Das Kino stellt sich selbst ins Abseits

Das deutsche Kino hat es schwer. Filme allein reichen mittlerweile nicht, um das Publikum vor die Leinwände zu locken. Vielmehr ist Kreativität gefragt. Kino heißt heute nicht nur Film, es soll ein Gesamterlebnis sein und das Geld wird mit Popcorn und Co. verdient. Kreativ sind die Kinoketten aber auch auf der finanziellen Seite. Es gibt Rabatttage, Aktionen, Frauen- und Männerabende, Übertragungen von Opern und Ballettaufführungen. Besonders kreativ sind sie bei der Gestaltung der Einrittspreise. Ein Blick ins Internet zeigt Unterschiede pro Wochentag. In der Innenstadt zw. 5,80 und 9,30 Euro; am Stadtrand zwischen 6 und 9 Euro. Was aber nur die halbe Wahrheit ist. In den großen Kinos werden die unterschiedichsten Zuschläge erhoben. Dass man zahlt, was der willige Kinogänger vorab im Internet in der Preisliste erfährt (Suche über: Magdeburg, das entsprechende Kino, Preise), passiert wohl nur noch bei den kleinen regionalen Anbietern wie Studiokino oder Moritzhof. Bei einem spontanen Test haben wir keinen einzigen Film gefunden, für den kein Zuschlag erhoben wurde. Natürlich – für begehrte Logenplätze muss schon immer mehr bezahlt werden (1,50 Euro) – für VIP-und Kuschelplätze sind es 3,20 Euro. Soweit, so bekannt.

Tradition geworden ist in den letzten Jahren die Praxis, pro angefangener halber Stunde „Überlänge“, also mehr als 90 Minuten, 50 Cent Zuschlag zu erheben. Was übrigens auch gilt, wenn der Film 92 Minuten lang ist. Doch wir wollen nicht kleinlich sein. Irgendwie müssen Kinos überleben. 

Wieso allerdings unterschiedliche Zuschläge berechnet werden, ergibt sich zumindest für den ganz normalen Besucher nicht. Beim Test am „Kino-Dienstag” wählten wir einen Film mit 100 Minuten Länge. Also sind 50 Cent mehr zu zahlen? Mitnichten. Im Kino am Stadtrand ist das so, in der Innenstadt zahlt man das Doppelte. Auf das verwirrte Fragen an der Kinokasse gibt es die Antwort: Zuschlag für den Film. Aus den in der Preisliste erwähnten 5,80 Euro werden 6,80 bzw. für ein Paar statt 11,60 dann 13,60 Euro usw. Wer übrigens mit Kreditkarte bezahlen möchte, muss unverrichteter Dinge wieder gehen, allein Girokarten werden akzeptiert. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zu den avisierten 5,80 Euro für den Kinobesuch. Plus 50 Cent für 10 Minuten Überlänge. Und die weiteren 50 Cent: Zuschlag für Film in 2D. 2D? Das ist nichts anderes als ein ganz normaler Film. Ist der ausgeschriebene Preis also lediglich Eintritt in das Kinogebäude? Das wäre so, als ginge man ins Schwimmbad, dürfe aber nur nach Zahlung eines zusätzlichen Preises ins Wasser. Oder als würde man eine Zeitung kaufen, sie aber nur ansehen dürfen – Aufblättern und Lesen mit Zuschlagszahlung.

Eine Information, welche Zuschläge anfallen, sucht man auf der Internetseite übrigens vergebens. Lediglich heißt es: „ggf. Zuschläge 0,50 bis 2,50 €“. Wofür, das bleibt im Verborgenen.

Natürlich hat Kino als Erlebnis seinen Preis. Und der wird nicht vom Kino vor Ort entschieden, sondern in der Chefetage der überregionelen Kinoketten. Natürlich ist es finanziell aufwändiger, einen großen Kinokomplex zu betreiben, sind die Kosten vom Personal bis zur Reinigung zu decken … Wer jedoch das Gästeverwirren als Firmenpolitik betreibt, braucht sich nicht wundern, wenn sich immer mehr Menschen für Alternativen entscheiden. Anbieter wie Netflix, Amazon Prime & Co., Streamingdienste, die neue Kinostreifen bereits für 50 Cent Leihgebühr oder sogar kostenfrei anbieten, sind eine große Konkurrenz für die Filmpaläs-te. Fernseh-Bildschirme für den Privathaushalt werden zudem immer größer, die Qualität immer besser, hinzu kommen ausgetüftelte Soundsysteme für das Kinoerlebnis zuhause, die sich zumal nach persönlichem Befinden einstellen und genießen lassen … Wer sich trotzdem für einen Kinobesuch entscheidet, sich dann aber an der Kasse veralbert fühlt, überlegt es sich künftig noch stärker, ob sich so ein Besuch lohnt. Schade eigentlich, war Kino doch immer etwas Besonderes. So stellt sich das Kino selbst ins Abseits. Birgit Ahlert

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