Fassungslosigkeit wurde Mut zur Begegnung

Fotos: Anne König / Initiative

Tumult am Hasselbachplatz. Keine Schlägerei. Im Gegenteil: Mit Musik und Offenheit laden Magdeburger zu Begegnungen ein. Plakate zeigen ihr Anliegen mit den Worten: Freiheit. Respekt. Mut. Wer und was steckt dahinter?

Der „Hassel“ ist beliebter Treffpunkt und bekannt für buntes Treiben, sagt Dorothea  Hartmann, auch international, und somit genau der richtige Platz für ihr Anliegen: Seit Kurzem findet dort, auf der Freifläche zur Liebigstraße, die „Montagsmusik“ statt. Eine Initiative von Magdeburgern, die anlehnend an die Idee der Montagsdemonstrationen von 1989 für ein tolerantes Miteinander werben wollen, gegen Ausgrenzung und Diskreminierung. Gemeinsam mit Janine, Heike, Hedi, Carsten, Carlos und Nicola lädt Dörte, wie Dorothea von allen genannt wird, zum Singen und Musizieren ein. Sie sind musikbegeisterte Magdeburger, einige Musiker, Musiktherapeuten, Straßenkünster, eine ist Leiterin eines Gospelchors, eine andere ist Sozialarbeiterin. „Mut zur Begegnung“ ist Motto und Anliegen. Sie nutzen die Musik, eine internationale Sprache. Wie kam es dazu?

Am Anfang stand Fassungslosigkeit. Dörte Hartmann erzählt von einer Begebenheit im Frühjahr: Anlässlich der Bombardierung 1945 war durch ihre Heimatstadt Nordhausen ein „rechter“ Aufmarsch durch die Stadt gezogen, in deren unmittelbarer Nähe sich das Konzentrationslager Dora befand, heute Gedenkstätte. Solche Aufmärsche sind auch in Magdeburg und anderenorts bekannt. Eine Gegendemonstration formierte sich. Auch Dörte wollte sich dazu positionieren, dass nazistisches Gedankengut und Kriegsverherrlichung im Hier und Heute nichts zu suchen haben. Was sie dann vorfand, war „so viel Aggression, erschreckend“. Das muss anders gehen, beschloss sie und suchte nach einem Weg, um sich und dem Anliegen gegen Rechts Gehör zu verschaffen.

Sie erinnerte sich an die Montagsdemonstrationen 1989. Als 16-Jährige hatte sie daran teilgenommen, für sie unvergesslich: „Die Slogans waren ,Freiheit’ und ,Keine Gewalt’. Dahinter konnte man stehen. Kann es immer noch.“ Und so nahm sie ihren Mut zusammen und suchte Mitstreiter. In der Öffentlichkeit stehen wollte sie nicht so gern. Doch sie ist sich sicher: Es gibt viele, die zuhause sitzen und ihren Protest nicht äußern. „Davon ändert sich aber nichts.“ Also muss es einen Weg geben, dass diese Stimmen gehört werden. „Das ist unser Anliegen”, sagt Dorothea Hartmann. „Wir laden alle ein, zu einer friedlichen, respektvollen und weltoffenen Atmosphäre in Magdeburg beizutragen“, werben die Initiatoren auf ihren Plakaten und Flyern. Ruhig, besonnen, ohne Angst. „Niemandem hilft es, wenn wir andere angreifen, Fremden von vornherein schlechte Absichten unterstellen und uns gegensetitig bekriegen. Das macht es nur schlimmer.“ Hinzu kam im Juli eine Aktion der „Seebrücke“ in Magdeburg – sie engagiert sich für jene Leute, die in Seenot geratene Flüchtlinge auffischen, damit sie nicht ertrinken, und deshalb sogar am Pranger stehen – sie würden Menschenhändlern helfen. „Unfassbar“, kommentiert das Dorothea Hartmann. Und wieder war da der Gedanke: Da muss man doch was tun! Auch gegen die Angst vor Fremdem, vor anderen Kulturen. „Wir müssen eine Lösung finden für mehr Menschlichkeit. Mit kühlem Kopf und Respekt“. Schließlich heißt es „,Die Würde des Menschen ist unantastbar’ und nicht die Würde des Deutschen oder Europäers“, sagt die Magdeburgerin. Bei ihren Montagsaktionen werben sie und ihre Mitstreiter dafür, einander friedlich zu begegnen und voneinander zu profitieren. Geplant ist die Aktion zunächst bis 29. Oktober. Dann soll entschieden werden, wie es weitergeht. Vielleicht mit einem Marsch durch die Stadt, gegen die Kälte. Dorothea Hartmann hat ein Lied geschrieben, mit den Worten Frieden, Freiheit, Menschlichkeit, Mut und Tolerenz. Das wird auch am Montag gesungen – mit hoffentlich vielen Stimmen. Der Text wird gedruckt verteilt, damit alle mit einstimmen können. Das Lied heißt nunmehr so wie das montägliche Treffen: „Mut zur Begegnung“.

Mut zur Begegnung. Für ein friedliches Miteinander. Immer montags, 18.30 Uhr, am Hasselbachplatz. Birgit Ahlert

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