Ein Stück Italien im Harz
Der deutsche Lenné-Experte Prof. Dr. agrar. Gerhard Hinz (1904 - 1989) bezeichnete Peter Joseph Lennés Parkschöpfung in Ballenstedt als seinen späten landschaftlichen Stil und ordnete dies in die Zeit von 1840 bis zu seinem Tode am 23. Januar 1866 ein.
Lennés Wirken im Harz: Über die Entstehung des Schlossgartens und Lennés Arbeit in Ballenstedt gibt ein Aufsatz der Kunsthistorikerin Julie Harksen in der Zeitschrift „Der goldene Reiter“ von 1939 Auskunft. Sie stützte sich darin auf den Ballenstedter Ortschronisten Gottschalk: „Der Schloßgarten ist von großem Umfange, liegt unter dem Schloßberge nordwärts und ist erst seit einigen dreißig Jahren in gutem Zustande. Der sonst kahle und nackte Schloßberg wurde mit in- und ausländischen Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Gänge daran durchgeführt, Ruheplätze angelegt und so ein roher Felsen dem Auge gefällig verwandelt. … Auf der Abendseite des Schloßes zwei grosse Teiche, zwei Mahlmühlen und bepflanzte Wiesen, auch ein kleines Bosquet mit einem chinesischen Pavillon.“
Dieser erwähnte Pavillon ist heute nicht mehr vorhanden. Zurück nach Ballenstedt. Laut Gerhard Hinz begann Lenné seine Tätigkeit in der Ostharzer Kleinstadt unter dem letzten Herzog von Anhalt-Bernburg Alexander Carl (1805 - 1863) im Jahre 1858. Dort wurde dieser im 18. Jahrhundert angelegte weitläufige Park von 52 Hektar unter Lenné zu einem Terrassengarten angelehnt an italienische Vorbilder umgestaltet. Mehr Interesse an dieser aufwertenden Tätigkeit als der Herzog zeigte die Bauherrin Herzogin Friederike, die schon im Februar 1848 zusammen mit dem Minister Maximilian Theodor von Schaetzell dort 30 beschäftigungslose Arbeiter einsetzen ließ.
Lenné hatte die Pläne für die Terrasse am Schloss und für die Pavillons sowie die Veranda – die um 1890 abgebrochen wurden – 1858 vorgelegt. Allerdings wurden sie nicht vollständig ausgeführt. Wie einem Schreiben Lennés vom 3. Januar 1859 zu entnehmen ist, sandte er nach Besuchen mehrere Pläne an das Hausministerium, von denen außer dem Terrassenplan nur noch der Parkplan vom September 1860 im Foto erhalten ist.
Der Ballenstedter Park, heute Friedenspark, erfuhr 1981 unter dem DDR-Bezirksdenkmalpfleger Schelenz einige Restaurierungen. In seinem Ursprung war die Anlage ein stimmungsvoller Ausklang Lenné’scher Kunst. Am 18. August 1859 vermerkten die in Ballenstedt lebenden Schwestern Bardua: „Als wir Sie gestern auf das Schloß begleiteten, sahen wir auf der Terrasse zum ersten Mal die neue Hebe, die unablässig das plätschernde Wasser aus ihrer Kanne in das Bassin gießt, die Figur nimmt sich gut aus auf dem Hintergrund der Landschaft.“ Laut Harri Günther plätscherte diese Hebe in einem Vierpass-Fontänenbe-cken. An zwei Seiten stehen halbrunde Bänke, die mit niedrigerem Strauchwerk hinterpflanzt sind, sodass zwar ein Gartenraum entsteht, aber gleichzeitig der Blick in Richtung des Vorharzes bis zum Brocken offenbleibt.
Lennés Planung hatte den Schlossgarten bis an die Gewächshäuser vergrößert und gab diesem durch die Reihung von Wasserbecken eine bewundernswerte optische Tiefe. Das natürliche Gefälle wurde genutzt, um im in den Hang eingezogenen runden Wasserbecken aus einem Zinkgussdrachen einen 24 Meter hohen Wasserstrahl ausspeien zu lassen. Auf 13 Meter Höhenunterschied erlebt der Besucher eine der lebhaftesten Wasseranlagen in Lennés Gartenkunstschöpfungen. Alles wurde nur sparsam bepflanzt, um die Räumlichkeit des Parkes zu betonen. Wie meist bei Lenné sind nur die Wegekreuzungen eingegrünt, um aus dem Dunkel des Baumschattens das Sonnenlicht auf den Wiesen doppelt erlebbar zu machen.
Der westliche Parkteil mit der 1785 gebauten Schlossmühle und dem Schadowschen Löwen ist offener, lichter und von einem kleinen Bach durchzogen, der ebenso wie der kleine Teich mit seinen bewegten Ufern das Hang- und Fontänenwasser aufnimmt. Der Teich und weite Teile des westlichen Parkes wurden nicht mehr nach Lennés Planungen ausgeführt und die Arbeiten bald nach 1863 eingestellt. „In dem Ballenstedter Park, der von einem unvergleichlichen Stimmungszauber ist, hat sich nicht nur die Gartenkunst des 19. Jahrhunderts ein Denkmal gesetzt, sondern die ganze Geistigkeit dieses Zeitalters offenbart sich in ihm in einigen ihrer edelsten Seiten, in ihrem großen Ernst, in ihrer Ehrfurcht vor dem Vergangenen und in ihrem Ringen um eine neue Zukunft“, schrieb die Kunsthistorikerin Julie Harksen Lennés Wirken in Ballenstedt. Seit 2000 gehört die Schöpfung von Lenné übrigens zum Landestourismusprojekt „Gartenträume“. Dipl. Ing. Volker A. W. Wittich