues Gewand zu bringen, erklärt Autor Bernd Kurt Götz. Er ist immer wieder auf der Suche nach DEM besonderen, neuen Ansatz für eine Geschichte, die klassisches Bühnenmaterial mit der heutigen Zeit verbindet. Und – auch das mag ein Grund sein – bekannte Stoffe locken das Publikum. Noch dazu, wenn sie mit entsprechend Humor gespickt sind, wie von diesem Ensemble gewohnt.
„Nochmal ab ,Dreckskerl’“ bestimmt die Regie. „Wer brachte meinen Vater um und wo ist meine Schwester?“, fragt aufgebracht Laertis. Das antwortende „Lass dich umarmen“ von des Königs Bruder Claudius kann ihn nicht bremsen. Ein aufgeregter Disput entspinnt sich, in das die feierlustige Gertrud platzt und unwirsch zu Boden geworfen wird. Stimmungsvoll geht es auf der Bühne zu. Laute Rufe, schnelle Schritte, viele Worte. Bernd Kurt Götz wechselt zwischen Bühne (er hat in dieser Szene die Rolle des Hauptmanns) und Regie-Stand. Er ist für die Inszenierung der Action-Szenen zuständig, Gisela Begrich übernimmt dafür die leisen, gefühlvollen Parts. Eine Regie-Mischung, die sich bewährt hat. „Zu spät“, wird das Spiel unterbrochen. Ein Mü nur, für Nicht-Fachleute wahrscheinlich nicht erkennbar, doch dem Profi kommt es auf jede Sekunde an, auf jeden Augenaufschlag, jede Variation in der Stimme. Ob genug Ironie mitklang, klärt Götz in der Geisterfrage. „Ich habe den König gespielt?”, fragt erstaunt der Geist, der eigentlich keiner ist, sondern ein Schauspieler, der zu Hamlet flüstert. Der ihm zuträgt, sein Vater sei ermordet worden. Doch in dieser Inszenierung – im Gegensatz zur Urfassung – wurde er das nicht. Der König starb eines natürlichen Todes. Hamlet jedoch glaubt der Geisterstimme und sinnt auf Rache.
Das ist der neue Ansatz im Stück, der Bezug nimmt auf die Gegenwart: Was passiert mit falschen Nachrichten, wenn sie ungeprüft weitergegeben werden? Die „fake news“ finden Einzug ins Shakespeare-Werk. Sind das die neuen Geister, denen wir glauben, die wir dem Glauben an Geister abgesprochen haben? Was ist der Unterschied zu Hamlet? Der glaubt an Geister, beschränkt sich nicht auf Fakten, die wissenschaftlich abgesichert sind. „Wir neigen inzwischen auch dazu, weil wir immer mehr bezweifeln, ob das, was wir an Informationen erhalten, stimmt“, erklärt Autor B. K. Götz seinen Ansatz. Im Spiel spalten sich die Gläubigen: Für und Wider des Geistes. Wer hat Recht? „Die Welt ist groß genug, dass wir alle darin Unrecht haben können“, versucht es Gertrud. Die wird dargestellt von Mareike Greb, die im vorigen Jahr als Lady Macbeth wandlungsreich glänzte. Nunmehr zeigt sie andere Facetten, statt machtorientiert ist sie feierlustig.
Neben bekannten Stammspielern wie Bernd Kurt Götz und Ekkehard Schwarz (zum 10. Mal dabei!) sind neue Gesichter zu entdecken. Einen edlen, stimmgewaltigen Claudius gibt Michael Hecht, gebürtiger Magdeburger, der als Schauspieler in Berlin seine Heimat gefunden hat. Aus Wuppertal kommt Dennis Wilkesmann, zu erleben als ironisch-kämpferischer Laertis. Hamlet stammt aus Südtirol, wo er als Kfz-Mechaniker begann, dann eine Musicalausbildung in Hamburg absolvierte. Seine Ophelia hingegen kommt ganz aus der Nähe: Luise Haberloh ist Abiturientin und gehört zum Magdeburger Theaterjugendklub. Beide Besetzungen haben sich beim jeweiligen Casting als Beste bewiesen. Weil sie nicht nur schauspielern, sondern auch singen können, betont Gisela Begrich. Der Musik gebürt schließlich in jeder Compagnie-Inszenierung ein wichtiger Part. Die stammt erneut von Christoph Deckbar, der mit seinen Kompositionen punktgenau dem Spiel die Krone aufsetzt.

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