Härtetest: Den Bruch der 90er überwinden

Das Jahr 1981 könnte in die Magdeburger Musikgeschichte als eines der bedeutendsten der Rockmusik an der Elbe eingehen. Das Genre hatte nämlich zu dieser Zeit Hochkonjunktur. Die Gruppe Magdeburg war auf einem Höhepunkt, bis die Musiker aus Protest gegen staatliche Bevormundung geschlossen einen Ausreiseantrag stellten. Außerdem gab es bereits die Band Reform und einige andere. 1981 war aber auch das Gründungsjahr für die Bands Juckreiz und Scheselong. Live-Musik boomte. Rock galt für viele junge Menschen damals als Ventil oder Protestausdruck. Die Musik war emotionaler Ausdruck, politisches Sprachrohr und Subkultur. Die Texte der Bands vermittelten subtile Botschaften gegen eingefahrene Gleise und ideologische Doktrin. Neue Musikstile sind stets jugendliche Ausdrucksformen, um gegen Bestehendes und Verkrustungen aufzubegehren. Doch das künstlerische Metier wurde von der Wendebewegung 1 989 und deren Dynamik genauso bewegt und ergriffen wie die Menschen in der DDR. Jeder kennt das historische Ergebnis: die Deutsche Einheit. Der Traum für die Überwindung der staatlichen Teilung war aber zugleich ein abrupter Abbruch der Existenz der meisten Musiker. Der staatlich organisierte Kulturbetrieb, der Auftritte, Ruhm und Brot beschert hatte, löste sich von heute auf morgen ins Nichts auf. Es galt, sich neu zu orientieren. Viele hingen zunächst die Instrumente an den Nagel und versuchten sich in anderen Jobs. Die Magdeburger Rock-Musikszene erlebte einen jähen Abriss. Die Folgen reichen bis ins Heute.

Die lokalen Vorbilder, die bisher anfassbar Jugendliche inspiriert hatten, sich mit Leidenschaft der Musik zu verschreiben, waren plötzlich von der Bildfläche bzw. von den Bühnen verschwunden. Die Zeit des Einigungsprozesses war eine Orientierungssuche für alle. Nur in der Musik fand die Phase kaum Widerhall und deshalb fand sich wohl kaum Nachwuchs. In Magdeburg wie in anderen ostdeutschen Städten wuchsen kaum Bands mit eigenem Profil, eigenen Texten und Songs. Welche Botschaft wollte man in einem Totalumbruch, in dem keiner wusste, welcher Stein auf dem anderen bleiben sollte, auch vermitteln? Vielleicht klafft deshalb irgendwie eine Lücke im musikalischen Schaffen der Stadt. Heute gibt es wieder viele junge Bands mit demselben Anspruch, mit dem einst Magdeburger Rocker auf die Bühne gingen. Die Bedingungen sind natürlich ganz andere. Aber dazwischen fehlt scheinbar etwas.

Wer jedoch einmal tief vom Musizieren ergriffen wurde, kommt von der Droge, etwas in Liedern ausdrücken zu wollen, nicht mehr los. Irgendwann steht jeder vor der Frage: Soll es das gewesen sein? Die Wurzel wirkt auch in den Protagonisten aus dem Anfang der 80er Jahre. Michael Kranz, der dieser Generation angehört, hat die Gitarre trotz des Todes von Scheselong-Mitstreiter Dirk Münster nicht an den Nagel gehängt. Und es gibt jüngere Musiker wie Michael Isensee (Crossfire), die sich mit der klaffenden Lücke nicht abgeben wollen. Oder Marius Stieler (mobilFUNKgerät), dessen Vater Charlie Ludwig zuletzt die Gitarre bei Gruppe Magdeburg spielte, der einen eigenen musikalischen Weg mit deutschen Texten geht. Deshalb ist die Veranstaltung „Härtetest“ am 28. Januar in der ehemaligen Industriehalle „Halber85“ ein Erinnern, Weitertragen und eine Neuausrichtung Magdeburger Rockmusik, bei der Tradition und deren Fortsetzung zusammenkommen. Hier wird etwas weitergetragen, was 1990 zu früh abbrach. Aber es verspricht eben nicht nur Nostalgie, sondern vor allem eine neue rockige Frische. Es ist ein musikalischer „Härtetest“ fürs Heute und Morgen. (tw)


HÄRTETEST
Drei Generationen Rockmusik aus Magdeburg
Scheselong – Crossfire – mobilFUNKgerät
28.01 .201 7, Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr
Eventhalle Halber85
39112 Magdeburg, Halberstädter Str. 85

Karten 13 Euro zzgl. VVK | 16 Euro Abendkasse:
Magdeburg Ticket, Kartenhaus im Allee-Center,
Volksstimme Service-Center
Telefonisch: 0391 -79296750 (9 bis 16 Uhr)
Infos unter: www.magdeburg-kompakt.de

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