Andere Stärken, andere Schwächen

Für den Schauspieler Michael Günther war die Regiearbeit für das jüngste Programm des Kabarettensembles der Magdeburger Zwickmühle „Wir stärken unsere Schwächen“ ein Satire-Debüt. Als er im Vorfeld über die Herausforderung Auskunft gab, stellte er als wesentlichen Unterschied heraus, dass Figuren auf der Theaterbühne Zeit hätten, sich zu entwickeln. Im Kabarett müssten sie sich wegen des schnellen Wechsels von einem Charakter zum nächsten sofort entfalten. Das beherrschen die erfahrenen Satire-Akteure Hans-Günther Pölitz und Marion Bach aus dem Effeff. Die Handschrift des Regisseurs schien vielmehr an anderer Stelle aufzublitzen. Denn bei der Premiere am 10. September zeigte das Duo Bach-Pölitz eine völlig neue Seite: Es jagte nicht – wie man es bei den Zwickmüllern gewohnt ist – ein Gag den anderen. Vielmehr lag über der Aufführung ein melancholischer Schleier. Die Texte hatten manchmal etwas von einer tieferen Getragenheit, von Sinnsuche und Antwortforschung zwischen den Zeilen. Im 30. Jahr nach dem Mauerfall spielt das Thema Einheitsprozess natürlich eine wichtige Rolle. „Wenn man sich keine Kolonie leisten kann, soll man sich keine anschaffen“, spricht Hans-Günther Pöiltz über westdeutsche Klagen, dass der Osten nicht aus der Alimentierung herausfinde. Die Einheits-Nummer mündet in das melancholische Lied „Mein Osten…“ Selbst die Anspielungen über den Niedergang etablierter Parteien, zu Pflegenotstand und internationalen Konflikten sind manchmal resistent gegenüber Lachern.

Es mag an mancher Themenkost liegen, dass nicht jede satirische Zuspitzung das Bauchfell trainiert und Pointen schwerer zu schlucken sind. Möglicherweise zeigt sich genau darin die theatralische Handschrift des Regisseurs Michael Günther. Der Programmauftakt über Digitalisierung und Künstliche Intelligenz hatte zunächst gewohnt unterhaltsame Szenen gesetzt. Da war der Inhalt nicht so politik-beladen. In einer Zeit, in der politische Zuspitzung aus allen Medienkanälen explodiert, ermüden Zuschauer an diesen ständigen Aufreizungen. Das macht es Satirikern nicht leicht, den scheußlichen Entwicklungen neben Galgenhumor auch noch frischen Witz abtrotzen zu wollen. Aber das Team kompensiert den Hauch von Schwermut dann mit wirklich schönen und fröhlichen Liedern. Mit „Die Datei, die Datei, die hat immer Recht“ oder „Atemlos durch die Schicht…“ bekommt jede Nummer einen musiklischen Abschlussglanz verpasst. Unter dem Strich verdient das neue Programm das hohe Zwickmühlen-Qualitätssiegel. Thomas Wischnewski

Spielplan und weitere Informationen unter www.zwickmuehle.de

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