Das leere Mausoleum in den Spiegelsbergen

Wer heute nach Halberstadt kommt oder über die B81 in den Ostharz fährt, dem bleibt das am südlichen Stadtrand befindliche Jagdschloss Spiegelsberge kaum verborgen. Seit 1782 steht es dort hoch über der Domstadt und beim näheren Betrachten fällt einem zunächst ein älterer Gebäudeteil mit geschweiften Giebeln nach Norden und Süden auf. Südseitig vorgelagert eine Freitreppe als Zugang zum Saal im Obergeschoss und Teile einer Portalrahmung am Zugang zum Keller.

Am 25. Juli 1935 besuchten der Kunsthistoriker Udo von Alvensleben (1897 - 1962) und der aus dem holländischen Groningen stammende Maler Anco Wigboldus (1900 - 1983) auf einer ihrer Erkundungstouren seit 1930 auch die Spiegelsberge in Halberstadt von Langenstein vom Palast der Madame Branconi kommend und vermerkten dazu im Tagebuch: „Dicht vor Halberstadt liegt ein anderer Garten der alten Zeit: die Spiegelsberge. Der Schöpfer, Domdechant Ludwig Ernst von Spiegel-Desenberg, bewohnte in Halberstadt die schöne Kurie am Dom, in der jetzt das Museum ist. Hinter dem alten Sommerhause in den Spiegelsbergen stiegen früher Terrassen mit Statuen an. Auf der Höhe steht ein sonderbares, aus Halberstädter Architekturfragmenten des 16. Jahrhunderts zusammengesetztes Gebäude mit phantastischen Treppen, von Grotten flankiert, innen ist ein Riesenfaß. Vom Balkon hat man einen schönen Blick auf die Stadt und den Huy.

Sonderbar, um 1780 dieses Verständnis für deutsche Renaissance zu finden. Endlich noch ein reizendes Belvedere, ein italienischer Kuppelbau, ein achteckiges Mausoleum im schattigen Tal. Viele der einstigen Bauten und Plastiken sind verschwunden, aber das Vorhandene vermittelt noch lebendig den Geist des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Die wilde Natur suchte man zu bereichern und zu veredeln und doch wieder fremdartig zu machen. Eichhörnchen springen in Mengen in den Zweigen herum…“

Diese Tagebuchaufzeichnungen von Udo von Alvensleben wurden 1968 im Ullstein-Verlag Frankfurt/Main von Harald von Koenigswald veröffentlicht. Doch die Beschreibung ist nicht ganz korrekt. Diese Architekturfragmente entstammen dem Gröninger Renaissanceschloss, welches in den Jahren 1586 bis 1594 unter dem ersten evangelischen Bischof von Halberstadt Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg (1566 - 1613) als prachtvolle vierflügelige Anlage mit vier Treppentürmen errichtet wurde. Nach der im Jahr 2000 erschienenen Publikation von Corinna Köhlert und Jürgen Blume „Von Schlössern und Burgen in Sachsen-Anhalt“ gab es bereits 934 dort einen urkundlich bezeugten Königshof sowie eine Burg. Im 12. Jahrhundert soll eine neue Burg entstanden sein, die ab 1368 als Wohnsitz der Halberstädter Bischöfe diente und ihre bevorzugte Residenz wurde. Der Goldene Saal, die Schlosskapelle und andere Innenräume waren weithin berühmt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem Gröningen mal von den Schweden, mal von den Kaiserlichen besetzt worden war, blieb das Schloss unbewohnt und verfiel zunehmend. 1817 soll es zum endgültigen Abriss gekommen sein.

Zurück zum Jagdschloss in Halberstadt. Diese Portalrahmung des Kellereingangs hat nach Dehio einen Aufsatz mit den Wappen des Bischofs Heinrich Julius und seiner beiden Gemahlinnen als freistehende Bekrönung. Was ist heute im Keller untergebracht? Sahen die Spiegelsberge als Landschaftspark schon immer so aus? Warum ist das Mausoleum seit 1811 leer, obwohl man dort bis 1944 Gedenkfeiern für den Parkschöpfer Domdechant Christoph Spiegel zum Desenberg (1711 - 1785) durchführte? Wer initiierte sie? Fragen über Fragen. Wer Antworten möchte und mehr wissen will, kann am 3. Oktober einem Vortrag im Jagdschloss Spiegelsberge lauschen.

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